CFP 12.01.2022

Kitsch als Kunst und Kunst als Kitsch (Kiel, 19-21 May 22)

Kiel, 19.–21.05.2022
Eingabeschluss : 15.02.2022

Maike Schulken

Norbert M. Schmitz
Kitsch als Kunst und Kunst als Kitsch
Kitsch, Kunst und Populärkultur. Zu einer Geschichte ideologischer Verwirrungen

Call zu einem Symposion an der Muthesius Kunsthochschule, Kiel, vom 19. bis 21. Mai 2022

Kunstsinnige Apologeten der High Art verwechseln in ihrer Negation der Populärkultur dieselbe oft mit dem Kitsch. Hochkunst, Kitsch und Populärkultur sind zwar sämtlich unterschiedliche Bereiche, doch jedes Artefakt gleichermaßen der Hoch- wie der Populärkultur ist prinzipiell einer ‚Verkitschung‘ zugänglich, einem System, das ein eigenes Subsystem der visuellen Kommunikation darstellt. Alle drei Bereiche müssen als dynamische Größen verstanden werden, die Bestandteil ein und derselben Dynamik der Ausdifferenzierung der Systeme neuzeitlicher Kultur sind. Das Symposion will
gleichermaßen diese Kategorien beleuchten wie auch auf ihre ideologischen Implikationen der Denunziation, beispielsweise des Kinos als Kitsch, durch Vertreter der etablierten Hochkunst untersuchen. Wenngleich die Frontlinien in Zeiten der Pop-Art und einer ‚Entgrenzung der Künste‘ scheinbar durchlässig wurden, sind solche Diskursfiguren wirksam wie eh und je. Jedenfalls wird die Avantgarde zur leeren Hülle für einen reinen Kunstwert, zu einem Phantom, das dem Publikum ansonsten äußerlich bleibt. Heinrich Klotz sprach von den ‚röhrenden Hirschen der Avantgarde‘.
Entscheidend ist, dass bezüglich der Moderne das Rezeptionsverhalten der klassischen Kitschrezipienten beim Kunstdruck an der Wand und beim Museumsbesuch oft genug
dasselbe ist: Es ist geprägt von Unverständnis und mangelnder Distanz und Autonomie des Urteils zugunsten einer defensiven Unterwerfung unter eine ansonsten nicht verstandene
Kunstnorm. Kitsch ist wandelbar, und prinzipiell jedes ästhetische Objekt, also auch die Kunst der Avantgarde, ist so sehr ‚verkitschbar‘, wie umgekehrt seit Duchamp alles ‚kunstwürdig‘ ist. Und ausgerechnet dessen Flaschentrockner erfährt in Gestalt mehrerer
‚Originalrekonstruktionen‘ ehrfürchtige Unterwerfung. Was also ist heute Kitsch und welche Funktion hat er? Das zweischneidige Schwert der Öffnung des Kunstbegriffs wird man kaum von der Konsequenz dieser Frage entlasten können. Und man wird sich fragen müssen, ob die Formen der heute vergleichsweise so breit gewordenen Rezeption der Kunst in den modernen westlichen Funktionsgesellschaften, die populär gewordene Abstraktion oder der pathetische Gestus gewöhnlicher Performances im selben Sinne ideologisch sind – d. h. Erkenntnis durch einen Mythos ersetzend –wie seinerzeit die wilhelminische vaterländische Kunst oder der Devotionalienkitsch zwischen Altötting, Rom und Kalkutta.
Avantgarde kann sich jedenfalls nicht ausruhen, sie impliziert gewissermaßen schon von ihrer militärischen Etymologie – also Vorhut des Militärs – her, dass sie beim Verweilen, also beim Klassisch-werden, nicht nur alt wird, sondern veraltet. Auch das ästhetische Gruselkabinett einer pädagogischen Schausammlung des Kitsches wie die von Gustav E. Pazaurek aus den großen Tagen des Werkbundes wollte die Zeit anhalten durch die Vorstellung, dass die Grenze zwischen Kunst und Kitsch eine feste Größe sei. Doch wenn äußere Formen ihre eigene Vergreisung überleben, dann verkitschen sie eben. Mit dem Geschmacksurteil über den Kitsch verhält es sich also ebenso wie mit jedem anderen ästhetischen sensus communis:
Man kann ihn dekonstruieren, soziologisch analysieren, ästhetisch provozieren, aber am Ende sind wir doch immer auf irgendeine Art zu einem Werturteil gezwungen. In diesem Sinne ist der Wert des Kitsches der eines eigentümlichen Erkenntnisinstruments der Kunstanalyse.

Bei Interesse senden Sie bitte ein Abstract und eine Kurzbiografie bis
spätestens 15.2.2022 an:
forummuthesius.de
zu Händen Frau Schulken

Sie bekommen dann baldmöglichst Bescheid, ob Sie eingeladen werden.
Im Fall einer Einladung zum Symposion werden Übernachtungs- und Reisekosten übernommen.

www.muthesius-kunsthochschule.de
Muthesius Kunsthochschule, Kiel
Forum für Interdisziplinäre Studien/ Maike Schulken
Für alle organisatorischen Fragen
0431 5198448 – forummuthesius.de
Verantwortlich:
Prof. Dr. Norbert M. Schmitz (Ästhetik)
Muthesius Kunsthochschule, Kiel

Quellennachweis:
CFP: Kitsch als Kunst und Kunst als Kitsch (Kiel, 19-21 May 22). In: ArtHist.net, 12.01.2022. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/archive/35656>.

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