CFP Oct 29, 2010

Akteur-Netzwek-Theorie (Siegen)

David Hermann

CALL FOR PAPERS

Die Akteur-Netzwerk-Theorie als Herausforderung der Kunstwissenschaft?
Workshop, Universität Siegen, 29.--30. April 2011

Konzept:
Dr. Thomas Hensel und Prof. Dr. Jens Schröter
Universität Siegen, FB 3/Medienwissenschaft
Einsendungen erbeten bis 15. Januar 2011

Seit einigen Jahren hat die von Bruno Latour, Michel Callon, John Law,
Madeleine Akrich und anderen vertretene Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT)
Konjunktur. Aus Laborstudien hervorgegangen rückt die ANT die
Verflechtung von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren oder
Aktanten in Netzwerken in den Mittelpunkt. Als Aktanten gelten ihr
sämtliche Entitä­ten, denen ein Handlungspotential oder eine "agency"
zugeschrieben werden kann -- "An actant can literally be anything
provided it is granted to be the source of an action" (Latour) --, so
dass ein Pinsel oder ein Lichtbildprojektor ebenso wie ein Atelier oder
eine Bibliothek genauso wie eine Artemisia Gentileschi oder ein Aby
Warburg als ein solcher adressiert werden können. Weil die ANT Subjekt
und Objekt, Technik und Gesellschaft strikt symmetrisiert und damit auch
die ,Dinge' wieder zu ihrem Recht kommen lässt, wird sie gegenwärtig
breit zum Beispiel in den Medienwissenschaften rezipiert. Neuere
Publikationen haben zentrale Texte in deutscher Sprache verfügbar
gemacht und differenzierte Diskussionen angestoßen (beispielsweise
Belliger/Krieger 2006).

Fragen nach denjenigen sozialen, technischen und natürlichen Aktanten,
die an künstlerischen oder kunstwissenschaftlichen Prozessen beteiligt
sind, spielen indessen in der Diskussion bislang kaum eine Rolle (wenige
Ausnahmen: Albertsen/Diken 2004; Hennion/Latour 1993; Latour 1998;
Law/Benschop 1997; Yaneva 2003 und 2009). In Kunst- und Bildwissenschaft
ist der Ansatz kaum rezipiert -- und das, obwohl eine Reflexion der ANT
wichtige, aber bisher vereinzelt auftretende Untersuchungen zu ,Atelier'
oder ,Instrument' systematisch integrieren und eine Reihe interessanter
Fragen mit sich bringen könnte: Welches sind die Verbindungen
menschlicher und nicht-menschlicher Aktanten, die ,Kunstgeschichte' oder
,Bildwissenschaft' ermöglichen? Sind künstlerische, etwa installative
Schaffensprozesse mit denen wissenschaftlicher Forschung vergleichbar
und also auch mit ethnographischen Methoden der Laborforschung zu
analysieren? Kann man die Subjekt/Objekt-Dichotomien von ,KünstlerIn'
und ,Werk' oder ,BetrachterIn' und ,Werk' durch eine Beschreibung als
Operationsketten ebenso unterlaufen, wie dies Latour für die Dichotomie
von ,WissenschaftlerIn' und ,Welt' vorgeführt hat? Oder hat der Ansatz
vielleicht prinzipielle Grenzen hinsichtlich der Prozesse und Objekte,
die unter dem Signum ,Kunst' zirkulieren? Kann die ANT ihrerseits von
der Kunst, die immer schon mit Dingen, Akteuren, Netzwerken und
Transformationskaskaden zu tun hatte, lernen? Ziel des geplanten
Workshops ist es nicht, sämtliche dieser Fragen zu beantworten; vielmehr
geht es darum, das Verhältnis zwischen ANT und kunst- und
bildwissenschaftlichen Fragestellungen entlang einzelner Fallbeispiele
näherungsweise zu klären zu versuchen.

Literatur:

Albertsen, Niels/Diken, Bülent (2004), "Artworks' Networks. Field,
System or Mediators?", in: Theory, Culture & Society, 21, 3, S. 35-58.

Belliger, Andréa/Krieger, David J. (2006), ANThology. Ein einführendes
Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld.

Hennion, Antoine/Latour, Bruno (1993), "Objet d'art, objet de science:
note sur les limites de l'anti-fétichisme", in: Sociologie de l'Art, 6,
S. 7-24.

Latour, Bruno (1998), "How to Be Iconophilicin Art, Science, and
Religion?", in: Jones, Caroline A./Galison, Peter (Hg.), Picturing
Science, Producing Art, New York, S. 418-440.

Latour, Bruno (2002), "Zirkulierende Referenz. Bodenstichproben aus dem
Urwald am Amazonas", in: Ders., Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen
zur Wirklichkeit der Wissenschaft, Frankfurt a. M., S. 36-95.

Law, John/Benschop, Ruth (1997), "Resisting Pictures: Representation,
Distribution and Ontological Politics", in: Hetherington, Kevin/Munro,
Rolland (Hg.), Ideas of Difference. Social Spaces and the Labour of
Division, Oxford, S. 158-182.

Schüttpelz, Erhard (2008), "Der Punkt des Archimedes. Einige
Schwierigkeiten des Denkens in Operationsketten", in: Kneer,
Georg/Schroer, Markus/Schüttpelz, Erhard (Hg.), Bruno Latours
Kollektive. Kontroversen zur Entgrenzung des Sozialen, Frankfurt a. M.,
S. 234-258.

Yaneva, Albena (2003), "When a Bus met a Museum: Following Artists,
Curators and Workers in Art Installation", in: Museum and Society, 1, 3,
Nov. 2003, S. 116-131.

Yaneva, Albena (2009), The Making of a Building: A Pragmatist Approach
to Architecture, Oxford.

Abstracts für einen circa 30-minütigen Vortrag sollten nicht mehr als
eine Seite umfassen und durch einen kurzen Lebenslauf sowie ein
Schriften- oder Vortragsverzeichnis ergänzt werden. Einsendungen werden
bis zum 15. Januar 2011 per eMail erbeten an:
thomas.henseluni-siegen.de und schroetermedienwissenschaft.uni-siegen.de.

Reise- und Übernachtungskosten werden übernommen. Eine Veröffentlichung
der Beiträge ist geplant.

Reference:
CFP: Akteur-Netzwek-Theorie (Siegen). In: ArtHist.net, Oct 29, 2010 (accessed Nov 5, 2025), <https://arthist.net/archive/33001>.

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