CONF Nov 10, 2008

Kunst und Politik (Bonn, 28 Nov 08)

Anna Dietz

Symposium zu Kunst und Politik
in Kooperation mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn

Bonner Kunstverein
Freitag, 28. November 2008, 15 -19 Uhr

Das Symposium findest statt, anlässlich der Ausstellung:
EINE BESSERE WELT: TUE GREENFORT, SAN KELLER, KLAUS WEBER,
Laufzeit: 17. Nov - 18. Jan, Eröffnung: 16. Nov, 11 Uhr.

Ausgehend von der Ausstellung EINE BESSERE WELT erfolgt eine Kooperation
zwischen dem kunsthistorischen Institut der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und dem Bonner Kunstverein. Kann,
will, soll die Kunst heute politisch wirksam sein? Wie überhaupt lässt
sich politisches Engagement heute definieren? Und welchen Beitrag kann die
Kunst dazu leisten? Dem Vorwurf, "die Jugend von heute sei 'angepasst'",
wie es kürzlich noch in der überregionalen Wochenzeitung DIE ZEIT (29.
August 2008) nachzulesen war, kann generationsübergreifend
entgegengetreten werden.

Dieses sind die ausgehenden Fragen, die uns bei der Tagung interessieren
und zu der die folgenden Referenten geladen sind:

Prof. Beat Wyss (*1947) hat einen Lehrstuhl für Kunstwissenschaft und
Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe
und ist Residenzprofessor am Schweizerischen Institut für
Kunstwissenschaft in Zürich. Zu Wyss' These, dass die Kunst gerade jetzt
politisch in ihrer Autonomie sei, welche die neostalinistischen Linken der
Siebziger Jahre nicht müde wurden zu bekämpfen, erscheint im Herbst bei
Suhrkamp sein Essay: "Nach den Großen Erzählungen."

Jürgen Harten (*1933, lebt in Berlin), Ausstellungsmacher, (u. a. 1967­1968
Büroleiter der documenta 4, 1972­ 1998 Direktor der Düsseldorfer
Kunsthalle, 1998­2000 Gründungsdirektor des museum-kunst-palast,
Düsseldorf, 2003 "Berlin-Moskau/Moskau-Berlin 1950­2000", 2006
„CARAVAGGIO“ mkp, Düsseldorf). Der Vortrag über "Das große Format ­
Ereignisbild, Denkmal, Installation, ikonische Medien" fragt, ob oder wie
Themen von überwältigendem, die Gesellschaft erschütternden Format
überhaupt noch in der Kunst behandelt werden.

Jan Verwoert erwoert (*1972, lebt in Berlin), ist Mitherausgeber bei
FRIEZE und lehrt am Pit Zwart Institute in Rotterdam. Autor von u. a. Bas
Jan Ader ­ In Search of the Miraculous, 2006 bei Afterall Books / MIT
Press, und Co-Kurator von Sheffield Biennale Art, Sheffield 08 Yes, No &
Other Options (2008). Der Titel seines Beitrages ist von ROBERT BARRY's
"Marcuse Piece", (1970) abgeleitet, wo es heißt: "A place to which we can
come, and for a while, be free to think about what we are going to do."

Begrüßung, Einführung und Moderation:
Prof. Anne-Marie Bonnet und Christina Végh.


Wie artikuliert sich politisches Engagement heute und welche Auswirkung
hat dies auf die Produktion wie Rezeption von Kunst? Beat Wyss hat
kürzlich in einem Interview erklärt, dass er die Chance der Kunst in der
Globalisierung in ihrer Eigenschaft, ein System der Kommunikation zu sein,
sehe. Provokation sei heute nicht mehr Sache der Kunst, sondern Sache der
Massenmedien. (1) Umgekehrt führt Jan Verwoert in der Auswertung der
heutigen Kunstausbildung den Begriff des "guten Lebens" ein, und vertritt
die Meinung, dass der Bereich der Kunstlehre heute exemplarischer Ort sein
könne für eine humane und gesellschaftspolitisch relevante
Auseinandersetzung des Einzelnen in der Gemeinschaft, die mehr den je von
Ökonomisierungsprozessen bedroht ist. (2) Die Globalisierung, von den
einen willkommen geheißen von den anderen verschmäht, ist heute Realität.
Der Niedergang der Nationalstaatlichkeit zugunsten der Ökonomie, wie sie
Masao Miyoshi bereits 1993 analysierte, wird täglich erlebt, so
beispielsweise wenn die weltweit agierende Firma Nokia Schlagzeilen macht
wegen ihres Umzuges von Deutschland nach Rumänien. (3) Wie wirken sich die
Änderungen von der bürgerlichen zur globalisierten Gesellschaft auf die
Kunst betreffend Produktion wie Rezeption aus?

