CFP 02.12.2023

Theophil Hansen transregional (Wien, 19-21 Jun 24)

Wien, 19.–21.06.2024
Eingabeschluss : 31.01.2024

Dr. Timo Hagen

Theophil Hansen transregional – Dissemination und Rezeption historistischer Architektur. Tagung am Forschungsbereich Kunstgeschichte des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes (IHB) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Wien.

Ort: Postsparkasse, Georg Coch-Platz 2, 1010 Wien
Zeitraum: 19. bis 21. Juni 2024

Kaum ein anderer Architekt entfaltete mit seinem Schaffen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine solche Wirkung auf das Architekturgeschehen der Habsburger Monarchie und ihrer Nachbarländer wie Theophil Hansen (1813–1891). Der gebürtige Däne prägte nicht nur das Erscheinungsbild der Wiener Ringstraße mit Großprojekten im Stil der „hellenischen Renaissance“ erheblich mit. Er entwarf auch byzantinisch und anderweitig historisch inspirierte Bauten für die Kapitale der Monarchie und viele ihrer Regionalzentren von Brünn/Brno im heutigen Tschechien über Käsmark/Kežmarok in der heutigen Slowakei bis nach Lemberg/L’viv in der heutigen Ukraine. Vor allem jedoch war Hansen von 1868 bis 1884 ein äußerst wirkmächtiger Lehrer, dessen Schüler an der Akademie der Bildenden Künste in Wien seine Entwurfsideen in ihre Heimatregionen innerhalb des Reiches und in dessen Nachbarländer wie Bulgarien, Serbien und Rumänien trugen. Nicht zuletzt agierte Hansen als eifriger Publizist seiner eigenen Entwürfe in Fachorganen und wusste deren Rezeption durch den Vertrieb der zugehörigen Terrakotta-Bauornamente durch Wiener Ziegeleien zu befördern.

Obgleich Theophil Hansen anlässlich seines 200. Geburtstags 2013 zahlreiche Ausstellungen und Publikationen gewidmet wurden, blieb seine transregionale Breitenwirkung und insbesondere deren Entfaltung im Schaffen seiner Schüler, Mitarbeiter und Adepten bislang weitgehend unbeachtet. Dabei scheint gerade das im Falle Hansens zu beobachtende Zusammenspiel aus aktiver Dissemination seiner Architekturauffassung und Entwurfsideen und deren breiter Rezeption durch andere, die mit seinem Tode – befördert durch den „Hansen-Club“ seiner Schüler – nochmals eine Renaissance erlebte, besonders geeignet, um Mechanismen der Verbreitung und Etablierung historistischer Architektur exemplarisch zu untersuchen.

Die Tagung möchte es sich daher zur Aufgabe machen, Forschungen zu Hansens Schaffen und seiner Rezeption in unterschiedlichen Regionen – von seiner Heimat Dänemark, über Zentral- und Südosteuropa bis nach Griechenland, wo der Architekt prägende Jahre verbrachte und die Hauptstadt des jungen Königreichs mitgestaltete, – zusammenzubringen. Im Fokus sollen dabei einerseits die Instrumente der Dissemination stehen – akademische Lehre, Entwurfsbüro- und Baustellenbetrieb, Fachpublizistik, Bauornamente-Vertrieb, geschicktes Agieren auf dem gesellschaftlichen Parkett etc. –, andererseits soll nach den verschiedenen soziokulturellen Faktoren gefragt werden, die eine Rezeption beförderten. Hier gerät die Rolle seiner staatlichen und privaten Auftraggeber und Hansens Wahrnehmung in der Öffentlichkeit in den Fokus. Einerseits galten Hansens antikisierende Entwürfe nämlich Zeitgenossen wie Rudolf Eitelberger als exemplarisch für eine “reichspatriotisch” aufgefasste „Wiener Renaissance“, andererseits waren unter seinen Schülern angehende Architekten aus dem auf seine Autonomie innerhalb der Doppelmonarchie besonders bedachten Ungarn in großer Zahl vertreten. Und es waren gerade Nicht-Katholiken, die bei einem protestantischen Lehrer inskribierten oder sich als Bauherren seiner byzantinischen Entwürfe für orthodoxe oder evangelische Sakralbauten bedienten. Hier lassen sich Prozesse der Aneignung, Weiterentwicklung und Umdeutung architektonischer Formen beobachten.

