Anlässlich der Ausstellung „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft. Sammlung der Nationalgalerie 1945-2000“ lädt die Neue Nationalgalerie Künstler:innen und Expert:innen zu Gesprächen über „Zerreißproben“ in Vergangenheit und Gegenwart ein. Diskutiert wird über Rollen der Kunst zwischen Politik und Gesellschaft, zwischen Alltag und Pop, zwischen Natur und Ökologie, über Feminismus und flüchtige Identitäten.
Die Zerreißprobe TALKS finden an 10 Abenden jeweils mittwochs um 18 Uhr im Foyer der Neuen Nationalgalerie statt. Wenn nicht anders angegeben finden die Veranstaltungen in deutscher Sprache statt. Der Eintritt ist frei, Anmeldung nicht erforderlich.
PROGRAMM
13. November 2024
FRANZ ERHARD WALTHER Handlung als Skulptur
Diskussionsabend mit dem Kunsthistoriker Gregor Quack und dem Künstler
Anfang der 1960er Jahren erklärte Franz Erhard Walther (geboren 1939) die Handlung zum Werk. In seinen Arbeiten werden die Betrachtenden zu Akteuren. An zwei Tagen ist der weltweit bekannte Künstler zu Gast in der Neuen Nationalgalerie. Am Mittwoch (13.11.) findet neben der Demonstration einer seiner Arbeiten ein Gespräch zwischen dem Künstler und dem Kunsthistoriker Gregor Quack über dessen wegweisende Neudefinition der Skulptur seit den 1960er Jahren statt.
14. November 2024
FRANZ ERHARD WALTHER Handlung als Skulptur
Aktivierung ausgewählter Werke von Franz Erhard Walther
Anfang der 1960er Jahren erklärte Franz Erhard Walther die Handlung zum Werk. In seinen Arbeiten werden die Betrachtenden zu Akteuren. An zwei Tagen ist der weltweit bekannte Künstler zu Gast in der Neuen Nationalgalerie. Am Donnerstag (14.11., 16-20 Uhr) können ausgewählte Arbeiten von Walther in der gläsernen Halle von Mies van der Rohe in Anwesenheit des Künstlers vom Publikum aktiviert werden.
4. Dezember 2024
MARIA LASSNIG „Mit einem Tiger schlafen“
Screening und Diskussion mit der Regisseurin Anja Salomonowitz
„Mit einem Tiger schlafen“ lautet der Titel eines Gemäldes der Malerin Maria Lassnig. Der gleichnamige Film widmet sich dem Leben dieser erst spät zu Ruhm und Ehre gekommenen österreichischen Künstlerin. Die Regisseurin porträtiert Lassnig als radikale Einzelgängerin, stets bereit, ihre Gegenüber herauszufordern, die gleichzeitig aber auch oft am Rand der Verzweiflung steht. Verkörpert wird die Künstlerin von der Schauspielerin Birgit Minichmayr. Über die sehr eigene, poetische Filmsprache sprechen wir nach der Vorführung des Films (2024, 107 Minuten) mit der Regisseurin Anja Salomonowitz.
15. Januar 2025
WILLI SITTE Pop und Propaganda in der DDR?
Eckhart Gillen – Vortrag und Diskussion
Gab es Pop Art in der DDR? Offiziell war die Pop Art durch ihre Orientierung an der kapitalistischen, westlichen Warenwelt dort verpönt. Dennoch fand die Formensprache der Massenmedien und Popkultur auch in den sozialistischen Staaten Eingang in die Kunst. Auf welche Weise dies geschah, wird in der Ausstellung „Zerreißprobe“ an den Arbeiten des in der DDR gefeierten Staatskünstlers Willi Sitte deutlich. Der Kunsthistoriker und Experte für die Kunst des 20. Jahrhunderts, Eckhart Gillen, diskutiert, wie und ob sich Sittes expressive, oft an den Massenmedien orientierende Bildsprache, mit den politischen Vorgaben der DDR Regierung vereinbaren ließ.
19. Februar 2025
KLAUS STAECK „Nichts ist erledigt“. Warum die Kunst kämpferisch sein muss
Künstlerin Kirsten Glöckner im Gespräch mit dem Künstler
„Die Kunst findet nicht im Saale statt“ lautet seit Ende der 1960er Jahre das Credo des Grafikers, Rechtsanwalts und Aktivisten Klaus Staeck. Besonders berühmt geworden sind seine Plakate zu Themen wie Umwelt, Konsum, Krieg, Migration, Ausbeutung, Identität und sozialem Ungleichgewicht. Ironisch-überspitzt wenden sie sich an ein breites Publikum und lenken den Blick auf Missstände in unserer westlichen Gesellschaft, die zum Teil bis heute gelten. „Nichts ist erledigt“ ist das aktuelle Motto des Künstlers, wie er selbst an diesem Abend erklären wird.
19. März 2025
Der „Fall“ BARNETT NEWMAN. Angriffe auf die Kunst
Wolfgang Ullrich – Vortrag und Diskussion
Ein Angriff auf das Bild „Who‘s Afraid of Red, Yellow and Blue IV“ (1969/70) in der Neuen Nationalgalerie hielt in den 1980er Jahren die Kunstwelt in Atem. Das Bild von Barnett Newman war zuvor in der Öffentlichkeit auf großes Unverständnis gestoßen. In der Presse wurde es als „Werk eines Anstreicherlehrlings“ herabgewürdigt. Noch immer ist die Arbeit mit der Konzentration auf die Primärfarben Rot, Gelb und Blau eine radikale Komposition. Doch was macht Angst an dieser Malerei und was bringt Menschen generell zu Angriffen auf die Kunst? Dies erklärt der Bestseller-Autor und Wissenschaftler Wolfgang Ullrich.
