Die Biographie - Mode und Universalie?
9.-11.12.2010
Öffentliche Tagung des Kunsthistorischen Seminars der Universität Basel
(Dr. des. Beate Böckem, Prof. Dr. Barbara Schellewald), des Instituts
für Kunstgeschichte und Archäologie der
Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg (Prof. Dr. Olaf Peters) und
der Gesellschaft zur Förderung moderner Kunsthistoriographie GFKM.
Tagungsort: eikones NFS Bildkritik, Rheinsprung 11, CH- 4051 Basel
Ein Leben in Worte fassen - keinen geringeren Anspruch erheben
Biographien. Aber jeder Grund, einen solchen Text zu schreiben, prägt
die Darstellung der Lebensgeschichte. Insbesondere im Bereich der Kunst
haben Konzepte, bei denen ein Werk aus der Perspektive seines Schöpfers
aufgefasst wird, seit langem Konjunktur. Sie spiegeln sich im hohen
Stellenwert der Selbstaussagen von Künstlern und prägen die
Arbeitsweisen der Kunstwissenschaft. Das gilt für Monographien, die
Leben und Werk in Künstlerbiographien vereinen, hat aber auch
Konsequenzen für das Selbstverständnis von Kunsthistorikern, die
ihrerseits in Lebenserinnerungen auf das Modell vom Autor als Autorität
zurückgreifen. All diese Formen des Schreibens sind Bausteine jedes
Verständnisses von Kunst und Kunstgeschichte, von Künstlern und
Wissenschaftlern. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, sie kritisch
zu analysieren, sei es auf theoretischer, sei es auf
historisch-kontextualisierender Ebene.
Die Tagung reflektiert die Gattungen der Biographie und ihre
Randbereiche, die über die Fachgrenzen hinaus für Fragen einer
allgemeinen Wissenschaftsgeschichte relevant sind. Die gegenwärtige
Relativierung theoretischer Postulate der 1960er Jahre, die dem
handelnden Subjekt reserviert gegenüberstanden, im Zeichen neuerer
Subjekttheorien, erlaubt neue Sichtweisen auf eine alte Gattung,
ignoriert jedoch nicht, wie verdienstvoll es sein kann, eine
personenzentrierte Geschichtsschreibung in Frage zu stellen. Über die
historiographische Auseinandersetzung mit Kunst wird zudem das
Wechselspiel zwischen den Urhebern und ihren Werken neu durchdacht.
Einer kritischen Bestandsaufnahme der Fachgeschichte tritt eine
aktualisierte Analyse subjektivierter Kreativität zur Seite.
Eine weitere zentrale Frage betrifft die aussergewöhnliche
Breitenwirkung der Kunstgeschichte. Die Vermittlung neuer Erkenntnisse
an ein grosses Zielpublikum stellt eigene Herausforderungen, zumal das
Interesse an Biographien, Monographien und Werkeinführungen bei Lesern
und Verlagen zunimmt. Der alte Wunsch, über die Person ein Werk zu
verstehen, wirkt bis heute fort. Hier eröffnet sich für das Fach die
Chance, in einer schwierigen Situation aller Geisteswissenschaften
Position zu beziehen, die eigene Relevanz in einem populären Medium zu
unterstreichen und Forschung als integralen Bestandteil der
Wissensvermittlung zu begreifen.
TAGUNGSPROGRAMM
Donnerstag, 9. Dezember 2010
13.00 Begrüssung durch Barbara Schellewald (Kunsthistorisches Seminar
Basel)
SEKTION: THEORIE UND WISSENSCHAFTSGESCHICHTE
13.20 Einführung in die Sektion durch den Moderator Heinrich Dilly
13.40 Christian Klein (Wuppertal):
Zur Theorie der Biographik - aktuelle Positionen
14.00 Myriam Richter (Hamburg):
Die Biographie - Formel
14.20 Diskussion
14.40 Sabine Arend (Berlin):
Dagobert Frey (Universität Breslau) und Otto Kletzl (Reichsuniversität
Posen). Netzwerke kunsthistorischer Ostforscher im Nationalsozialismus
15.00 Dietrich Schubert (Heidelberg):
Der Kriegstod des Kunstwissenschaftlers Fritz Burger
15.20 Diskussion
15.40 Kaffeepause
16.00 Iris Grötecke (Bochum):
Schreiben über Richard Hamann, oder: Kunstgeschichte als politisches
Handlungsfeld
16.20 Eva Maria Ehninger (Frankfurt a. M.):
Zeitgenossenschaft als Basis wissenschaftlicher Erkenntnis? Irving
Sandler, Biograph des Abstrakten Expressionismus
16.40 Diskussion
SEKTION: DAS MUSEUM - HISTORIOGRAPHIE UND VERMITTLUNG
17.00 Einführung in die Sektion durch den Moderator Olaf Peters
17.20 Kai Artinger (Berlin):
Wissenschaftliche Objektivität versus ökonomische Ratio? Biographische
Wahrheit im Zeitalter von Museumsmanagement
17.40 Maarten Liefooghe (Gent):
Revisiting Roland Barthes' «effet de réel» An analysis of the use of
insignificant details in artist's monographs and monographic museums
18.00 Timo Saalmann (Jena):
Die Generaldirektoren der Berliner Museen von Wilhelm Bode bis Ludwig
Justi
18.20 Diskussion
18.40 Pause
19.15 ABENDVORTRAG
Ulrich Herbert (Freiburg):
Über Nutzen und Schaden von Biographien in der Geschichtswissenschaft
ca. 20.15 Apéro
Freitag, 10. Dezember 2010
SEKTION GENESE UND AUSPRÄGUNG DER BIOGRAPHIK - DIE RENAISSANCE
09.00 Einführung durch die Moderatorin Barbara Schellewald
09.20 Gerd Blum (Münster):
Vasaris «Vite»: heilsgeschichtlicher Kanon, endzeitliche Konversion und
die Geburt der Kunstreligion
09.40 Jürgen Müller (Dresden):
Karel van Mander
10.00 Diskussion
10.20 Kaffeepause
10.40 Jeffrey Chipps Smith (Texas):
Dürer on Dürer: Thoughts on Intentionality and Self-Fashioning
11.00 Kerstin Maria Pahl /Lukas Werner (Berlin):
«Wo fände sich wohl ein würdigerer Gegenstand der Bearbeitung in der
deutschen Kunstgeschichte als bei A. Dürer?» Paradigmen der Dürer -
Biographik zwischen 1790 und 1850
11.20 Diskussion
11.40 Anne-Marie Bonnet (Bonn):
Lucas Cranach d. Ä. - vom «ewigen Zweiten» zum «Phönix aus der Asche»?
