Urbs Incensa
Ästhetische Transformationen der brennenden Stadt
in der frühen Neuzeit
Internationale Fachtagung
Berlin, 25.-27. September 2008
Stadtbrände gehören zu den eindringlichsten Erfahrungen der Gefährdung
und Fragilität der materiellen und auch ideellen Grundlagen menschlicher
Existenz. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Brandkatastrophen seit
der Antike ein wichtiges Motiv der Künste darstellen, in dem sich ebenso
kollektive Ängste und religiöse Anschauungen wie ästhetische Haltungen
spiegeln. Die in den literarischen, bildlichen und dramatischen Werken
sich ausdrückenden Wahrnehmungsweisen - von der göttlichen Strafe bis
zum erhabenen Spektakel - geben dabei immer auch Auskunft über die
jeweilige Selbstpositionierung des Menschen gegenüber den
zerstörerischen Elementarkräften.
Mit den legendären Zerstörungen von Sodom und Gomorrha, Troja und Rom
gehören Stadtbrände zum imagologischen Grundbestand der europäischen
Kulturen, an dem die Darstellungen realer Ereignisse wie etwa des großen
Feuers von London im Jahre 1666 ihre gestalterischen Vorgaben und ihren
dramaturgischen Maßstab finden. So greifen gelehrte Autoren wie Erasmus
von Rotterdam in ihren Schriften immer wieder auf die Topoi antiker oder
biblischer Brände zurück, variieren diese aber zugleich auf bedeutsame
Weise. Maler und Kunsttheoretiker wie Cristoforo Sorte, Gian Paolo
Lomazzo oder Carel van Mander distanzieren sich zunehmend von
klassischen Interpretationsvorgaben und sehen im Ereignis immer auch die
Möglichkeit zum künstlerischen Bravourstück.
An diesem Spannungsverhältnis von Tradition und Innovation als Folge
katastrophischer Ereignisse wird die Tagung ansetzen. Anhand seiner
künstlerischen Transformationen in der Frühen Neuzeit sollen die
politischen, religiösen, sozialen, ökonomischen, medialen und
ästhetischen Dimensionen der Wahrnehmung des Stadtbrandes untersucht
werden. Damit rückt nicht zuletzt das jeweilige Wechselverhältnis von
Realereignis und den Möglichkeiten und Zielsetzungen seiner
"Sichtbarmachung" innerhalb einer historischen Formation in den Blick.
Gefragt wird also nach den "Bildern", die sich eine Kultur von der
realen, befürchteten und fiktiven Zerstörung des urbanen Lebensraumes
macht und welche Sinnstiftungsstrategien den jeweiligen Formen der
Darstellung zugrunde liegen. Von welchen Strategien des Umgangs und der
Bewältigung von Kontingenz und Gewalt der Katastrophe zeugen ihre
poetischen, ikonischen und dramatischen Umsetzungen nicht zuletzt auch
im Vergleich mit amtlichen Stellungnahmen und privaten Aufzeichnungen?
In welchem Wechselverhältnis stehen militärische, kriminelle,
fahrlässige, natürliche oder übernatürliche Ursachen des Stadtbrandes zu
kanonischen Deutungsangeboten? Das Ziel dieser Tagung ist, Stadtbrände
als kulturhistorisch bedeutsame Phänomene zu begreifen, an deren
ästhetischen Transformationen sich die relevanten Wahrnehmungs- und
Darstellungsweisen einer Zeit in herausragender Weise niederschlagen.
Programm
Donnerstag, 25. September
14:00 MICHAEL THIMANN / LUCAS BURKART
Begrüßung
14:15 FRANZ MAUELSHAGEN (Zürich)
Das Spiel mit dem Feuer. Die frühneuzeitliche Stadt als Gefahrenzone
15:00 KAY PETER JANKRIFT (Stuttgart)
Unglückliche Zufälle, Achtlosigkeit und Mord. Brände im Spiegel
spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Chroniken der Reichsstadt Augsburg
15:45-16:00 Pause
16:00 MARIE LUISA ALLEMEYER (Göttingen)
"Wenn der liebe Gott einen Hauss Wirth mit Feuers Brunst heimsucht." Zur
Deutung und Darstellung von Stadtbränden in obrigkeitlichen, technischen
und genossenschaftlichen Schriften der Frühen Neuzeit
16:45-17:00 Pause
17:00 CHRISTOF BAIER (Berlin)
"verjuengt und verschoent aus ihrer Asche". Die "professionelle"
Wahrnehmung des Stadtbrands durch die preußische Bürokratie im 18.
