CFP Jan 14, 2010

un|planbar - Der Architekt als 'Rivale' des Schoepfers (Dresden, 17-18 Jun 2010)

Dr.-Ing.

un|planbar

Die Architektur des 20. Jahrhunderts entstand im Kontext eines
umfassenden sozialen und gesellschaftlichen Wandels, der einerseits
eine euphorische Aufbruchsstimmung auslöste, andererseits aber auch
als krisenhaft und bedrohlich erfahren wurde. Der eine Pol dieses
Spannungsfeldes manifestiert sich in Strömungen, die den
technisch-sozialen Entwicklungsprozess als Fundament für neue, gerade
auch architektonisch formulierte Ideen von Gemeinsinn nutzen. Ihr
Leitbild ist die Metaphysik der Maschine, die Verfügbarmachung des
bisher Unverfügbaren zur Schaffung einer besseren Welt, ihr Feindbild
das in Tradition Gebundene und dem Zugriff Entzogene. Der andere Pol
wird markiert durch Entwicklungen, die der modernen Kontingenz mit
Visionen entgegnen, die das Bauen an Unhinterfragbares und
Unverfügbares anbinden. Angesichts der als beunruhigend empfundenen
TRANSZENDENTALEN OBDACHLOSIGKEIT (Georg Lukács) suchen sie Halt in
der Tradition, in der Geschichte und im zeitlos Gültigen. In ihrem
Kontext werden Bildende Kunst, Architektur und Städtebau zum Felsen
in der Brandung, zur Kompensation für den Verlust früherer
Glaubenswahrheiten. In der Tagungsreihe un|planbar wird dieses
Spannungsfeld anhand unterschiedlicher Aspekte beleuchtet, die
jenseits üblicher Zuordnungen von Avantgarde und Tradition neue
Sichtweisen auf die Architektur des 20. Jahrhunderts öffnen: Im
architektonischen und städtebaulichen Umgang mit der MITTE, in der
Auseinandersetzung mit der Technik, aber auch in der baulichen
Ausformung von HEIMAT sowie der Reflexion des eigenen Berufsstandes
als WELTBAUMEISTER wird Architektur als Vergegenständlichung
gesellschaftlicher Identitätskonstruktionen deutlich.

Call for Papers 1. Tagung 17.-18.06.2010: Der Architekt als 'Rivale
des Schöpfers'
Planungen des 20. Jahrhunderts sind häufig von einem demiurgischen
Universalitätsanspruch geprägt, der den Architekten als denjenigen
erscheinen lässt, der alles weiß, alles vorausdenkt, und die Fähigkeit
hat, als GESTALTER EINER TOTALITÄT DES LEBENS (Hans Poelzig)
aufzutreten. Er konstruiert ex nihilo den Gemeinsinn und verkörpert
Transzendenz in seiner eigenen Person, und das, obwohl
Spezialisierung und zunehmende Arbeitsteilung seit Jahrzehnten dazu
führen, dass der Umfang der individuellen Planungsleistung immer
geringer wird. Die Tradition dieses Selbstverständnisses, für das
Claude Nicolas Ledoux 1804 die Formel vom Architekten als dem Rivalen
des Schöpfers fand, reicht zurück bis in die Zeit der Renaissance. Sie
ist aber nie im Einzelnen analysiert worden, und trotz ihrer
unbestreitbaren Relevanz für das Architekturgeschehen sind gerade im
Hinblick auf das 20. Jahrhundert bis jetzt viele Fragen offen. Auf
welchen Wertvorstellungen, Kräften und Mechanismen basiert dieses
Selbstverständnis? Welche Konzepte sind geeignet, es glaubwürdig zu
repräsentieren? Wie wird es der Öffentlichkeit und der nachfolgenden
Architektengeneration vermittelt? Verbindet es sich mit bestimmten
ästhetischen Positionen oder bestimmten politischen Haltungen leichter
als mit anderen? Was bedeutet all dies für die Beziehung zwischen
Architekt und Bauherr sowie für die Stellung des Architekten innerhalb
der Gesellschaft? Indem sie Architektenpersönlichkeiten nicht rein
biografisch, sondern in Hinblick auf deren Selbstdarstellung in
Bauten, Bildern und Publikationen betrachtet, soll die Tagung dieses
Thema in einer möglichst großen Bandbreite beleuchten und zugleich
erkunden, ob das Image des Weltbaumeisters für Architekten und
Stadtplaner womöglich auch heute noch Attraktivität besitzt.

Wir freuen uns über kurze Exposés (ca. 300 Wörter) bis 31.03.2010 an:
Dr. des. Andreas Schwarting (andreas.schwartingtu-dresden.de)
SFB 804 Transzendenz und Gemeinsinn
Teilprojekt L, Baugeschichte
Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Hans-Georg Lippert
TU Dresden
01062 Dresden
www.sfb804.de

Reference:
CFP: un|planbar - Der Architekt als 'Rivale' des Schoepfers (Dresden, 17-18 Jun 2010). In: ArtHist.net, Jan 14, 2010 (accessed Dec 17, 2025), <https://arthist.net/archive/32257>.

^