12.00 Beate Böckem (Basel):
Die Frage nach Autorschaft - eine Frage der Autorität? Jacopo de'
Barbari und die Konstruktion einer Künstlerpersönlichkeit
12.20 Christian Nikolaus Opitz (Wien):
Matthias Grünewald als Protagonist des historischen Trivialromans nach
1945
12.40 Diskussion
13.00 Mittagspause
SEKTION: DIE KÜNSTLERAUTOBIOGRAPHIE
15.00 Einführung durch den Moderator Ulrich Rehm
15.20 Saskia Pütz (Hamburg):
Die Entstehung der Künstlerautobiographie im 19. Jahrhundert unter dem
Einfluss der Kunstgeschichte
15.40 Stephanie Marchal (Heidelberg):
«j'ai écrit ma vie» Die autobiographischen Legitimierungsstrategien
Gustave Courbets
16.00 Christian Sauer (Salzburg):
Das weiche Selbstporträt - «Das Geheime Leben des Salvador Dalí» als
intermediales Kunstwerk und sein Verhältnis zum künstlerischen Oeuvre
16.20 Diskussion
16.40 Kaffeepause
17.00 Silke Förschler (Halle):
Ordnungsmuster kunsttheoretischen Wissens und Künstleridentität. Eugène
Delacroix' «Journal» und «Dictionnaire»in der Rezeption
17.20 Sophia Stang (Düsseldorf):
«La superiorità di de Chirico» - Giorgio de Chiricos frühe
«Autobiografia» (1919)
17.40 Regine Bonnefoit (Neuchâtel):
Kunsthistoriker unter der Diktatur des Künstlers - am Beispiel von Edith
Hoffmanns Kokoschka - Monographie von 1947
18.00 Diskussion
19.30 Gemeinsames Abendessen der TeilnehmerInnen
Samstag, 11. Dezember 2010
SEKTION (FORTSETZUNG): DIE KÜNSTERAUTOBIOGRAPHIE
09.00 Begrüssung durch die Moderatorin Anne - Marie Bonnet
09.20 Gabriele Schmid (Ottersberg):
Künstlermythos und Vermittlungsstrategien in den autobiographischen
Schriften von Louise Bourgeois
09.40 Dorothee Wimmer (Berlin):
Das Kunstwerk als Autobiographie: Sophie Calles «Eigenvermarktung» an
der Schwelle zwischen Kunst und Literatur
10.00 Diskussion
10.20 Kaffeepause
10.40 Dora Imhof (Zürich):
Interviews zur Kunstgeschichte in der Schweiz
11.00 Renate Berger (Berlin):
Fact - fiktion - faction. Vom Umgang mit dem Autobiographischen und
Biographischen
11.20 Diskussion
11.40 Alma - Elisa Kittner (Braunschweig):
Die visuelle Autobiographie in der bildenden Kunst
12.00 Matthias Oberli (Zürich):
Jeder sein eigener Vasari? Das Internet als Plattform für individuelle
und institutionelle Künstlerbiographik
12.20 Diskussion und Abschlussdiskussion
Moderation Olaf Peters/Barbara Schellewald
ca. 13.00 Ende der Tagung
Eintritt frei (ohne Anmeldung)
Veranstalter:
Prof. Dr. Barbara Schellewald, Universität Basel
Prof. Dr. Olaf Peters, Universität Halle
Dr. des. Beate Böckem, Universität Basel
Kontaktadressen:
beate.boeckem @ unibas.ch
s.goessler @ stud.unibas.ch
Sekretariat: 0041 (0)61 206 62 92
Reference:
CONF: Die Biographie (Basel, 9-11 Dec 10). In: ArtHist.net, Nov 11, 2010 (accessed Oct 20, 2025), <https://arthist.net/archive/33195>.