TOC May 8, 2008

Kunst + Architektur in der Schweiz: Der Berg (2/2008)

Lisa Pesenti

Der Text ist abrufbar unter:
_http://www.gsk.ch/D/aktuell/kunst-arch/index.htm_

Kunst + Architektur 2008.2

in der Schweiz

Art + Architecture

en Suisse

Arte + Architettura

in Svizzera

Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK,

Pavillonweg 2, 3012 Bern. Format A4, 76 Seiten, mit zahlreichen
S/W-Abbildungen. Erscheinungsweise: vierteljährlich, Aufsätze deutsch,
französisch oder italienisch, Zusammenfassungen in den beiden anderen
Sprachen. Als Einzelheft (CHF 25.–) und im Abonnement (CHF 80.–)
erhältlich. Den GSK-Mitgliedern wird die Zeitschrift kostenlos zugestellt.

2008.2

Der Berg

Ein Heft über die Berge kann ebenso banal wie schwierig sein: Was kann
bei diesem vermeintlich in allen Facetten abgehandelten Thema noch Neues
aufgezeigt werden
Und dennoch ist es von anhaltender Aktualität. Dies
beweisen Veranstaltungen der jüngsten Vergangenheit: die Ausstellungen
Alpine Air in Japan und hoch hinaus im Kunstmuseum Thun 2005, In den
Alpen im Kunsthaus Zürich 2007 und Enigma Helvetia, bis am 17. August
2008 im Museo cantonale d’arte und im Museo d’arte moderna in Lugano,
oder die Tagung Über die Grenze. Vermessung einer Kulturlandschaft, die
2007 in Bregenz von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern aus der
Schweiz und aus Österreich organisiert wurde und bei der ein zentrales
Thema der Alpenraum war. Berge bleiben eine schweizerische Trademark,
und die Schweiz befasst sich auch weiterhin mit dieser Problematik aus
den Blickwinkeln der Technologie, Wissenschaft, des Tourismus, der
Kultur und Emotion.

Ausgangspunkt dieses Hefts bildeten die Fragen zum Konzept Berg als
Topos, als Geisteszustand, als kulturelle Eigenschaft. Mit einbezogen
wurden aber auch die Herstellung von Bildern der Berge, die Beziehung zu
diesen und die vielfältige Wirkung, die sie auf das moderne und
zeitgenössische Kunstschaffen in der Schweiz ausüben. Zwei interessante
Aspekte wurden sichtbar: In erster Linie ist in der Schweiz der «Berg»
ein Synonym für «Alpen»: Sich mit den Bergen zu befassen, auch als
metaphysische Einheit, scheint nur über die Alpenlandschaft möglich zu
sein. Zweitens hat sich jede Arbeit mit dem Mythos der Alpen
auseinanderzusetzen. Zwischen der Postkutsche von Rudolf Koller,
verewigt im Bild der Gotthardpost (1873), und Alptransit befinden sich
Welten, aber der Mythos der Berge, wie er sich gegen Ende 18.
Jahrhundert auch durch die Malerei von Caspar Wolf herausgebildet hat,
unterliegt Wandlungen, die sein Fortdauern nicht untergraben: Die
Vorstellung der Berge als idyllischer Ort – zeitlos und im Gegensatz zur
bedrohlichen Verstädterung – wird überlagert und abgelöst durch
wissenschaftliches Interesse und touristische Ausbeutung als
Herausforderung der heutigen Gesellschaft. Auf die alpine Landschaft als
Identität stiftende und Schutz bietende Grundlage, materielle und
geistige Landesverteidigung der 1930/40er-Jahre, folgt die Demontage des
Mythos ab den 1960er-Jahren, um schliesslich beim Slogan der
Jugendbewegung der 1980er-Jahre anzulangen, der 1998 vom Kunsthaus
Zürich als Ausstellungstitel übernommen wurde: Nieder mit den Alpen!
Freie Sicht aufs Mittelmeer! Die reflektierte Wiederaufnahme des Mythos
Berg in den 1990er-Jahren ist auch im Zusammenhang mit einer Tendenz zur
Analyse der künstlerischen Mittel als solche und deren Neupositionierung
in der zunehmenden Präsenz der neuen Medien zu sehen. Die Beiträge
umfassen eine Zeitspanne von Ende 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart und
thematisieren die Berge in unterschiedlichen Bereichen, wie etwa den
transzendenten und in gewissem Sinne autobiografischen Berg von
Ferdinand Hodler, aber auch die zeitgleiche, durch die Fotografie in
stereotypen Wiederholungen überlieferte Evokation einer unbefleckten
Bergwelt – eine Vorstellung, die das kollektive Bewusstsein stark
geprägt hat. Die Architektur in den neuen Alpensiedlungen wiederum
spielt mit den Themen der Standardisierung und Monotonie, sucht neue
Interaktionsarten mit der Landschaft und spiegelt den vielfältigen
Einfluss einer Gesellschaft des Warentauschs und der Werbung; diese
entwickelt zwischen Kitsch, Gemeinplatz und Effekt das Bild der Berge in
einem Marketing-Diskurs und setzt sie ins Zentrum innovativer Studien im
Bereich Design. Schliesslich werden die Berge zur virtuellen Erfahrung
in der digitalen Vision der Kunstschaffenden, deren Arbeiten – im
Zeichen modernster Technologien – sich auf unerwartete Szenarien öffnen.

