17.12.2008

Friedrich Kaufmann (1928-2008)

Heinrich Dilly

Nachruf Dr. Friedrich Kaufmann (1928-2008)

Vor einem Monat, am 12. November 2008 verstarb in Berlin Dr. Friedrich
Kaufmann, von 1976 bis 2003 Inhaber und Leiter des Dietrich Reimer Verlags
in Berlin. Auf dem Friedrichswerder’schen Friedhof in Berlin-Kreuzberg
wurde der Leichnam des Achtzigjährigen beigesetzt, zu Grabe getragen und
beerdigt.
Auf der Trauerfeier sprach Jürgen Kleidt, Geschäftsführer im Hirmer
Verlag, über die Leidenschaft Kaufmanns für Autoren, für Bücher und
Zeitschriften und deckte, wie es dabei so oft geschieht, gemeinhin
unbekannte Passionen des Verstorbenen auf. Friedrich Kaufmann hatte
gedichtet, Literatur- und Theaterwissenschaft studiert, war in Salzburg
als Dramaturg tätig gewesen und hatte für eines seiner Stücke, den „Tanz
im zerbrochenen Himmel“, 1952 den Förderpreis der UNESCO entgegengenommen.
Das verlegerische Handwerk hatte er im renommierten Rainer Wunderlich
Verlag in Tübingen erlernt. 1963 wurde er Geschäftsführer bei Ullstein im
Axel Springer-Konzern in Berlin, wo er unter anderem die ersten Bände der
neuen Ausgabe der Propyläen-Kunstgeschichte betreut hat. Aus guten Gründen
wechselte er bald in ein anderes Segment des Konzerns, zum
Zeitschriftenverlag Koralle nach Hamburg, bevor er jenen ganz verließ.
Mit der Abfindung erwarb Kaufmann 1976 die Nautische Buchhandlung in
Berlin mit dem bereits 1845 gegründeten Dietrich Reimer Verlag. Dessen
Konzentration auf geographische und ethnologische Fachpublikationen mit
dem Schwerpunkt Afrikanistik erweiterte er wieder im Sinne des Gründers um
die Fachgebiete Archäologie, Kunstgeschichte und um eine interdisziplinäre
Historische Anthropologie. Damit setzte er neue Maßstäbe. Nicht nur das
trockene wissenschaftliche Handwerk wollte beherrscht sein, das Frische,
Fremde, das Unerforschte, Niegedachte, Niegeschriebene hatte bei ihm
gleiche Chancen. Keine Zeit blieb Kaufmann nunmehr für die literarischen
Neigungen. Den Verlust kompensierte er in seiner höchst musischen Familie,
in ausgiebigen Gesprächen mit Freunden bei guten Gerichten und mit dem
großen Talent, auf den unterschiedlichen Gebieten nach versierten
Fachleuten zu suchen, diese nach unmerklicher Prüfung heranzuziehen und
dann nach Handschlag mit möglichst viel Muße selbständig arbeiten zu
lassen. Ebenso altmodisch war er angesichts der allseitigen
Digitalisierung: Unzählige Zettel blieben seine unentbehrlichen Diener.
Für die vielen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, die Kaufmanns Rat
viel verdanken, sprach Hans-Joachim Kuke. Er ließ die Trauernden an die
zahlreichen, nicht nur vorweihnachtlichen Tische voller Kunstbände denken,
stellte Fragen nach den Geschäften mit der bildenden Kunst, nach den
Ansprüchen und den Eitelkeiten selbst kunstgeschichtlicher Autoren und
nach der Kunst des Verlegers, im Gewirr der Erwartungen von Händlern und
Lesern dem guten Text und schließlich auch dem klaren Bild Stimme und
Gewicht zu verschaffen. Kaufmann besaß nicht nur das sichere Gespür für
die Orientierung und die notwendigen Mittel dafür, sondern auch die nie
zur Schau getragene interdisziplinäre Erfahrung. Kuke erinnerte an
Kaufmanns kunstwissenschaftlichen und künstlerischen Einstand, den Katalog
der Europaratsausstellung „Tendenzen der Zwanziger Jahre“ im Jahr 1977,
und an das Buch „Kunstgeschichte. Eine Einführung“ aus dem Jahr 1985.
Dieser Longseller leitete die lange, bisweilen riskante Folge
kunsthistorischer Titel des Dietrich Reimer Verlags ein, die für so manche
Autoren zum ersten Vehikel einer beachtliche Karriere geworden sind. Dazu
kamen die ungemein informativen Architekturführer, die soliden
Einführungen in Teilgebiete des Faches und in andere Disziplinen.
Hinzugefügt hätte ich gern, dass bei aller Diversifizierung diesen Büchern
eines gemeinsam ist: Sie zeigen fast durchweg, dass auch in der
disziplinären Gemeinschaft der Kunsthistoriker keiner mehr alles zu sagen
hat und dass auch in diesem Bereich der Kultur-, der Bild- und
Kunstwissenschaften das Motto gilt: La guerre est finie! Dazu passt auch,
dass schließlich Kaufmanns Verlagskonzept nur in Zusammenarbeit mit den
anderen, mittelgroßen Kunstverlagen und 1999 durch die Fusion mit dem
Gebrüder Mann Verlag unter dem Dach der Axel Springer-Gruppe gesichert
werden konnte.
Nach einer Folge vielfältiger Fotografien vom Leben in seiner Familie, mit
Freunden und Geschäftspartnern und mit einem Wannsee-Gedicht Kaufmanns
endete die Stunde am königsblauen Sarg unter einem Gebinde aus
dunkelblauen Windrosen und leuchtend gelben Mimosen. Stumm wurde der Sarg
ins Freie getragen. Mit Worten des Psalmisten wurde er ins Grab gesenkt,
mit Erde, Blumen und Kränzen der Trauernden bedeckt. Das war am Vormittag
des 25. November 2008 auf dem verschneiten Friedrichswerder’schen Kirchhof
in Berlin-Kreuzberg, auf dem noch viel Platz für Nachgeborene ist.

Quellennachweis:
Friedrich Kaufmann (1928-2008). In: ArtHist.net, 17.12.2008. Letzter Zugriff 20.04.2025. <https://arthist.net/archive/31072>.

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