CONF Jun 14, 2021

Senghor im 21. Jahrhundert: Rezeptionsdynamiken (online, 17-18 Jul 21)

Online, Jun 17–18, 2021
Registration deadline: Jun 17, 2021

Monika Gieseler

Internationales Kolloquium, Ce que Senghor apporte au XXIe siècle : Dynamiques de réception, héritage et lectures actuelles
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Internationales Online-Kolloquium, Senghor im 21. Jahrhundert: Rezeptionsdynamiken, kulturelles Erbe und aktuelle Lektüren

In seiner 2006 anlässlich des 100. Geburtstags erschienen wissenschaftlichen Biographie zu Léopold Sédar Senghor merkte János Riesz an, dass „Orphée noir“, Jean Paul Sartres Vorwort in der durch Senghor herausgegebenen Anthologie de la nouvelle poésie nègre et malgache de langue française, den Eintritt der Négritude in die Weltliteratur markierte.

Vor allem aber setzte dieser Text eine ideologiegesteuerte Rezeptionsdynamik in Gang, die den Diskurs zu Senghor und seinen Werken während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beherrschte und deren unvoreingenommene Betrachtung in Afrika wie in Europa verhinderte.

Senghor, der junge, politisch aktive senegalesische Intellektuelle, Poet und Essayist der 1930er Jahre, steht seitdem als unumgängliche Stimme der Unabhängigkeitszeit im Scheinwerferlicht. Ursprünglich Anhänger eines französischen Föderalismus ohne Segregation, wird er zum Baumeister der senegalesischen Unabhängigkeit und der erste Präsident des Landes, das er, mangels eben dieses oben genannten politischen Föderalismus, zu einem ‚kulturellen Föderalismus‘ mit Frankreich führen will. Sein im November 1962 in der Zeitschrift Esprit veröffentlichter Essay „Le français, langue de culture“ wird im Gedächtnis bleiben und ihn zum verehrten wie gehassten ‚Gründungsvater‘ des Frankophonie-Gedankens machen.

Während Senghor einerseits seit den 1960er Jahren bezüglich seiner institutionellen Rezeption in Frankreich und Deutschland einen europäischen Mythos Afrikas verkörpert und in einem angespannten Kontext 1968 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, so war und ist er teils immer noch andererseits für einige afrikanische Intellektuelle und Politiker ein Symbol der fortdauernden kolonialen Dominanz, die es endgültig zu überwinden gilt.

Während ihn einige somit als eine mächtige Stimme der Négritude-Bewegung und Verfechter einer ideellen Frankophonie schätzen und seine kraftvolle Poetik und humanistische Politik preisen, prangern ihn andere, teils aus denselben Gründen, als Assimilierten und Mitläufer eines rassistischen und universalistischen Weltbildes an, manche sehen in ihm gar den Agenten eines neokolonialen Frankreich. Die Mehrzahl dieser antagonistischen Wahrnehmungen der Person Senghors und seines Werks haben jedoch gemeinsam, dass keine oder eine ausgesprochen einseitige Kontextualisierung seines Oeuvres und seiner Handlungen erfolgt Die polemische Rezeption seines Ausspruchs « L’émotion est nègre, comme la raison est hellène » (1939), der ihm immer noch vorgeworfen wird, ist hierfür emblematisch.

In der jüngeren Vergangenheit haben afrikanische und europäische Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Kunstgeschichte, Soziologie, Ökonomie, Ethologie, Philosophie und andere) eine Neubewertung von Senghor in einem ideologiefreien Rahmen angestoßen, gerade auch hinsichtlich seines kulturellen wie politischen Erbes im 21. Jahrhundert.

