Ringvorlesung: "ParaVerse_Digitalkulturen des Kuratierens, Ausstellens und Sammelns", Kunsthistorisches Institut, Universität Bonn, 19. Oktober 2023 - 25. Januar 2024, donnerstags, 16.15-17.45 Uhr, Ort: Hauptgebäude, Alte Universität (Schloss), Hörsaal IX, 1. Stock.
Konzeption und Organisation: Prof. Dr. Birgit Mersmann, Dr. Hauke Ohls.
„On the Internet I am an artist.“ „I will not trust any picture on the Internet.“ Diese zu Konzeptkunstwerken erklärten Aussagen des Düsseldorfer Digitalkünstlers und - kurators Florian Kuhlmann umreißen die ambivalente Wertigkeit und Wahrheitskrise, mit der Kunst und Künstler:innen in digitalen und netzbasierten Kulturen konfrontiert sind. Durch die Internetdependenz künstlerischer Gestaltungs- und Produktionsprozesse schreitet auch die Virtualisierung der institutionalisierten Präsentations-, Vermittlungs- und Vermarktungsformen von Kunst exponentiell voran. Das Google-Arts-and-Culture-Projekt, genuin virtuelle Museen, Online- Kunstsammlungen von Museen und Galerien, der Sammlungsaufbau von NFT- und Krypto-Kunst, online und KI-kuratierte Ausstellungen, Insta-Walks und Augmented Reality in Kunstmuseen sowie netz- und smartphonebasierte Kunstpräsentationen verdeutlichen, wie umwälzend sich aktuell die digitale Transformation des Kunstsystems vollzieht.
Unter dem Motto „Paraverse“ befasst sich die Ringvorlesung mit der digitalen Erweiterung und virtuellen Augmentation des Kuratierens, Ausstellens und Sammelns von Kunst. Paraverse steht als sprachliche Kurzform für Paralleluniversum. Von der antiken Philosophie bis in die gegenwärtige Quantenphysik, den kritischen Posthumanismus und den Transhumanismus des digitalen Kapitalismus bezeichnet der Begriff ein hypothetisches Universum außerhalb des bekannten. Die übergeordnete Theorie der multiplen Universen geht davon aus, dass es nicht nur eine, sondern mehrere Parallelwelten gibt, die sich im sogenannten Multiverse zusammenschließen.
Ausgehend von der weltentheoretischen Denkfigur und virtuellen Realisation des Paraverse untersucht die Vorlesungsreihe, welche Parallelwelten des Kuratierens, Ausstellens und Sammelns von Kunst sich in digitalen Räumen und Netzwerken herausgebildet haben und wie diese in Bezug zur bekannten physisch-analogen Welt des Kunstausstellens- und sammelns zu verorten sind – ob als Erweiterung bestehender institutioneller Praktiken oder Parallelwelten-Phänomen einer subversiven, institutionskritischen Digitalkultur. Wie verändert sich die Praxis des Kuratierens von Kunst – vordigitaler, algorithmisch generierter und geminteter – durch ihre Migration in virtuelle Räume, Cross-Realitäten und automatisierte Szenografien? Welche neuen Display-, Partizipations- und Vermittlungsmöglichkeiten bieten digitale und netzbasierte Ausstellungsformate? Wie wandeln sich öffentliche und private Sammlungsstrategien und -praktiken durch die Einführung von NFTs?
In der Ringvorlesung referieren Forschende, Kurator:innen und Künstler:innen über aktuelle Themen und Entwicklungen in den Bereichen des digitalen Kuratierens, Ausstellens und Sammelns, darunter: das Verhältnis zwischen menschlichem, digitalem, multimodalem und maschinen-/KI-gestütztem Kuratieren, die Commonifizierung kuratorischer Praxis, Online-Ausstellungen auf Social-Media- Plattformen, virtuelle Ausstellungen im Metaverse, digitale Sammlungen und Kryptomuseen/-galerien für NFT-Kunst sowie Kunstvermittlung im digitalen Raum. Zur Diskussion stehen digitale Bildpolitiken des Kuratierens, Zeigens und Vermittelns, die Dezentralisierung des Ausstellungs- und Sammlungswesens sowie des Kunstmarktes durch Blockchaintechnologie, die Potentiale und Gefahren künstlerischer Wertschöpfung und Wertsicherung im Kollektivraum der Virtualität sowie die Zukunft der Kunst im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz.
PROGRAMM
19.10.23 Einführung in ParaVerse
26.10.23 Dorothee Richter (Zürcher Hochschule der Künste), (Ir)reale Welten des digitalen Kuratierens
02.11.23 Nina Roehrs (Roehrs & Boetsch, Zürich), DYOR: Making Sense of the Crypto-Artworld in der Kunsthalle Zürich
SCHAUPLATZ I: DIGITALE AUBEREITUNG UND DISPLAY VON KULTURERBE
09.11.23 Lucas Burkart (Universität Basel), Kulturelles Erbe im digitalen Zeitalter – Visionen, Strategien, Transformationen
23.11.23 (Online) Livia Nolasco-Rózsás (Kunstakademie Leipzig), Beyond Matter – Ausstellen im Computer-generierten Raum
30.11.23 Jacob Franke (Staatliche Kunstsammlungen Dresden), Jenseits der Aura. Staatliche Kunstsammlungen Digital
SCHAUPLATZ II. POTENZIALE UND GRENZEN DIGITALER KUNSTAUSSTELLUNGEN UND -VERMITTLUNG
07.12.23 Manuel Rossner (Berlin), Please, Do Touch the Artwork!
14.12.23 Peggy Schoenegge (Berlin, peertospace), (IM)MATERIAL MATTERS. Über das Kuratieren virtueller Räume
21.12.23 Florian Wiencek (Wien, Musealisten), Holistische Museumserlebnisse mit Augmented Reality: von der Blicklenkung am Original zu immersiven Klangerlebnissen
SCHAUPLATZ III: NEUE KUNST(VER)SAMMLUNGEN. KRYPTOKUNST UND KI-KURATION
11.01.24 (Online) Frances Liddell (University of Edinburgh), Access, Interaction, or Participation? The Impact of Blockchain in Museum Engagement Practices
18.01.24 Ugo Pecoraio (Haus der elektronischen Künste, Basel), Curating the museum of the commons. Die Macht der Gemeinschaft: Kuration und Kollektivität im dezentralen Internet
25.01.24 Razvan Ion (Wien), Edit Your Future: Queerverse Radical AI
Für die Online-Termine (23.11.2023 und 11.01.2024) wird um Anmeldung gebeten an:
antonia.rittgerothuni-bonn.de
Quellennachweis:
ANN: ParaVerse_Digitalkulturen (Bonn, 19 Oct 23-25 Jan 24). In: ArtHist.net, 16.10.2023. Letzter Zugriff 29.04.2025. <https://arthist.net/archive/40357>.