Angesichts teils mimetischer Übernahmen durch Entwerfer und Bauteil-Produzenten stellt sich aber auch die Frage nach der urheberrechtlichen Dimension solcher Prozesse. Nicht zuletzt gilt es, die Grenzen der Hansenʼschen Wahrnehmung und Wirkmächtigkeit auszuloten und nach deren Bedingtheit zu fragen. Hierbei kann auch ein vergleichender Blick auf ähnlich einflussreiche Zeitgenossen wie etwa den preußischen Architekten Friedrich August Stüler oder den Wiener Neugotiker Friedrich Schmidt erhellend sein; auch im Hinblick auf Fragen der Schulbildung und Architekten-Memoria bieten sich vergleichende Perspektiven an.

Auf diese Weise soll das Zusammenspiel von Disseminations- und Rezeptionsprozessen als entscheidenden Faktor im Architekturgeschehen des 19. Jahrhunderts (und darüber hinaus) herausgearbeitet werden. Ein solches Vorhaben kann die Existenz transregionaler Kommunikationsräume offenlegen, die einer nationalstaatlich orientierter Kunstgeschichtsschreibung verschlossen bleiben, und deren Beschaffenheit und Grenzen definieren helfen.

Diese und folgende weitere Fragen könnten im Rahmen von Vorträgen Behandlung finden:
- Was sind Spezifika der Hansenʼschen Lehrmethode, fand diese in Wien, Budapest oder andernorts Nachfolge und wie wirkte sich dies ggf. auf seine Rezeption aus?
- Inwieweit begünstigten die von Hansen bevorzugten Stile, Konstruktionsprinzipien und neuen Technologien sowie Bauaufgaben und Bautypen die Rezeption seiner Entwurfsideen?
- Welche dieser Aspekte wirkten sich ggf. hemmend auf die Umsetzung seiner eigenen Entwürfe sowie auf die Weiterverbreitung seiner Ideen aus?
- Lassen sich nachhaltige Netzwerke der Hansen-Schüler und -Mitarbeiter im Berufsleben nachweisen und welche Effekte zeitigten diese im Hinblick auf die Hansen-Rezeption?
- Welche Effekte hatten generationale Unterschiede in Hansens Schülerschaft im Laufe seiner langjährigen Lehrtätigkeit?
- Welche Rolle spielte die Hansen-Rezeption bei der Entwicklung von „Nationalstilen“ in den jungen Nationalstaaten Südosteuropas und welche für die nationalen Strömungen in Zentraleuropa?
- Was und wie trugen Institutionen wie etwa der „Hansen-Club“ zum Phänomen des Geniekults bei (von den immateriellen internen Diskursen dieser Vereinigung bis hin zu physischen Ausformungen in Gestalt von konkreten Bauten, Denkmälern, Preisen, Publikationen etc. zu Ehren des “Meisters”)?
- Welche Rolle spielten Architekturkritik und frühe Kunstgeschichtsschreibung für die Wahrnehmung Hansens und seiner Entwürfe?
- Inwieweit geben Auszeichnungen, Ehrungen, Titel und Mitgliedschaften, die Hansen im Zuge seiner beruflichen Positionen ansammelte, Aufschluss über seinen gesellschaftlichen Stand und Status in der (inter-)nationalen Fachcommunity?

Im Anschluss an die Tagung ist für Samstag, den 22. Juni 2024, eine Exkursion geplant.
Genauere Informationen mit der Bitte um Anmeldung werden zu einem späteren Zeitpunkt an die Teilnehmenden verschickt.

Bitte senden Sie Vorschläge auf Deutsch oder Englisch für 20-minütige Vorträge (max. 500 Wörter) und einen kurzen CV (max. eine Seite) bis zum 31. Januar 2024 an kunstgeschichteoeaw.ac.at. Bis zum 29. Februar 2024 informieren wir Sie über die endgültige Auswahl. Eine Erstattung der Reise- und Nächtigungskosten durch den Veranstalter ist geplant.

Die Konferenzsprache wird Englisch sein.

Konzeption und Organisation:
Timo Hagen (Kunsthistorisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Rabinstraße 8, 53111 Bonn)

Richard Kurdiovsky (Forschungsbereich Kunstgeschichte des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Dr. Georg Coch-Platz 2, 1010 Wien)

Gábor György Papp (Institut für Kunstgeschichte des Forschungszentrums für Geisteswissenschaften im Ungarischen Forschungsnetzwerk (einst Ungarische Akademie der Wissenschaften) Budapest, Tóth Kálmán Straße 4, 1097 Budapest)

Frank Rochow (Fachgebiet Denkmalpflege, Institut für Bau- und Kunstgeschichte, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, Konrad-Wachsmann-Allee 4, 03044 Cottbus)

Quellennachweis:
CFP: Theophil Hansen transregional (Wien, 19-21 Jun 24). In: ArtHist.net, 02.12.2023. Letzter Zugriff 20.06.2024. <https://arthist.net/archive/40755>.

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