Jahrhundert
17:45 CORNEL ZWIERLEIN (Bochum)
Die Alltäglichkeit der Großbrandgefahr und die Bedeutung visueller
Affektsteuerung in der Geschichte von Brandwahrnehmung und
Brandbekämpfung
18:30-19:00 Pause
19:00 Abendvortrag
WERNER BUSCH (Berlin)
Turner und der Brand des Londoner Parlaments
Freitag, 26. September
10:15 VERA FIONIE KOPPENLEITNER (Florenz)
Etiam periere Ruinae. Realereignis und Bildtradition in
Stadtbranddarstellungen der Frühen Neuzeit am Beispiel des Großen Brands
von London 1666
11:00 HANA GRÜNDLER (Florenz)
"Ardentissimo fuoco" und "timor della morte". Raffaels Borgobrand und
andere Katastrophen in Vasaris "Vite"
11.45-12:00 Pause
12:00 MARTIN PAPENBROCK (Karlsruhe)
Das "Brennende Troja" in den Bildern von Pieter Schoubroeck. Zur
Revision des Vaterlandsbegriffs in Kunst und Philosophie um 1600
12:45-14:30 Mittagspause
14:40 CHRISTINE GÖTTLER (Seattle, WA)
Mordende Frauen: Gillis Mostaerts "Brennende Stadt"
15:15 SUSAN DONAHUE KURETSKY (Poughkeepsie, NY)
Saving Amsterdam: Jan van der Heyden (1637-1712) and the Art of
Firefighting
16:00-16:15 Pause
16:15 JÖRG TREMPLER (Florenz)
Pierre-Jacques Antoine Volaires "Brennender Palast in Rom" von 1769
17:00 HEINER KRELLIG (Venedig)
Francesco Guardi. Der Brand im Öllager von San Marcuola, Venedig 1789
17:45-18:30 Pause
18:30 Abendvortrag
JOCHEN BERNS (Marburg)
Feuerwerk und Feuerwehr. Techniken der Inszenierung und Domestikation
von Stadtbränden in der Frühen Neuzeit
Samstag, 27. September
9:00 HOLE RÖßLER (Luzern)
Theaterbrände. Brennende Architektur auf den Bühnen der Frühen Neuzeit
9:45 VOLKER SCHERLIESS (Lübeck)
"Il campidoglio è acceso" oder: Musikalisches Feuer. Zu einigen Opern
des 17. und 18. Jahrhunderts
10:30-10:45 Pause
10:45 CHRISTOPH HEYL (Frankfurt a.M.)
God?s Terrible Voice in the Citty. Anmerkungen zur Rezeption des Great
Fire of London (1666)
11:30 MARIAN FÜSSEL (Giessen)
Zwischen Schauspiel und Information. Zur Visualisierung von brennenden
Städten im Siebenjährigen Krieg
12:15 Abschlussdiskussion
Veranstalter:
Selbständige Nachwuchsgruppe "Das wissende Bild. Epistemologische
Grundlagen profaner Bildlichkeit vom 15.-19. Jahrhundert".
Kunsthistorisches Institut in Florenz, Max-Planck-Institut
http://www.daswissendebild.de
SNF-Forschungsprojekt "Von der Präsentation zum Wissen. Athanasius
Kircher
und die Sichtbarmachung der Welt".
Universität Luzern, Historisches Seminar
http://www.unilu.ch/kircher
Veranstaltungsort:
Harnack-Haus
Tagungsstätte der Max-Planck-Gesellschaft
Ihnestraße 16-20
14195 Berlin
http://www.harnackhaus-berlin.mpg.de/
Organisation:
Vera Fionie Koppenleitner (koppenleitnerkhi.fi.it)
Hole Rößler (hole.roesslerunilu.ch)
Quellennachweis:
CONF: urbs incensa - die brennende Stadt (Berlin, 25-27 Sept 08). In: ArtHist.net, 06.09.2008. Letzter Zugriff 13.07.2025. <https://arthist.net/archive/30805>.