CFP 04.03.2010

Long Lost Friends (Bern Nov 10)

Claudia

Call for Papers

Long Lost Friends
Zu den Wechselbeziehungen zwischen
Design-, Medien- und Wissenschaftsforschung

25.-26. November 2010

Tagung an der
Hochschule der Künste Bern
Fellerstrasse 11
CH-3027 Bern

Einsendeschluss: 31. Mai 2010
Die Veranstalter bitten um Abstracts von 1-2 Seiten via eMail

Organisation und Kontakt:

Dr. Claudia Mareis (Bern)
claudia.mareis(at)bfh.ch

Dr. Christof Windgätter (Wien)
chr-windgaetter(at)versanet.de

Die Untersuchungsgegenstände und Ansätze zeitgenössischer Design-,
Medien- und Wissenschaftsforschungen scheinen thematisch auf
vielfältige Art und Weise verwoben zu sein. So werden derzeit in der
Medien- und Wissenschaftsforschung die Bedingungen von Wissensräumen,
Forschungsobjekten und Mediensystemen ebenso nachdrücklich befragt
wie in der Designforschung die epistemologischen Potentiale von
Designpraktiken und -gegenständen. Die genannten Forschungsfelder
treffen sich in ihrem Interesse an den konkreten Darstellungsweisen
des Experimentierens, Aufzeichnens, Entwerfens und Gestaltens.

Hintergrund solcher Wechselbeziehungen ist die These, dass
Präsentationsformen und Aufzeichnungsverfahren, technische
Apparaturen, handwerkliche Fertigkeiten und publikatorische
Strategien die Forschungsprozesse beeinflussen und die aus ihnen
resultierenden Wissensbefunde grundlegend strukturieren. Eine solche
Betrachtungsweise von wissenschaftlicher und gestalterischer Praxis
schließt neben wissenssoziologischen und -theoretischen Reflexionen
auch medien- und kunsttheoretische Konzepte mit ein, etwa solche zum
Eigensinn von >Aufschreibesystemen< (Kittler), zum produktions- und
rezeptionsästhetischen Einfluss >technischer Reproduzierbarkeit<
(Benjamin) oder zur Bedeutung der >Virtuosität des Experimentators<
(Rheinberger).

Nichtsdestoweniger finden sich in den genannten Forschungsfeldern
markante Leerstellen und blinde Flecken hinsichtlich eines geteilten
Wissenskorpus, der die relevanten Forschungsstände und -standards der
jeweils anderen Disziplinen betrifft. So übersteigt etwa in der
Designforschung die Verwendung von einschlägigen Termini und
Konzepten der Wissenschaftsgeschichte und -theorie kaum je den Rahmen
eines >kreativen< Aneignungsaktes; Begriffe wie
>Experimentalsystem<
oder Labor< scheinen eher in einem strategischen Sinne eine
Forschungsaffinität seitens der gestalterischen Disziplinen zu
bezeugen. Außerdem ist damit nur selten die epistemologisch so
grundlegende Einsicht in die geschichtliche Bedingtheit und
Kontingenz wissenschaftlicher Praktiken gekoppelt. >Design< und
>design thinking< werden stattdessen oft als überzeitliche,
zukunftsgerichtete und gegenstandsneutrale Aktivitäten definiert --
und entziehen sich damit einer kritischen Historisierung ihrer
Praktiken, Narrative und Akteure. Aus Furcht vor einer >disziplinären
Überfremdung< oder >Akademisierung< werden (vor allem in der
praxisbasierten) Designforschung zudem einseitig die Unterschiede zu
anderen Wissenschaftsdisziplinen wie der Kunst- und Kulturgeschichte,
ja zu Kunst und Wissenschaft überhaupt betont. Der Preis für diese
forcierte Identitätsbildung liegt im Unverständnis für die komplexen,
vielfach produktiven, historisch-diskursiven Interdependenzen, die
zwischen Feldern wie Design-, Medien- und Wissenschaftsforschung zu
beobachten sind.

Auf der anderen Seite gilt für die Wissenschafts- und
Medienforschung, dass sie sich zwar seit geraumer Zeit schon von
ideengeschichtlichen und hermeneutischen Prämissen befreit haben,
nach denen die >Außenseiten< bzw. >Oberflächen< des Wissens<
eine
lediglich dekorative oder verblendende Rolle spielen, gleichwohl aber
zeigen sie bisher nur zögerlich ein Interesse an den ästhetisch-
gestalterischen Momenten der Wissensbildung. Dabei ginge es nicht so
sehr um elegante Beweise, schöne Geräte oder funktionale Formen,
sondern um einen Vorzeichenwechsel, der verschiedene Designpraktiken
als konstitutive Bedingung auch wissenschaftlichen Wissens anerkennt.
Anstatt Gestaltung für eine Möglichkeit zur >Verhübschung< von
Forschungsergebnissen zu halten, wäre sie also desgleichen in den
Entstehungsmomenten des Wissens wirksam und entsprechend zu
thematisieren.

Die wechselseitige Ignoranz jedenfalls würde nur eine Entwicklung des
frühen 19. Jahrhunderts verlängern, in der sich Herstellung und
Darstellung, die Produktion des Wissens und das Wissen um seine
Präsentation voneinander gelöst und in verschiedenen Disziplinen
angesiedelt haben.

Die Organisatoren wünschen sich Beiträge, die sowohl historische als
auch zeitgenössische Wechselbeziehungen zwischen den Bereichen der
Design-, Medien- und Wissenschaftsforschung thematisieren und dabei
die Potentiale ebenso wie die Schwierigkeiten eines inter- und
transdisziplinären Austausches adressieren. Ausdrücklich begrüßt
werden auch Beiträge, die das Tagungsthema aus einer praxisnahen
Perspektive beleuchten.

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Quellennachweis:
CFP: Long Lost Friends (Bern Nov 10). In: ArtHist.net, 04.03.2010. Letzter Zugriff 01.07.2025. <https://arthist.net/archive/32405>.

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