2. April 2025
Feminismus in der DDR und Polen. CORNELIA SCHLEIME und EWA PARTUM
Diskussionsabend mit den Künstlerinnen und der Kunsthistorikerin Marta Smolińska
Sowohl im Osten als auch im Westen wurde der Körper bei vielen Künstlerinnen in den 1970er und frühen 1980er Jahren zu einem Mittel des gesellschaftspolitischen Protests. Rebelliert wurde gegen die Über-Sexualisierung der Frau, gegen vorherrschende Machtgefälle und das Patriarchat. Künstlerinnen wie Cornelia Schleime in der DDR oder Ewa Partum in Polen, setzten ihren nackten Körper ein, um gegen Rollenvorgaben und das Eingeschlossen sein innerhalb des Staates zu rebellieren. Die Kunsthistorikerin Marta Smolińska spricht mit den beiden Künstlerinnen über ihre Erfahrungen im Sozialismus bei ihrem Kampf gegen eine männerdominierte Bildwelt.
Frühjahr 2025
KIKI KOGELNIK oder ANDY WARHOL
Kunstgeschichte ohne Männer?
Katy Hessel – Vortrag und Diskussion (auf Englisch)
Frauen wurden lange Zeit in der Geschichte der Kunst übergangen und vernachlässigt. Auch in den Museen sind Künstlerinnen noch nicht genügend repräsentiert. Katy Hessel, Autorin des Bestsellers „The Story of Art Without Men“ (2022), diskutiert am Beispiel der Pop Art Künstler:innen Kiki Kogelnik und Andy Warhol über den noch immer männerdominierten Kanon in der bildenden Kunst. Kogelnik war in den 1960er Jahren Teil der „Factory“, einer Art Kommune in New York, zu der auch Andy Warhol und andere bekannte Künstler:innen gehörten und ist bis heute trotzdem kaum bekannt. Wie ließe sich die Kunstgeschichte umschreiben, um Künstlerinnen einen größere Rolle einzuräumen?
14. Mai 2025
CHARLOTTE POSENENSKE in Aktion
Aktivierung der Objekte von Posenenske in der Ausstellung mit anschließendem Gespräch
Mit Künstlern wie Donald Judd oder Dan Flavin werden in den frühen 1960er Jahren makellose, seriell hergestellte Produkte wie Metallkästen oder Leuchtstoffröhren zu Kunstwerken. Von dieser Nüchternheit der Minimal Art setzt sich die deutsche Künstlerin Charlotte Posenenske bewusst ab. Anders als die unveränderbaren Werke von Judd oder Flavin lassen sich ihre Objekte immer wieder neu zusammensetzen. Die soziale Interaktion und Veränderbarkeit ist Teil des Werkes, wie am Veranstaltungsabend zu erleben sein wird. Anschließend sprechen wir über die Funktion von Skulptur und Architektur als „sozialer Katalysator“.
18. Juni 2025
AGNES DENES UND JOSEPH BEUYS. Ökoaktivismus oder Kunst?
Phillip Ursprung – Vortrag und Diskussion
Viele Künstler:innen wenden sich seit den 1960er Jahren verstärkt den Themen Ökologie und Umweltschutz zu oder widmen ihre Arbeiten dem Spannungsverhältnis von Natur und Kultur. Künstler:innen wie Richard Long, Mario Merz, Nancy Holt oder Ana Mendieta schaffen raum-greifende Werke, die aus Naturmaterialien wie Erde, Stein oder Pflanzen bestehen. Andere verabschieden sich ganz von klassischen Kunstgattungen und arbeiten aktivistisch. So sät Agnes Denes mitten in New York ein Weizenfeld oder Joseph Beuys pflanzt 7000 Eichen in Kassel. Was bleibt von solchen Aktionen übrig und bis heute relevant? Dieser Frage widmet sich Phillip Ursprung, Autor u.a. einer großen Beuys-Monografie.
16. Juli 2025
CANDICE BREITZ. Flüchtige Identitäten
Eric Otieno Sumba im Gespräch mit der Künstlerin (auf Englisch)
Seit Mitte der 1990er Jahre beschäftigt sich die in Südafrika geborene Künstlerin Candice Breitz mit der Frage, wie persönliche und kollektive Identitäten entstehen. Während sich ihre frühesten Arbeiten hauptsächlich auf Fragen des Geschlechts und die gewalttätige Art und Weise konzentrierten, in der Rassifizierung durch Bildsprache konstruiert und aufrechterhalten wird, hat sich ihr Fokus in den letzten drei Jahrzehnten erweitert, um zusätzlich zu berücksichtigen, wie sich die in den Massenmedien präsentierten Stereotypen auf die persönliche und kollektive Wahrnehmung von Identität auswirken. Die Künstlerin diskutiert ihre Praxis mit dem Soziologen und Politikwissenschaftler Eric Otieno Sumba.
Die Veranstaltungsreihe wurde konzipiert von Joachim Jäger und Maike Steinkamp
In Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung e.V.
Quellennachweis:
ANN: Zerreißprobe Talks (Berlin, 13 Nov 24-16 Jul 25). In: ArtHist.net, 30.10.2024. Letzter Zugriff 02.11.2024. <https://arthist.net/archive/43059>.