CONF 05.10.2007

Materialprobe 2 (Florenz, 15-16 Oct 07)

Barbara Wittmann

Materialprobe 2: Symptomatik des Zeichnens und Schreibens

Kunsthistorisches Institut in Florenz (Max-Planck-Institut)
Florenz, 15. & 16. Oktober 2007

Kolloquium der institutsübergreifenden Forschungsinitiative „Wissen im
Entwurf. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Forschung“ des
Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte in Berlin und des
Kunsthistorischen Instituts in Florenz

Gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung und der Max-Planck-Gesellschaft

Eine graphische Aufzeichnung als Symptom einer physischen oder psychischen
Befindlichkeit zu lesen, setzt nicht nur eine Umstrukturierung der
Erwartung und der Lektürepraxis voraus, sie ist an konkrete Veränderungen
der Schreib- und Zeichenszene gebunden, die wir im Rahmen der zweiten
„Materialprobe“ analysieren möchten. Dabei wird der Blick auf die
Besonderheit von Aufschreibepraktiken zu richten sein, die nicht nur eine
Aufzeichnung bestimmter Phänomene beabsichtigen (darin sind sie
herkömmlichen Zeichen- und Schreibverfahren ja verwandt), sondern
gleichzeitig auf eine Analyse der Repräsentation selbst abzielen. Damit
rücken genau jene Eigenschaften in den Mittelpunkt des Interesses, die im
Rahmen herkömmlicher wissenschaftlicher Datensicherung zumeist
eingeschränkt und kontrolliert, spätestens aber im Vorgang der Publikation
und der Übersetzung in den gedruckten Text oder die druckgraphisch
reproduzierte Zeichnung ausgesondert werden, weil sie der Aufzeichnung des
eigentlichen Phänomens akzidentiell, eben subjektiv zukamen.

Sicherlich: nicht jedem graphischen Unfall wird die Deutungshoheit eines
Symptoms zugestanden. Und nur mit einigem Aufwand gelingt die
Transformation der auffällig gewordenen Inskriptionen in eine Spur, ein
lesbares Zeichen von Charakter, Temperament, Autorschaft, Entwicklung oder
was auch immer. Die Techniken, die im Laufe der letzten 200 Jahre dazu
ausgebildet wurden, um eine Unterscheidung der zufälligen von den
motivierten Zeichen vornehmen zu können, kommen zumeist erst dann ins
Spiel, wenn der eigentliche Schreib-/Zeichenakt bereits stattgefunden hat.
Sie nehmen die Gesten des Zeichnens und Schreibens von der „Warte der
Nachträglichkeit in den Blick“ (Stephan Kammer). Wie aber wurden die
Relikte der vermeintlichen Selbstaufschreibung im wissenschaftlichen
Forschungszusammenhang und im künstlerischen Produktionsprozess gewonnen
und prozessiert? Wie wurden sie lesbar gemacht? Unter welchen
institutionellen, medialen und materiellen Bedingungen entstanden Linien,
Kritzeleien und Schriftzüge, die sich dem Forscher oder dem
Kunstbetrachter nicht als Beschreibungen der Welt, sondern als verworrene
Zeichen der seelischen/physischen Funktionstüchtigkeit, Disposition oder
Pathologie ihrer Urheber zu denken gaben? Und schließlich: welche
Vorstellungen und Begrifflichkeiten von „Spur“, „Symptom“ und
„Ausdruck“
kamen dabei zum Tragen?

Um schriftliche Anmeldung per E-Mail wird gebeten.
Kontakt: Dr. Barbara Wittmann, wittmann|at|mpiwg-berlin.mpg.de

Weitere Information zur Forschungsinitiative und zum Kolloquium unter
www.knowledge-in-the-making.de

Montag, 15. Oktober 2007

10:00 Begrüßung

10:30
Stephan Kammer (Frankfurt/Main)
Evidente Devianz. Patho-Graphologien um 1900

11:30 Pause

12:00
Armin Schäfer (Berlin)
Spur und Symptom: Zur Erforschung der Handschrift in der Psychiatrie um 1900

13:00 Pause

15:00
Markus Klammer (Basel/Wien)
Strategien zeichnerischer und sprachlicher Repräsentation in der
Psychoanalyse. Der Fall Wolfsmann

16:00 Pause

16:30
Barbara Wittmann (Berlin)
Was die Kinder nicht sagen. Die Kinderzeichnung als Technik der Psychoanalyse

Dienstag, 16. Oktober 2007

9:30
Peter Geimer (Zürich)
„Eugö¨ne Delacroix“. Vier Reste des 19. Jahrhunderts

10:30
Stefan Neuner (Zürich)
Körper, Schrift und Spur in der Graphik Jasper Johns’

11:30
Pause

12:00
Jutta Voorhoeve (Florenz)
Das Symptom als Maßnahme - Martin Kippenbergers „Hotelzeichnungen“

Diskutanten und Diskutantinnen: Rüdiger Campe (New Haven), Christoph
Hoffmann (Berlin), Karin Krauthausen (Florenz), Clemens Krümmel (Berlin),
Ethel Matala de Mazza (Berlin), Omar Nasim (Berlin), Cornelia Ortlieb
(Berlin), Wolfram Pichler (Wien), Hans-Jörg Rheinberger (Berlin), Mai
Wegener (Berlin), Christof Windgätter (Berlin), Gerhard Wolf (Florenz)

Kunsthistorisches Institut in Florenz (Max-Planck-Institut)
Via Giuseppe Giusti 44 - 50121 Firenze - Italia
Phone ++39 (055) 24911 90- Fax +39 (055) 24911 66

Quellennachweis:
CONF: Materialprobe 2 (Florenz, 15-16 Oct 07). In: ArtHist.net, 05.10.2007. Letzter Zugriff 12.03.2025. <https://arthist.net/archive/29777>.

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