CFP 12.11.2009

kunsttexte.de (Themenheft: Kunst Medien)

Swen Stein

Call for Papers

Die Sektion Kunst Medien der Online-Zeitschrift kunsttexte.de plant
einen Schwerpunkt zum Thema:

"Die Innenseite der Außenseite der Kunst.
Ästhetische Strategien in der Alltagskultur."

Nähere Informationen finden sich in der angefügten Skizze.

Interessierte Autorinnen und Autoren senden bitte bis 07.12.2009 ein
einseitiges Abstract an:
leitnerkunsttexte.de

Kunsttexte, das Journal für Kunst- und Bildgeschichte im Netz, wird
von der DFG gefördert.

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Die Innenseite der Außenseite der Kunst

Ästhetische Strategien in der Alltagskultur

"Unsere Auffassung einer Kultur stimmte nur selten überein mit dem,
was sich als riesiges Reservoir von Gütern (...) darstellt. Als
Eigentumslose näherten wir uns dem Angesammelten zuerst beängstigt,
voller Ehrfurcht, bis es uns klar wurde, dass wir dies alles mit
unseren eigenen Bewertungen zu füllen hatten." (Peter Weiss, Ästhetik
des Widerstands)

Es ist eine mehr als bemerkenswerte Praxis, die Flut an Kulturgütern,
die sich im Laufe der menschlichen Zivilisation ansammeln und immer
weiter reproduzieren, in Kunst und Nicht-Kunst einzuteilen. Gerade
angesichts der rasanten medientechnischen Entwicklung scheint die zu
Grunde liegende Unterscheidung immer heikler. Die Sektion Kunst Medien
der DFG-geförderten Online-Zeitschrift kunsttexte.de will daher diese
Praxis in einem Themenschwerpunkt beleuchten, hinterfragen und
problematisieren und ruft potentielle Autorinnen und Autoren auf,
Vorschläge für Beiträge einzureichen.

Es ist ein Gemeinplatz, dass die Unterscheidung Kunst/Nicht-Kunst
keinen präzisen Entscheidungskriterien folgt - obwohl sie im Einzelfall
weitreichende Folgen haben kann. Allerdings herrscht ein breiter Konsens
darüber, dass etwas entweder durch eine räumliche oder thematische
Verschiebung in einen Bereich zu Kunst wird, den man häufig - mit
einer unbeholfenen Tautologie - "Kunstkontext" nennt, oder aber durch
einen performativen Akt von Seiten des Künstlers. Nennt dieser etwas
Kunst, so ist es Kunst und der ontologische Status eines einfachen
Gegenstandes erfährt eine Überhöhung. Augenscheinlich wird darin, dass
die Kunsthaftigkeit eines Gegenstands, nie Eigenschaft dessen ist,
sondern etwas, das ihm von außen zugefügt wird. Der Künstler hat die
Kraft, etwas durch "Verklärung des Gewöhnlichen" zu Kunst zu adeln,
und der Betrachter folgt im Anschluss lediglich erlernten Weisen des
Sehens. Dass dies problematisch ist, ist bekannt und spätestens seit
der verstärkten Duchamp-Rezeption in den 60er Jahren ein zentrales
Thema der Kunstwissenschaft. Was konservative Lager als unerträgliche
Erweiterung des Kunstbegriffs beklagen, vollzieht sich prinzipiell in
sämtlichen Avantgardebewegungen. Die progressive Auffassung von Kunst
begreift diese als stetig expandierend und damit als etwas tendenziell
Aggressives, wie es die militärische Bezeichnung "Avantgarde" andeutet.
Zugleich beruht der Expansionsbegriff auf einer topologischen
Vorstellung, in der sich Innen- und Außenseite gegenüberstehen und von
einer sich verschiebenden Grenze getrennt werden. So willkürlich und
variabel diese Grenze auch sein mag, so sehr über sie gestritten wird,
so leidenschaftlich sich Generationen junger Künstler an ihrem
Überschreiten üben - ihre Existenz bleibt unbestritten.

Ad Reinhardt bemerkte lakonisch: "Art is Art. Everything else is
Everything else." Wer dem Kunstbegriff auf den Zahn fühlen will,
richtet sich in der Regel auf den ersten Teil des Zitats. Der von
der Sektion Kunst Medien geplante Schwerpunkt "Die Innenseite der
Außenseite der Kunst" hingegen zielt auf den zweiten Teil von
Reinhardts Ausspruch ab - auf das Andere, das nicht oder noch nicht
an der Kunstwelt teilhat, das aber trotzdem Charakteristika aufweist,
die als typisch für Kunst gelten, etwa ästhetische Enthobenheit,
Intentionalität, (Selbst-)Reflexivität oder Intermedialität. In
diesen Bereich können die verschiedensten Phänomene fallen:
Hollywood-Filme, Comics, Computerspiele, Werbefilme und Plakate,
Mode-und Produktdesign, Graffiti und Street Art, Popkonzerte,
Videoclips, Sportveranstaltungen, Zauber-Shows, alle Formen von
Fernsehunterhaltung, Pornographie usw. usf.

Gesucht werden Beiträge, die sich mit derartigen Phänomenen
beschäftigen. Dabei kann auch auf theoretische Fragen abgezielt
werden. Zum Beispiel ließe sich Folgendes diskutieren: Immer wieder
werden Praktiken und Objekte in die Kunstwelt integriert, die vorher
von ihr ausgegrenzt wurden - wie verändert sich hierdurch die Grenze
zwischen Kunst und Nicht-Kunst
Gibt es eine Kunst außerhalb der
Kunstwelt und was leistet sie
Anders gefragt: Was können mediale
Formen leisten, welche die Charakteristika von Kunst aufweisen, ohne
als solche wahrgenommen zu werden
Wie wirkt sich die Etikettierung
"Kunst" bzw. "Nicht-Kunst" auf die Rezeption aus
Lassen sich Dinge
denken, die a priori ausgeschlossen sind, die unter keinen Umständen
Kunst werden können
Kann Kunst "aus Versehen" entstehen oder ist es
zwingend das Ergebnis eines intentionalen Akts

Willkommen sind Beiträge aus allen kunst-, medien- und
kulturwissenschaftlichen Disziplinen und zu allen Epochen - dies
schließt sowohl Internet-Phänomene ein als auch etwa die Behandlung
der Bildenden Künste im Mittelalter als Artes mechanicae und ihren
Kampf um den Status der Artes liberales. Der Themenschwerpunkt soll
eine Debatte anstoßen, die sich in größerem Maße als bisher der stets
von Seiten der Kunstwelt gezogenen Grenze und dem Dahinterliegenden
widmet, um so einige Fragwürdigkeiten im Umgang mit dem Kunstbegriff
zu beleuchten. Letzten Endes steht damit natürlich auch der Begriff
selbst zur Diskussion: Ist es angesichts all dieser Unwägbarkeiten
überhaupt sinnvoll, von "Kunst" zu sprechen

Quellennachweis:
CFP: kunsttexte.de (Themenheft: Kunst Medien). In: ArtHist.net, 12.11.2009. Letzter Zugriff 17.10.2025. <https://arthist.net/archive/32051>.

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