Die vorliegende Nummer gründet zum Teil auf reichhaltigem,
unveröffentlichtem Material sowie auf neuen Forschungsarbeiten und
komplettiert das Heft 2000 Meter über Meer (1999.3), in dessen Zentrum
die technologische und touristische Nutzung der Berge stand. Ihre
Inhalte und die daraus folgenden Überlegungen mögen dazu anregen, aus
einer Vielfalt der Perspektiven ein unerschöpfliches Gelände noch
breiter zu erkunden, das auch in Zukunft eine der Grundstrukturen der
kulturellen und künstlerischen Identität der Schweiz bilden wird.

Noch ein Hinweis auf die Rubrik «Im Blickpunkt», die den Lido von Lugano
vorstellt: Nach den «Kletterpartien» wird die Leserin, der Leser,
vielleicht Vergnügen aus diesem erfrischenden Text schöpfen.

Paola Tedeschi-Pellanda

2008.2

Der Berg

zum thema

S. 2

Lucas Marco Gisi

Aura des Bergs und Alpenmythos

Zur Idealisierung, Inszenierung und Virtualisierung einer Landschaft

S. 6–12

Andreas Baur

Auf zum Gleissenhorn!

Annehmlichkeiten des digitalen Reisens

Zu Vue des Alpes von Monica Studer und Christoph van den Berg

S. 13–19

Cordula Seger

Die fotografierte Idylle

S. 20–27

Héloïse Nguyen

Au sommet des brumes

Le couple nuage/montagne chez Ferdinand Hodler

S. 28–34

Carmelia Maissen

Alpine Freiheit und Typisierung

Plansiedlungen der Nachkriegszeit in Graubünden

S. 34–41

Sibylle Omlin

Erlebniswelt Alpen

Strategien im Kommunikations-Design

S. 42–49

Visto da vicino

Riccardo Bergossi

Il Lido di Lugano

S. 50–54

55 Bücher / Livres / Libri

58 Hochschulen / Hautes écoles / Università

59 Museen Ausstellungen / Musées Expositions / Musei Esposizioni

60 Jahresbericht 2007 / Rapport annuel 2007 / Rapporto annuale 2007

70 Publikationen der GSK / Publications de la SHAS /

Pubblicazioni della SSAS

70 Mitteilungen / Informations / Informazioni

75 Die folgenden Hefte / À paraître / I prossimi numeri

76 Impressum / Colophon

Reference:
TOC: Kunst + Architektur in der Schweiz: Der Berg (2/2008). In: ArtHist.net, May 8, 2008 (accessed Jul 1, 2025), <https://arthist.net/archive/30446>.

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