Vortragsreihe des Forschungsprojekts: "Valleys of the Simorgh. A transhistorical Quest for Equality and Democracy".
Seit September 2022 protestieren Menschen im Iran für einen Regimewechsel, Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte. Diese Revolutionsbestrebung, die zunächst von Frauen und Mädchen unter Einsatz ihres Lebens begonnen wurde, hat sich zu einer feministisch-intersektionellen Bewegung ausgeweitet. Menschen aus verschiedenen Gruppierungen (wie etwa ethnische Gruppen, LGBTQI+, Menschen mit Behinderung) schlossen sich zusammen und versuchen gemeinsam, Demokratie und Gleichheit in den Iran zu bringen. Dieses kollektive Subjekt, dessen Stärke und Beharrlichkeit aus ebenjener Verbindung resultiert, hat ein metaphorisches Vorbild in der Erzählung Konferenz der Vögel, die vor 800 Jahren von Farid Al-Din Attar verfasst wurde.
Um das Jahr 1177 schrieb der persische Kleriker und Dichter Attar Die Konferenz der Vögel. Diese Erzählung berichtet von der langen und beschwerlichen Reise einer Vogelschar auf der Suche nach dem rechtmäßigen Herrscher, dem Simorgh. Bei diesem Unterfangen durchqueren sie sieben Täler, die für sie zu Orten der Prüfung und Erfahrung werden und in denen sie nach und nach eine Vielzahl ihrer Gruppenmitglieder verlieren. Nach dem 7. Tal bleiben nur noch 30 Vögel übrig, die aufgrund der gemeisterten Herausforderungen und der gesammelten Erfahrungen schließlich erkennen, dass ihre Suche ein Ende gefunden hat: Der ersehnte Simorgh, dem sie sich unterwerfen möchten, ist in Wirklichkeit bereits in ihnen selbst inhärent – sie selbst sind der Simorgh (si = 30, morgh = Vögel).
Diese Erzählung veranschaulicht den Weg einer spirituellen Reise zur Erlösung/Erleuchtung, ein Ziel, das bereits in uns angelegt ist, jedoch erst ergründet werden muss. Der Weg dorthin kann durch den Sufismus beschritten werden. Aber diese Geschichte erzählt viel mehr als das und eröffnet ein breites Spektrum an Verbindungen und Assoziationen. Diesen wollen wir nachspüren und ihre Relevanz für die Herausforderungen unserer Gegenwart zum Thema machen.
Warum also ist also die Konferenz der Vögel auch heute noch eine so faszinierende Quelle der Inspiration und Kontemplation?
In einer transhistorischen Perspektive untersucht das Projekt „Valleys of the Simorgh“ (Leitung: Anita Hosseini; Mitarbeit: Gudrun Wallenböck und Marcia Schmidt) die Bedeutung dieser Erzählung für die Gegenwart sowie die Rolle von Kunst und Literatur im Kampf für Gleichheit und Demokratie. Gleichzeitig wirft es die Frage auf, wie diese Erzählung so lange überleben konnte und wie sie das Denken und die Kunst auch außerhalb Irans beeinflusst hat.
Die Aktualität der Konferenz der Vögel soll in Bezug auf die derzeitigen politischen Kämpfe um Gleichheit, Freiheit und Menschenrechte herausgearbeitet werden, um anschließend auch das Potential der Künste im politischen Rahmen zu beleuchten. Wir möchten die symbolische Ebene der Konferenz der Vögel inter- und transdisziplinär nachzeichnen. Wann ist diese Erzählung entstanden? Worauf hat sie reagiert? Wie und warum wurde sie übersetzt? Was sagt sie über vergangene und gegenwärtige Vorstellungen von politischer Partizipation aus? Warum sind Gleichheit und Diversität so wichtig für die Gestaltung von Gesellschaften? Welche Praktiken helfen, Gleichheitsrechte zu etablieren? Was ist die Rolle des Kollektivs?
Transkulturell wird hier ein menschliches Streben nach Freiheit und Gleichheit artikuliert, das die Kraft der Künste verdeutlicht, zeitliche und räumliche Distanzen zu überbrücken und zum Nachdenken anzuregen.
Den Auftakt für das Projekt bildete die Lecture Performance "Wandering Images" der iranisch-deutschen Künstlerin Farkhondeh Shahroudi, der am Donnerstag, 16.11.2023 im Rahmen der Vienna Art Week 2023 im Kunstraum hinterland stattfand.
Nun freuen wir uns auf vier weitere kommende Veranstaltungen zu denen wir Sie ganz herzlich in den Kunstraum hinterland (Krongasse 20, 1050 Wien) einladen möchten:
Das zweite Künstlergespräch mit dem Titel „Ali Kazim‘s Conference of the Birds“ wird am Mittwoch, den 24. April 2024 um 18 Uhr im Kunstraum hinterland stattfinden. Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.angewandtekunstgeschichte.net/news/ali-kazims-conference-of-the-birds.
Unter dem Titel „New Swing States“ berichtet die Künstlerin Anahita Razmi bei der dritten Abendveranstaltung am Donnerstag, den 02. Mai 2024 um 18 Uhr von ihrer Arbeitspraxis und der darin verankerten Bedeutung von Sprache, Ort und Kultur. Hier können Sie weitere Details finden: https://www.angewandtekunstgeschichte.net/news/anahita-razmi-new-swing-states.
Beim vierten Abendgespräch nehmen und Maren Amini (Illustratorin) und Ahmadjan Amini (Maler) mit auf ihre Reise von Afghanistan nach Hamburg. Sie erzählen uns am Donnerstag, dem 06. Juni 2024 von ihrer Zusammenarbeit und dem Entstehungsprozess ihres preisgekrönten Graphic Novels „Ahmadjan und der Wiedehopf“. Mehr dazu unter: https://www.angewandtekunstgeschichte.net/news/ahmadjan-und-der-wiedehopf.
Ausstellung "Valleys of the Simorgh" vom 27. Juni – 20. Juli 2024 im Kunstraum hinterland mit Maren und Ahmadjan Amini, Tanja Boukal, Monika Huber, Mareen und Ali Kazim, Anahita Razmi, Mohsin Shafi und Farkhondeh Shahroudi.
Das Projekt ist an der Universität für angewandte Kunst Wien angesiedelt und wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung des Angewandte Programm für inter- und transdisziplinäre Projekte in Kunst und Forschung (INTRA).
Reference:
ANN: Valleys of the Simorgh (Vienna, 24 Apr-6 Jun 24). In: ArtHist.net, Apr 5, 2024 (accessed Dec 26, 2024), <https://arthist.net/archive/41555>.