Das vom 17-18. Juni 2021 vom Zentrum für Frankreich- und Frankophoniestudien (ZFF) der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz organisierte internationale und interdisziplinäre Kolloquium verfährt daher anhand zwei thematischer Achsen:

- Es gilt die Senghors Denken und Werken innewohnende Dynamik zu verstehen, welche zu der zwischen Verehrung und radikalen Ablehnung gespaltenen Rezeption geführt hat. Zum einen geht es also um eine strikte Historisierung von Senghor Schaffen, zum andern um die Frage, inwiefern der historische Kontext seiner Rezeption im 20. Jahrhundert, Dekolonialisierung, Unabhängigkeit und Postkolonialismus, zu einer Verengung bei der Betrachtung seines Werks geführt hat.

- Es gilt eine Betrachtung seines Werks jenseits dieser historischen Frontlinien aus einer aktuellen Perspektive zu gewinnen und zu fragen, was es im und für das 21. Jahrhundert beisteuern kann, vor allem im Hinblick auf neue Konfigurationen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Anthropologie sowie in zeitgenössischer Kunst und Literatur.

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17. Juni 2021

14.00–14.15 Uhr
Prof. Dr. Gregor Wedekind, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Begrüßung und Einführung

14.15–15.00 Uhr
Dr. Ibou Diop, Humboldt Universität zu Berlin
Senghor: De l’africanité à la civilisation de l’universel

15.00–15.45 Uhr
Dr. Richard Kuba, Frobenius-Institut Frankfurt am Main
Senghor, l’Allemagne et l’Institut Frobenius

15.45–16.00 Uhr
Pause

16.00–16.45 Uhr
Dr. Anja Oed, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
L.S. Senghor, Janheinz Jahn und das Erbe des Schwarzen Orpheus in Mainz

16.45–17.30 Uhr
Dr. Sébastien Heiniger, Université de Genève
« La communauté suppose l’égalité et l’unité dans la diversité »: le projet de Senghor de décolonisation de la France par sa fédéralisation

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18. Juni 2021

9.15–10.00 Uhr
Prof. Dr. Jakob Vogel, Centre Marc Bloch Berlin
Senghor und die kulturelle Öffnung der Bundesrepublik Deutschland 1968. Für eine transnationale Geschichte Deutschland – Frankreich – Afrika

10.00–10.45 Uhr
Prof. Dr. Véronique Porra, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Relectures de Senghor : dépassement décolonial d’un lieu de mémoire français

10.45–11.00 Uhr
Pause

11.00–11.45 Uhr
Prof. Dr. Winfried Eckel, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Construction et déconstruction d'une identité noire dans les poèmes de L. S. Senghor : une lecture anti-essentialiste

11.45–12.30 Uhr
Dr. Hauke Dorsch, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Senghor et la Négritude: Influences sur la musique sénégalaise

12.30–13.30 Uhr
Mittagspause

13.30–14.15 Uhr
Prof. Dr. Ibrahima Wane, Cheikh Anta Diop University Dakar
La politique culturelle de Senghor : esquisses et empreintes

14.15–15.00 Uhr
Dr. des. Judith Rottenburg, Humboldt Universität zu Berlin
Über Senghors Kulturpolitik und die Négritude-Bewegung hinaus:
Die ‚École de Dakar‘ aus heutigen Perspektiven

15.00–15.15 Uhr
Pause

15.15–16.00 Uhr
Prof. Dr. Bärbel Küster, Universität Zürich
Das Ringen um die Vermittlung der Moderne(n). Das Festival Mondial des Arts Nègres 1966 im Kontext transkontinentaler Ausstellungsgeschichte

16.00–16.45 Uhr
Prof. Dr. Hamady Bocoum, Musée des civilisations noires Dakar
Senghor et le Musée des Civilisations noires : continuités et ruptures

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Ein detailliertes Programm finden Sie unter https://zff.uni-mainz.de/senghor/

Das Kolloquium wird über die Plattform Zoom und mit Simultandolmetschung stattfinden - die Anmeldung erfolgt über die Geschäftsstelle des ZFF: zffuni-mainz.de

Reference:
CONF: Senghor im 21. Jahrhundert: Rezeptionsdynamiken (online, 17-18 Jul 21). In: ArtHist.net, Jun 14, 2021 (accessed Apr 26, 2024), <https://arthist.net/archive/34351>.

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