ANN Oct 13, 2023

Ringvorlesung: Rekonstruktivismen (Berlin, 18 Oct 23-14 Feb 24)

Humboldt-Universität zu Berlin, Hörsaal 207, Dorotheenstr. 26, 10117 Berlin, Oct 18, 2023–Feb 14, 2024

Die Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen des IKB, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kunst- und Bildgeschichte

Ringvorlesung des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte (HU-Berlin): Rekonstruktivismen.

Rekonstruktivismen übersetzen Vergangenes in die Gegenwart. Derart berühren sie das Spannungsfeld zwischen Vergessen und menschlicher Erinnerung. Am Offensichtlichsten geschieht dies in archäologischen, architektonischen oder konservatorischen Kontexten, aber auch in Historiographien oder durch Anekdoten. Rekonstruktionen spielen in künstlerischen Werken, in performativen Praxen oder als Inhalte malerischer Bildstrukturen ebenso eine Rolle wie für das kuratorische Denken oder die Ausstellungspraxis; sie können im Rahmen der kritischen Theorie oder geschichtsphilosophischer Denkmodelle adressiert werden.

Vor dem Hintergrund einer Vielzahl aktueller, oft kontrovers geführter Rekonstruktionsdebatten – die vom Berliner Schloss bis zur Kathedrale von Notre Dame reichen, aber auch Ausstellungen und Kunstwerke betreffen können – befragt die Ringvorlesung sowohl den Begriff, als auch gegenwärtige Phänomene des Rekonstruktivismus. Anhand verschiedener Case Studies aus der Kunst- und Bildgeschichte, der zeitgenössischen Kunst, Archäologie, Philosophie, Medientheorie, Architektur und Restaurierung sollen die oftmals impliziten und inkongruenten Konzepte und Praxen der Rekonstruktion kritisch diskutiert werden und mit anderen Formen der Wiederholung oder Revision (zum Beispiel bei Repliken oder KI-generierter Kunst) in Dialog gesetzt werden. Phänomene, die unter den Begriff der Dekonstruktion fallen, sind wiederum als Beispiele einer über die archäologische Praxis hinausgreifenden, “gebauten” bzw. “kreativen Zerstörung” zu berücksichtigen. Sie operieren über Prozesse des Wegnehmens und Addierens und zielen aus unterschiedlichen Motivationsgründen (ästhetisierend, informativ, oder sogar ideologisch) darauf ab, zeitliche Strukturen zu markieren oder zu verwischen.

Rekonstruktionen schaffen neue Rahmen und damit neue Wahrnehmungsbedingungen für orginäre Konstellationen, Räume, Strukturen und Temporalitäten. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern Affirmationen historischer Gegebenheiten, die oft als identitätsbildend verstanden werden, auch als Transformationen lesbar sind. Können produktive Lücken und kritische Wirkungen in Prozessen der Wiederholung entstehen, die sich Praktiken des Neulesens oder Re-enactments annähern? Um Rekonstruktivismen als pluralistische Denkfigur zu untersuchen, befassen sich die Beiträge folglich auch mit der Frage, ob sich Rekonstruktionen ebenso nach ihren ideologischen Wirkungen, als auch nach Möglichkeiten der Widerständigkeit befragen lassen.

Die epochen- und medienübergreifende Ringvorlesung versammelt Beiträge von wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte und von externen Expert:innen.

Soweit nicht anders angegeben: immer mittwochs, 16.15–17.45 Uhr, Hörsaal 207, Dorotheenstr. 26, 10117 Berlin.

PROGRAMM:
 
18. Okt. 2023
Einführung: Ann-Cathrin Drews (Berlin) u. Franz Engel (Berlin)
"Mit Theseus’ Schiff zur historisch-kritischen Ausstellungspraxis"
 
25. Okt. 2023
Veronika Tocha (Berlin)
"Ein Backup in Gips. Abformungen von Kriegsverlusten der Berliner Museen in der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin"

1. Nov. 2023
Steffen Haug (Berlin/London)
"Walter Benjamins Bilder denken. Die Rekonstruktion von Grafik und Malerei im “Passagen-Werk” und ihre Konsequenz für die Kunstgeschichte"

8. Nov. 2023
Alexander Stumm (Berlin/Kassel)
"Architektonische Konzepte der Rekonstruktion"

15. Nov. 2023
Bruno Haas (Paris)
"Vom vergangen-Sein der Kunst. Konservierung und Rekonstruktion im Zeitalter des Museums"

29. Nov. 2023
Elisabetta Scirocco (Rom) u. Ruggero Longo (Rom)
"Lost spaces, fragmentary objects: methodological challenges and digital approaches for the reconstruction of medieval liturgical installations"

6. Dez. 2023
Ann-Cathrin Drews (Berlin)
"Das Ungesagte der Geschichte. Michel Foucaults Rekonstruktionsverfahren des Sichtbaren und Sagbaren"

13. Dez. 2023
Johanna Függer-Vagts (Berlin)
"Textile Rekonstruktionen"

Achtung, anderer Wochentag und anderer Ort:
Mo., 18. Dez. 2023, 18.15 Uhr, Medientheater, Raum 0.01, Georgenstr. 47, 10117 Berlin
Xavier Le Roy (Berlin)
"The Retrospective as Reconstruction? (Künstlergespräch)"

20. Dez. 2023
Stefanie Klamm (Berlin)
"Rekonstruktionen des Abwesenden"

10. Jan. 2024
Veronika Poier (Wien)
"Kulturzerstörung und Wiederaufbau nach dem Krieg am Beispiel Aleppos: wie bewahrt immaterielles Kulturerbe eine Gemeinschaft?"

17. Jan. 2024
Wibke Bornkessel (Berlin) u. Claudia Kanowski (Berlin)
"Galvanoplastiken im Berliner Kunstgewerbemuseum: Reproduktionen von Goldschmiedeobjekten im Spannungsfeld von Traditionsbewusstsein und Fortschrittseuphorie"

24. Jan. 2024
Michail Chatzidakis (Berlin)
"Zurück in die Zukunft. Historische Anachronismen in der frühneuzeitlichen Malerei Italiens"

31. Jan. 2024
Elisaveta Dvorakk (Berlin)
"Photographic Reconstruction of Saida (Lebanon) – The Hashem el Madani Collection of the Arab Image Foundation Re-Interpreted"

7. Febr. 2024
Mario Carpo (Bartlett/London/Wien)
"Generative AI, creative imitation, and the eternal return of precedent"

14. Febr. 2024
Deborah Laks (Paris) & Emmanuel Guy (Paris)
"Anecdotes and art history: methodological perspectives"

Reference:
ANN: Ringvorlesung: Rekonstruktivismen (Berlin, 18 Oct 23-14 Feb 24). In: ArtHist.net, Oct 13, 2023 (accessed Dec 15, 2025), <https://arthist.net/archive/40337>.

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