Call for Abstracts
Themenschwerpunkt "Bild und Norm" der Ausgabe 4.2010 von
"Bild Wissen Technik" bei kunsttexte.de
Der Themenschwerpunkt der Sektion "Bild Wissen Technik" für die Ausgabe
4.2010 widmet sich dem Zusammenspiel von Norm, Bildlichkeit und Technik.
Die »Macht der Norm« - wie sie von Foucault beschrieben wurde - lässt
sich von dem historisch vorgeordneten juridischen Machtmodus vor allem
insofern unterscheiden, als sie nicht mehr mit dem Recht arbeitet,
sondern mit der Technik. Technik verweist dabei auf die Genese von
bestimmten zielgerichteten Praktiken. Die auf Normen gestützte moderne
Macht entwickelte sich in Zusammenhang mit den Disziplinartechnologien
des 18. Jahrhunderts und setzte in ihrer Kontrolle an konkreten Körpern
an. Moderne Machtausübung ist damit die Herstellung von effektiv
einsetzbaren Individuen durch Disziplinen: Technologien, die durch
Strukturierung und Konformismus von Körperverhalten bestimmte
Verhaltensweisen und Individualtypen erzeugen. Die moderne Produktion
und Verwaltung von Normen geht außerdem mit einer »Politik des Sehens«
einher, wie sie durch bestimmte Visualisierungstechniken ermöglicht
wird. Foucault hat diese im Zusammenhang der Entwicklung der
Disziplinar- bzw. Normalisierungsmacht am Beispiel des Panoptikums als
eine beschrieben, die »den Anderen« Sichtbarkeit aufzwingt, während sie
selbst unsichtbar bleibt.
Das Zusammenspiel von Norm, Bildlichkeit und Technik lässt sich auf
einer basalen Ebene von zwei Seiten her erörtern: Zum einen kann das
Bild eine Norm für die Praxis vorgeben. Es fungiert dann als Anleitung.
Ein solches Bildverständnis entspricht einer idealistischen Perspektive,
die an die normative Kraft des Bildes glaubt. Idealistisch ist sie, weil
die Kraft äußerst prekär genannt werden muss: Abweichungen vom Bild
können dessen normative Funktion jederzeit unterwandern. Ein Beispiel
für eine Idealisierung der normativen Kraft des Bildes ist das
Panoptikum, das bezeichnenderweise nie gebaut und in der Praxis erprobt
wurde, sondern als utopisches Bild eine bestimmte Norm lediglich
vorstellbar macht. Hiermit ist ein recht traditioneller Bildbegriff
gesetzt: als unüberschreitbarer Rahmen für ein internes Geschehen,
welches in seiner Regelhaftigkeit nur innerhalb dieses Rahmens aufgeht.
So funktioniert das utopische Kräftearrangement zwischen
Sehenden/Disziplinierenden und Gesehenen/Disziplinierten nur innerhalb
des architektonischen Rahmens des Panoptikums, dessen Norm gerade nur
aufrechterhalten werden kann, indem sie nie realisiert wird.
Zum anderen kann das Bild als Resultat normierender Praktiken verstanden
werden. Das Bild wäre nicht als Handlungsanleitung vorgelagert, sondern
der Fluchtpunkt einer bestimmten Praxis. Wenn, in empirischen /
experimentellen Verfahren etwa, sukzessiv Anormalität ausgeschlossen
wird, drängt dieser Prozess auf ein normatives Bild hin. Am Beispiel der
Kompositphotographien Francis Galtons etwa ergibt sich durch das
Experimentieren entsprechend ein Bild, dem normativer Wert zugesprochen
werden kann. Das Verfahren beschreibt also auf dem Wege der
Visualisierung der Devianz einen steten Prozess der Annäherung an eine
bildlich sich manifestierende Norm, die als solche aber nie erreicht
wird. Diese Konzeption der Norm ist paradigmatisch für die moderne
Konstitution der Norm als eine, die sich jeweils nur durch das von ihr
Ausgeschlossene hervorbringt. Insofern sind die durch die moderne Macht
produzierten Ausschlüsse nicht absolut; sie konstituieren und
stabilisieren jenes Prinzip, das sie erst hervorbringt: die Norm.
Neben diesen beiden kurz skizzierten Versuchen, Bild und Norm auf ihr
Verhältnis hin zu befragen, lässt sich der Themenschwerpunkt auch auf
vielfältige andere Weisen erörtern. Willkommen sind daher theoretische
sowie exemplarische Reflexionen über das Verhältnis von Bild und Norm.
Wenn Sie Interesse haben, Ihren Zugang zum Thema als Text- oder
womöglich auch Bildbeitrag darzulegen, Schicken Sie Ihren Vorschlag in
Form eines Abstracts (max. 150 Wörter) und eine Kurzbiografie bis zum
15. August an
Iris Laner <lanerkunsttexte.de> und
Nora Ruck <nora.ruckunivie.ac.at>.
Reference:
CFP: Bild und Norm (kunsttexte.de). In: ArtHist.net, Jun 29, 2010 (accessed Jul 5, 2025), <https://arthist.net/archive/32809>.