CONF 24.10.2009

Auf den Schwingen der Sphinx (Darmstadt, 12 Dec 09)

Ulrich Pfarr

AUF DEN SCHWINGEN DER SPHINX
DIE WIEDERKEHR DES BEGEHRENS NACH DEM VISUELLEN, DEM UNBEWUSSTEN UND DEM
AFFEKTIVEN

Interdisziplinäre Tagung, 12. Dezember 2009 in Darmstadt
Wissenschaftliche Leitung: Dr. Gerlinde Gehrig und Dr. Ulrich Pfarr

o wie die Sphinx Ödipus Rätsel aufgab, erscheinen uns noch heute
Phänomene des Visuellen oftmals rätselhaft. Wenn zwei Disziplinen geeignet
sind, hier neue Antworten zu finden, dann sind es Kunstwissenschaft und
Psychoanalyse: gemeinsam. Trotzdem bleiben sie auch weiterhin eine
explosive Mischung. Mit dem jüngst erschienenen Handbuch
psychoanalytischer Begriffe für die Kunstwissenschaft (Gießen:
Psychosozial-Verlag) jedoch wird dieses Gemisch als eine Energiequelle
erschlossen, die den Diskurs zwischen den Disziplinen und darüber hinaus
anzutreiben vermag. Im Rahmen unserer Tagung soll dies exemplarisch
vorgestellt und in eine weitere Perspektive gerückt werden, so dass die
hermeneutische Tradition, die beide Disziplinen verbindet, nicht nur von
ihrer Entfremdung befreit wird, sondern zugleich die Brisanz und Relevanz
des Begriffstransfers an aktuellen Fragestellungen erprobt werden kann.

Während die Kunstgeschichte eine Schule des Sehens bietet, gibt die
Psychoanalyse Aufschlüsse über innerpsychische Prozesse der Produktion und
Rezeption von Bildern, sie deckt die Problematik des Blicks auf und rührt
nachhaltig an die Bedeutung des Affektiven. Durch die Verortung
gemeinsamer Erkenntnisse in einem umfassenderen kultur- und
wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang ermöglicht der von uns geführte
interdisziplinäre Dialog produktives Weiterdenken, über historische Fragen
ebenso wie über aktuelle Problematiken.

So sind mit dem Schlagwort der Bildwissenschaft die Fragen nach
unterschiedlichen Bildkonzepten aufgerufen, ebenso nach der
Herausforderung durch die bewegten Bilder. Daran anschließen lassen sich
Überlegungen zum Verhältnis von Begehren, Blick und Perspektive. Ein
weiterer Komplex, der immer Anlass zum Zusammenprall akademischer Kulturen
geboten hat, sei mit Farbe, Form und Symbol umrissen. Hatte die
Nachkriegskunstgeschichte bei einem ikonographisch und
wahrnehmungspsychologisch fundierten Formalismus vor brisanten Inhalten
Schutz gesucht, und damit das Politische ebenso ausgeblendet wie die
Erkenntnisse über das Unbewusste, so hat sich die neuere Kunstgeschichte
bereits selbst durch die Erweiterung ihrer Methoden und Forschungsgebiete
solchen Inhalten geöffnet. Zugleich haben kunstwissenschaftlich fundierte
psychoanalytische Überlegungen ein Reflexionsniveau erreicht, das einen
neuen Umgang mit Form und Farbe erlaubt.

Anknüpfend an die Begriffe Einfühlung und Übertragung muss der Einfluss
esoterischer und spiritistischer Vorstellungen untersucht werden, lässt
doch die Übertragungsmetapher in der frühen Psychoanalyse verblüffende
Überschneidungen mit der zeitgleichen und älteren Kunsttheorie erkennen.
Überhaupt erweist sich als grundlegend für einen Dialog zwischen den
Disziplinen die Ästhetik des Affektiven, in welcher deren gemeinsame
hermeneutische Tradition verwurzelt ist. Damit verbunden ist eine erneute
Lektüre klassischer Autoren aus Psychoanalyse und Kunstgeschichte, welche
einen anderen Blick auf deren Überlegungen zu Phänomenen des Visuellen in
der inneren und äußeren Realität erlaubt.

Wir möchten im Rahmen interdisziplinärer Forschung den Dialog zwischen
Kunstgeschichte und Psychoanalyse für die Zukunft fruchtbar machen, ohne
Gegensätze zu ,verdrängen', aber auch ohne Gemeinsamkeiten zu verleugnen.
In diesem Sinne laden wir herzlich zu unserer Tagung ein.

PROGRAMM

10:00 Begrüßung

10:15 - 11:15
Psychose, Halluzination und Traum: Anmerkungen zur Freud-Lektüre Walter
Benjamins
Dr. phil. Gerlinde Gehrig (Kunsthistorikerin, Darmstadt)

11:15 - 11:30 Kaffeepause

11:30 - 12:30
"Meine Bilder sind klüger als ich" - Die Affektarbeit der Farben und
Formen
bei Gerhard Richter
Dr. med. Joachim F. Danckwardt (Psychoanalytiker und Psychiater, Tübingen)

12:30 - 14:00 Mittagspause

14:00 - 15:00
Unheimlich geworden und doch wieder aktuell: Einfühlung, Projektion und
Übertragung
Dr. phil. Ulrich Pfarr (Kunsthistoriker, Frankfurt a. M.)

15:00 - 16:00
"Mich motiviert vergessen am meisten." Gregor Schneider zu "Haus ur" dort
und "Totes Haus ur" hier
Inge Wittneben M. A. (Philosophin und Ergotherapeutin, Kronberg im Taunus)

16:00 - 16:15 Kaffeepause

16:15 - 17:15
Vier Thesen zu einer allgemeinen psychoanalytischen Ästhetik
Dr. en Psychanalyse Sebastian Leikert (Dipl. Psych., Psychoanalytiker,
Karlsruhe)

17:15 Abschlussdiskussion

TAGUNGSGEBÜHREN
? 35,- / für Studenten ? 15,- (in bar vor Ort zu zahlen)
Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, bitten wir um vorherige Anmeldung bis
zum 04. 12. 2009 unter: gehriggeyahoo.de oder ulrichpfarrweb.de

TAGUNGSORT
Tagungs- und Begegnungszentrum Haus der Deutsch-Balten
Herdweg 79 (Paulusviertel) in Darmstadt

ANFAHRT: ab Darmstadt Hbf mit Straßenbahn Linie 3 "Lichtenbergschule" über
"Luisenplatz" bis "Karlstraße", Fußweg ca. 5 min: Klappacher Str. bis
Herdweg dann links einbiegen
ab "Berliner Allee" (Nähe Hbf) mit Straßenbahn Linie 9 "Böllenfalltor"
über
"Luisenplatz" bis "Herdweg", Fußweg ca. 3 min: Nieder-Ramstädter Str. bis
Herdweg dann links einbiegen
STADTPLAN: darmstadt.de

KONTAKT UND INFORMATION
Dr. Gerlinde Gehrig: gehriggeyahoo.de
Dr. Ulrich Pfarr: ulrichpfarrweb.de

Quellennachweis:
CONF: Auf den Schwingen der Sphinx (Darmstadt, 12 Dec 09). In: ArtHist.net, 24.10.2009. Letzter Zugriff 20.10.2025. <https://arthist.net/archive/31886>.

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