CFP 21.07.2010

Das Bild als Ereignis (Heidelberg, 11-13 Feb 2011)

Laura

<das_bild_als_ereignisyahoo.com>
Date: 20 Jul 2010
Subject: CFP: Kolloquium Heidelberg: Das Bild als Ereignis

KOLLOQUIUM:

DAS BILD ALS EREIGNIS.
Zur Lesbarkeit spätmittelalterlicher Kunst

Veranstalter: Dominic Delarue M.A., Johann Schulz M.A., Laura Sobez M.A.

Ort: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Institut für Europäische
Kunstgeschichte

Termin: 11.-13. Februar 2011;
Frist CFP: 20. September 2010

Kontakt: Das_Bild_als_Ereignisyahoo.com

Call for Papers: Bitte reichen Sie Ihre Thesenblätter von 1-2 Seiten maximal
sowie die üblichen Angaben zu Person und Werdegang bis spätestens 20.
September 2010 bei den Veranstaltern ein. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge
und hoffen auf fruchtbare gemeinsame
Tage!

Links:

http://www.iek.uni-hd.de/veranstaltungen/veranstaltungen.html

http://www.artefakt-sz.net/neue-fakten/kolloquium-das-bild-als-ereignis-zur-lesbarkeit-spaetmittelalterlicher-kunst

ZUM KOLLOQUIUM:

Spätestens seit Hans Georg Gadamers Hauptwerk "Wahrheit und Methode" von 1960
scheint es unmöglich geworden, ein Kunstwerk als ein Objekt zu begreifen, das
sich gegenüber historischen Veränderungen als resistent erweist. Vielmehr
befindet es sich in einer stetigen Begegnung von Tradition und Gegenwart, in
der sich das Kunstwerk selbst unaufhaltsam verändert.
Trotz dieses antiessentialistischen Zuges seines Kunstbegriffs leugnet
Gadamer jedoch nicht, dass eine überhistorische Identität des Kunstwerkes
besteht. Als sogenannte hermeneutische Identität bildet diese sogar die
Voraussetzung für die jeweilige Aktualisierung eines Kunstwerkes. Gadamer
betont dabei immer wieder das prozesshafte Wesen des Kunstwerkes, wenn er es
mit Begriffen wie Ereignis oder Vollzug zu charakterisieren versucht, um so
eine Reduzierung auf seine objektive, vom Ereignis, also seiner Begegnung mit
dem Rezipienten, abgetrennte Beschaffenheit zu vermeiden. Das eigentliche
Wesen und Sein der Kunst kommt somit erst im Vollzug oder Nachvollzug zum
Vorschein, wie etwa erst das gesprochene Wort und die vollzogene
Schauspielhandlung das wahre Wesen des Theaterstückes zu aktualisieren
vermögen. Genau aus diesem Grund hebt Gadamer immer wieder die Nähe der
Kunstwerke zur Dichtung hervor, die erst im Akt des Lesens oder Sprechens
aktualisiert werden kann und erst so dem Rezipienten ihr „wahres Wesen“
offenbart und zur Auseinandersetzung mit ihm einlädt.
In dieser Hinsicht ähneln sich Wort- und Bildkunst sehr. Beide vermögen den
Rezipienten anzusprechen und ermöglichen ihm, in einen Dialog mit dem
jeweiligen Werk zu treten. Auf diese Weise erscheint auch die bildende Kunst
als eine Form der Sprache, die den Betrachter, sofern er sie lesen kann,
nicht nur anspricht und befragt, sondern ihm ermöglicht zu antworten, ja ihn
sogar zur Antwort auffordert.

Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses von Kunstwerken als Objekten, die
wesentlich Ereignis und Vollzug sind, will das Kolloquium "Das Bild als
Ereignis" den Dialog mit der Bildwelt des ausgehenden Mittelalters aufnehmen.
Als Ereignis lesbar werden die einzelnen Werke oftmals erst in ihrem
Verhältnis zu anderen Objekten, Bildmedien und Texten, in ihrer Rolle bei
rituellen Handlungen und nicht zuletzt im Umgang des spätmittelalterlichen
Betrachters mit ihnen. Eine vollständige Rekonstruktion der verschiedenen
Bildereignisse, in denen sich ein Kunstwerk einst realisierte, wird meist
schon die Überlieferungssituation unmöglich machen. Es bleibt somit nur, vom
Kunstwerk auszugehen und die verbliebenen Spuren der Ereignisse zu befragen.
Eine solche ausschnitthafte Analyse könnte das Werk zwar nicht in seiner
Totalität, aber immerhin in einigen wesentlichen Aspekten zugänglich machen,
wäre es doch zu diskutieren, ob man nicht gerade am Ende des Mittelalters mit
einem Bewusstsein für die Ungleichzeitigkeit der verschiedenen möglichen
ereignishaften Realisierungen eines Kunstwerkes rechnen muss.
Doch steht das Kunstwerk nicht nur als materielles Objekt in vielerlei
verschiedenen Beziehungen, sondern ist als Träger geistiger Konzepte immer
schon mit der menschlichen Vorstellungswelt verbunden. Es trägt im
Zusammenspiel mit anderen Medien dazu bei, immaterielle Bilder zu formen und
zu transportieren, wobei diese immer schon auf das Werk selbst zurückwirken.
So können Bild, Schrift und Ritualhandlung im Zusammenspiel miteinander das
konzeptuelle Bild (z. B. eines bestimmten Heiligen) erschaffen und
modellieren. Daher hilft die Berücksichtigung von liturgischen Abläufen,
Festen, Kulthandlungen, Reliquienverehrungen, aber auch von Gebeten, Liedern,
Festeinzügen und weiteren performativen Momenten, das Kunstwerk und seine
Eingebundenheit wirklich nachzuvollziehen. Somit kann schon der bloße
Standort für das Verständnis eines bestimmten Bildwerkes von wesentlicher
Bedeutung sein. Das zunehmende Bewusstsein um diese dem Kunstwerk als Objekt
äußerlichen Momente führt immer stärker zu einer Perspektive, die das Bild
als Ereignis in der Wirklichkeit begreift. Hinweise hierfür finden sich
oftmals in unmittelbarer Verbindung mit dem materiellen Kunstwerk.
Die Notwendigkeit, gerade die Kunstwerke des ausgehenden Mittelalters in
ihrer Ereignishaftigkeit zu untersuchen, verstärkt sich durch die spezifische
Situation der Zeit. So hatten beispielsweise die Steigerung der Frömmigkeit
und die Verbreitung volkssprachlicher Texte nicht zuletzt durch die
Errungenschaft des Druckes Auswirkungen auf die Religionspraxis, die immer
stärker im Anschluss an die Devotio-Moderna-Bewegung eine gesteigerte Andacht
nach sich zog, wie etwa im tatsächlichen Nachvollzug der Leiden Christi. Die
Kunstwerke, welche derartige Frömmigkeitsübungen unterstützen oder zu
solchen
auffordern, bekommen nun eine neue Dimension, die nur aus ihrem Gebrauch,
d.h. aus der Lebenspraxis heraus, verstanden werden kann. In der
gegenwärtigen Forschung zeichnet sich stets deutlicher ab, dass die
vielfältigen Funktionen der Bildwerke an der Schwelle zur Neuzeit mit der
Herausbildung neuer formaler Werklösungen einhergehen, die erst in ihren je
eigenen kontextuellen Einbindungen, in ihrer Wahrnehmung als Ereignis, ihre
eigentliche Bedeutung preisgeben.

Unter dem in besonderer Weise dem Denken Gadamers verpflichteten Stichwort
"Das Bild als Ereignis" möchte das Kolloquium neuartige Fragestellungen und
Beobachtungen zur spätmittelalterlichen Bilderwelt anhand konkreter
Einzelbetrachtungen und Interpretationen diskutieren. Dabei richtet sich die
Veranstaltung besonders an Promovierende und kürzlich Promovierte, die zu
einem spätmittelalterlichen Thema arbeiten. Auch soll der 111. Geburtstag
Hans Georg Gadamers am 11. Februar 2011 mit zum Anlass genommen werden, in
seinem Sinne eine Diskussion zu eröffnen, die den Blick über die eigenen
Fächergrenzen nicht scheut. Gadamers Hermeneutik wie sein Kunstbegriff
stellen auch heute eine Herausforderung und Bereicherung dar, der sich wohl
keine Geisteswis-senschaft entziehen kann. Deshalb sind Forscher aus anderen
Disziplinen, wie etwa der Philosophie, Geschichte, Literaturwissenschaft,
Religionswissenschaft oder Theologie ausdrücklich ebenfalls zur Teilnahme mit
einem Beitrag ermuntert.
Im Anschluss an das Kolloquium sollen die, hoffentlich durch fruchtbare
Diskussionen weiter bereicherten, Vorträge in einem Sammelband veröffentlicht
werden.
Das Kolloquium wird am Wochenende des 11. bis 13. Februar 2011 in Heidelberg
am Institut für Europäische Kunstgeschichte stattfinden. Es beginnt am
Freitagabend und endet am Sonntag nach dem Mittagessen. Umrahmt wird die
Veranstaltung durch zwei ergänzende Abendvorträge am Freitag- und
Samstagabend.

Quellennachweis:
CFP: Das Bild als Ereignis (Heidelberg, 11-13 Feb 2011). In: ArtHist.net, 21.07.2010. Letzter Zugriff 16.10.2025. <https://arthist.net/archive/32864>.

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