1 Vgl. Platzt der Kunst das Herz. Die Preise explodieren, für die
internationale Geldelite ist Kunst der ultimative Luxus. Ein Gespräch über
ein globales Phänomen, Das Magazin, Tages Anzeiger, No. 01, 2008, S. 26 ­
32.
2 Jan Verwoert, Frei sind wir schon. Was wir jetzt brauchen, ist ein
besseres Leben, in: Kunst Lehren. Städelschule Frankfurt/Main, Hg. Heike
Belzer, Daniel Birnbaum, Köln 2007, S. 80-110.
3 Masao Miyoshi, Eine Welt ohne Grenzen? Vom Kolonialismus zum
Transnationalismus und zum Niedergang des Nationalstaates, Critical Inquiry
Nr. 19, Chicago, Sommer 1993, abgedruckt im Katalog der documentaX,
Politics/Etics, Hrsg. Catherine David und Jean Francois Chevrier,
Osterfildern, Ruit, 1997, S.182- 202

 

Ausstellung

EINE BESSERE WELT: TUE GREENFORT, SAN KELLER, KLAUS WEBER
17. November 2008 ­ 18. Januar 2009
Eröffnung: Sonntag, 16. November, 11 Uhr
Pressekonferenz: Freitag, 14. November 2008, 11 Uhr

Die Ausstellung EINE BESSERE WELT bildet den Einstieg in eine Diskussion
über Kunst und Politik heute. Anhand dreier junger künstlerischer
Positionen ist modellhaft zu überprüfen, inwiefern die Kunst heute eine
kritische Instanz sein kann und will. Die Künstler TUE GREENFORT (1973,
Kopenhagen/Berlin), SAN KELLER (
1971, Zürich) und KLAUS WEBER (*1967,
Berlin) deuten in ihrem Werk bestehende gesellschaftliche und ökonomische
Sachverhalte präzise und oftmals mit Humor für ihre Zwecke um.
Wirtschaftliche, ökologische wie ökonomische Kreisläufe werden
aufgenommen, um sie in andere Bahnen zu lenken, vielleicht gar in bessere,
als das wirkliche Leben es zulassen könnte. In den letzten Jahren steht
die Bildende Kunst mehr denn je in den Schlagzeilen. Jedoch wird ihr
Inhalt zusehends öfter unter der Rubrik Markt bezüglich rekordverdächtiger
Verkaufspreise besprochen oder in Lifestylemagazinen als Prestigeobjekt
gehandelt. Ist die Kunst bis zu den 70er Jahren als überwiegend
gesellschaftskritischer Impuls rezipiert worden, der durchaus auch
provokativ daherkommen konnte, scheint sie heute als Element einer
globalisierten Gesellschaft mehr und mehr ihre kritische Spitze verloren
zu haben - so meinen es zumindest einige Zeitgenossen. Ist es tatsächlich
die Kunst, die Teile ihrer gesellschaftlichen Wirksamkeit eingebüßt hat,
oder ist es nicht eher die Mediengesellschaft, die bestimmte kritische
Inhalte gar nicht mehr zu hören, zu sehen oder zu lesen vermag? Wie
überhaupt artikuliert sich kritisches Engagement in einer Zeit, die ohne
klare Ideologien operiert?

Die Künstler TUE GREENFORT, SAN KELLER und KLAUS WEBER eint neben einer
reflektiert kritischen Haltung gegenüber bestehenden Systemen eine
künstlerische Herangehensweise, die von einer direkten Bezugnahme auf real
existierende Alltagsphänomene geprägt ist. TUE GREENFORT interessieren
dabei oft ökologische Fragestellungen, die beim Zusammentreffen von
menschlicher Kultur und Natur aufkommen. Oft werden hierbei gegenseitige
Anpassungsprozesse und Reaktionen aufeinander hinterfragt und neu
verhandelt. SAN KELLER untersucht in seinen Interventionen, häufig in Form
von Projekten, Aktionen und Performances, den Beitrag, den er als Künstler
an eine Gesellschaft zu leisten vermag. So tritt KELLER in verschiedenen
Alter Egos als Dienstleister auf, der sich seiner Umgebung beispielsweise
als Überbringer von Botschaften zur Verfügung stellt, über eine
Tageszeitung zu Aktionen aufruft oder selbst spontan auf vorgefundene
Situationen reagiert. Indem sein Kunstschaffen meist nur in direkter
Interaktion mit der Umwelt funktioniert oder auf tatsächlich vorgefundene
Situationen eingeht, greift er dem bloßen Konsum seiner Kunst voraus.
Historische oder aktuelle gesellschaftspolitische Themen, die seinen
Werken immanent sind, lassen den Betrachter oftmals die Ironie oder gar
Absurdität des Alltags vor Augen treten. In Installationen, Skulpturen und
Bildern sucht KLAUS WEBER wegweisende Errungenschaften menschlicher
Intelligenz und Erfindungsgabe, Sehnsüchten, wie denen nach Freiheit,
Gleichheit oder Frieden gegenüberzustellen. Stehen diese Bestrebungen in
Abhängigkeit zueinander, bedingen sich gar? Oder sind sie sich vielmehr im
Wege und ist immer nur das eine oder das andere zu einer Zeit möglich? Wie
könnten Kombinationen aus beidem aussehen oder wie ließen sich natürliche
und kulturelle, technische oder naturwissenschaftliche Phänomene und
Erkenntnisse kombinieren? Oder sind diese Vorstellungen eher im Bereich
absurder Utopien anzusiedeln?
Ähnlich wie TUE GREENFORT stellt auch WEBER Hervorbringungen der Natur
denen menschlicher Entwicklungsphänomene gegenüber und fragt dabei nach
ihren jeweils möglichen Rollen.

------------------------------------------------
Anna Dietz
wissenschaftliche Mitarbeiterin
Bonner Kunstverein
Hochstadenring 22
53119 Bonn
a.dietz@bonner-kunstverein.de
www.bonner-kunstverein.de <http://www.bonner-kunstverein.de>

Reference:
CONF: Kunst und Politik (Bonn, 28 Nov 08). In: ArtHist.net, Nov 10, 2008 (accessed Nov 4, 2025), <https://arthist.net/archive/30977>.

^