Die krisenbehaftete Gegenwart erfordert die andauernde Entwicklung und Anpassung von Bewältigungsstrategien. Schützen gilt in diesem Zusammenhang als ein vermeintlich erfolgversprechendes gesellschaftliches Konzept, das uns als Individuen, Gruppen oder ganze Gesellschaften in allen Bereichen des täglichen Lebens begegnet. Stets geht Praktiken und Diskursen des Schützens eine Sorge für oder um etwas voraus, die positive Absichten verfolgt und ethisch motiviertes Handeln initiiert. Für etwas Sorge zu tragen ist verbunden mit Vorstellungen von Vulnerabilität. Gleichzeitig ist die Strategie des Schützens auch mit Verantwortung verbunden und enthält eine gewisse Handlungsaufforderung.
In diesem Spannungsfeld sehr unterschiedlicher Ambitionen und Praktiken des Schützens entstehen nicht selten neue Dynamiken, die das ursprüngliche Schutzvorhaben konterkarieren und, ob intendiert oder nicht, auch Exklusion, Distinktion und Schaden hervorrufen oder befördern. Schützen ist heikel. Schützen kann scheitern. Kurz: Der Akt des Schützens generiert Paradoxien. Die diesjährige Tagung der Isa Lohmann-Siems Stiftung widmet sich den widersprüchlichen und auch kontraproduktiven Aspekten des Schützens, denn Intention und Ergebnis von Schutzvorhaben stehen nicht zwangsläufig in Einklang miteinander. Im Kern können positive und zielgerichtete Prozesse mit dem Anliegen zu schützen und zu erhalten auf unvorhergesehene Weise auch etwas anderes bewirken und sind in vielfacher Weise in Machtstrukturen eingebunden. Schützen ist relational und prozessual zu denken und vom historischen und kulturellen Kontext abhängig.
Das diesjährige Projekt der ILS-Stiftung nähert sich der Frage nach Paradoxien des Schützens interdisziplinär aus gegenwartsbezogener und historischer Perspektive. Die vielschichtigen Paradoxien sollen in ihren sozialen, politischen, rechtlichen, ökonomischen, materiell-technischen, ästhetischen, kulturellen, ökologischen und ethischen Dimensionen und Potenzialen diskutiert werden.
+++ Programm +++
Freitag, 09.02.2024
09:00 Ankunft und Kaffee
09:30 Begrüßung und Einführung
Medien und Displays
10:00 José Antonio González Zarandona (Newcastle University)
The problem of heritage or the protection that cannot be afforded?
10:45 Theresa Stankoweit (Hamburg)
Töten, um zu retten. Frühe Habitat-Dioramen als Bilder des Naturschutzes
11:30 Kaffeepause
11:45 Banu Karaca (Berlin)
A strange kind of property: art, cultural heritage, and paradoxes of protection
12:30 Leena Crasemann (Hamburg/Siegen)
»Textile care?« – Verhüllungen von Monumenten im öffentlichen Raum und ihre paradoxalen Sinnstiftungen
13:15 Mittagspause mit Führung durchs Warburg-Haus
Aushandlungen und Potenziale
14:15 Kaya de Wolff (Frankfurt a.M.)
Von der Besetzung der deutschen ‚Schutzgebiete‘ bis zur Anerkennung des OvaHerero- und Nama-Genozids. Eine kritische post-/koloniale Perspektive auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
15:00 Samantha Lutz (Hamburg)
»If it’s not online and available, it doesn’t exist!« Über diachrone Unzugänglichkeit und digitale Nachhaltigkeit im Kulturbereich
15:45 Kaffeepause
16:15 Martin Warnke (Lüneburg)
Das Schützen mit und das Schützen vor dem Digitalen. Erfahrungen mit Bewahrungsstrategien in digitalen Kulturen
17:00 Apéro
Samstag 10.02.2024
Konkurrenzen und Konflikte
10:00 Stephan Dreyer (Hamburg)
Alternativlose Staatspflichten und übergriffige Normen: Über die Ambivalenz rechtlicher Schutzaufträge in Zeiten der Digitalisierung
10:45 Nadine Sarfert (Basel)
Das Vexierbild der gefährdeten und gefährlichen Jugendlichen
11:30 Imbiss
12:00 Benjamin Gollasch (Hamburg)
Was soll vor wem bewahrt werden? – Paradoxien im kolonialen Denkmalschutz um 1900
12:45 Theresa Müller (Hamburg)
Wie schützt ein Stück Papier vor dem Trommelfeuer? Himmelsbriefe und die Paradoxien religiöser Schutzpraktiken im Ersten Weltkrieg
13:30 Fazit und Abschluss mit Norbert Fischer (Hamburg)
Kontakt und Anmeldung
Eine Anmeldung zur Tagung ist erforderlich über die Homepage der Stiftung: https://ils-stiftung.de/aktuelle-tagung.html. Da die Tagung hybrid konzipiert ist, können Sie auch online teilnehmen.
Email: ilss18gmx.de
Web: https://ils-stiftung.de/aktuelle-tagung.html
Quellennachweis:
CONF: Paradoxien des Schützens (Hamburg, 9-10 Feb 24). In: ArtHist.net, 17.01.2024. Letzter Zugriff 22.12.2024. <https://arthist.net/archive/41001>.