CFP 11.08.2007

Antike Traditionen in MA & Neuzeit (Muenster, 23-25 Apr 08)

Kerstin Grein

Kontinuität und Konfrontation. Antike Traditionen in Mittelalter und Früher
Neuzeit

Veranstalter: Graduiertenkolleg "Gesellschaftliche Symbolik im Mittelalter"
Termin: 23.-25. April 2008
Tagungsort: Münster

Deadline: 31. Oktober 2007

Die christliche Apologetik der Spätantike setzte sich in ihren Bemühungen um
die Entwicklung eines eigenen Werte- und Deutungssystems intensiv mit der
Frage nach dem richtigen Umgang mit den kulturellen Traditionen aus
vorchristlicher Zeit auseinander. Schon in der patristischen Literatur
konkurrierten dabei verschiedene Modelle, nämlich einerseits solche, die
eine Übernahme, Umformung und Assimilation antiker Traditionen empfahlen,
und andererseits solche, die auf einer Verfolgung, Bekämpfung und
Destruktion derselben bestanden. Keiner der beiden Lösungsansätze konnte
sich endgültig durchsetzen, vielmehr bestanden in fast allen Bereichen der
sich herausbildenden mittelalterlichen Lebenswelt relativ konstant Formen
der Assimilation des antiken Erbes auf der einen und seiner Verdrängung auf
der anderen Seite nebeneinander her.

Beispielsweise erlaubte die Methode der Allegorie und Allegorese eine
Integration des antiken Mythos in das christliche Weltbild, wie die Präsenz
mythischer Figuren in religiösen Traktaten, christlicher Dichtung und
sakraler Kunst deutlich macht. Gleichzeitig blieb die Bekämpfung angeblich
fortbestehender paganer Kultpraxis fester Bestandteil mittelalterlicher
Superstitionenverfolgung. Antike Philosophie wurde in den mittelalterlichen
Unterricht im Rahmen der Septem Artes Liberales integriert und an den
Universitäten gelehrt, gleichzeitig der Vorrang der christlichen
Offenbarungswahrheit gegenüber antiker Wissenschaft niemals angezweifelt.
Schriften, die als Angriff auf das religiöse Dogma empfunden wurden, konnten
zu jeder Zeit zum Opfer kirchlicher Zensur werden. Im politischen Bereich
bemühten sich die Herrscher einerseits um eine ideologische Fundierung ihrer
Herrschaft durch die Betonung der Kontinuität zum Imperium Romanum,
andererseits wurde mit der Entwicklung der Theorie vom Rex christianus eine
klare Abgrenzung gegenüber antiken Herrschaftsformen vorgenommen. Veränderte
Sichtweisen auf das Erbe der Antike waren enorm wichtig für die Entwicklung
der Reformbewegungen in karolingischer Zeit und im 12. Jahrhundert.

Am Übergang zur Frühen Neuzeit wurden dann die mittelalterlichen
Herangehensweisen an die antiken Traditionen nachhaltig in Frage gestellt.
Denn im Selbstverständnis der Frühhumanisten bildete gerade der intensive
und unvoreingenommene Rückgriff auf die vorchristliche Kultur ein zentrales
Unterscheidungsmerkmal der eigenen Epoche zu der des Mittelalters. War es
selbst um 1500 noch üblich, mit den Mitteln der Allegorie oder der
Allegorese antike Mythen dem christlichen Weltbild einzuverleiben oder aber
im Sinne der kirchlichen Doktrin "unschädlich" zu machen, konnten parallel
dazu solche Erzählungen nun auch in ihrer eigenen Form begriffen werden, wie
etwa die Ovid-Rezeption in Norditalien zu dieser Zeit belegt. In den
bildenden Künsten traten antike Formen und Inhalte immer mehr in den
Vordergrund, gerade auch im Bereich der sakralen Kunst, ohne dass dies aber
das Frömmigkeitsgefühl der Zeitgenossen verletzte.

Für die mediävistische Forschung stellte der aus moderner Perspektive häufig
ambivalent und widersprüchlich erscheinende Umgang des Mittelalters mit den
antiken Traditionen ein erhebliches Problem dar. Die ältere Forschung nahm
ausgehend von der Annahme einer ausgeprägten Zäsur am Beginn und am Ende des
Mittelalters dieses entweder als Epoche des Bruches und der Abgrenzung
gegenüber der heidnischen Vergangenheit oder aber im Gegenteil als Epoche
der epigonenhaften Tradierung sinnentleerter Symbolwelten wahr. Der
Frühhumanismus und Humanismus erschien im Rahmen dieser Betrachtungsweise
als radikaler Neubeginn gerade was den Umgang mit der antiken Vergangenheit
betraf. In der jüngeren Forschung wurde dieses Modell zu Gunsten einer
differenzierteren Sichtweise aufgegeben, die viel stärker die Eigenleistung
des Mittelalters bei der Tradierung, Integration und Nutzbarmachung antiker
Traditionen besonders im Rahmen der oben genannten Reformbewegungen in den
Vordergrund rückte. Dennoch besteht weiterhin erheblicher Klärungsbedarf
etwa in der Frage um das Nebeneinander rezeptionsfreundlicher und
rezeptionsfeindlicher Strömungen oder um die Existenz selbstverständlicher
und wertungsfreier Rezeptionsformen.

Im Doktorandenworkshop "Kontinuität und Konfrontation. Antike Traditionen in
Mittelalter und Früher Neuzeit" soll daher das Spektrum der Antikenrezeption
in Kunst und Literatur, Philosophie, Politik usw. des Mittelalters und der
Frühen Neuzeit in den Blick genommen, sollen unterschiedliche
Traditionslinien nachgezeichnet und auf ihre Wirkmächtigkeit hin untersucht
werden. Dabei sind sowohl theoretische Konzepte zum Umgang mit dem antiken
Erbe als auch praktische Formen der Übernahme zu thematisieren. Es sollen
solche Forschungsansätze im Mittelpunkt stehen, die einseitige Urteile über
die Fähigkeit und den Willen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen
Gesellschaft zur Integration nicht-christlicher Traditionen vermeiden und
stattdessen Vielfalt und Flexibilität verschiedener Formen der
Antikenrezeption in den Vordergrund stellen. Hierbei sind auch
Kontinuitätslinien und Brüche zwischen den Epochen von zentralem Interesse.

Der Workshop richtet sich an Doktoranden und stellt den wechselseitigen
Austausch von Ideen, d.h. die gemeinsame Diskussion in den Vordergrund. Aus
diesem Grund planen wir, allen Teilnehmern schon im Vorfeld der
Veranstaltung einen Reader zur Verfügung zu stellen, welcher ausführliche
Textfassungen der zu erwartenden Beiträge beinhaltet, um so eine gemeinsame
Diskussionsgrundlage zu schaffen. Im Rahmen des Workshops selbst werden
Kurzreferate von ca. 10-15 min. Dauer in das jeweilige Thema einführen, an
die sich eine längere Diskussion anschließen soll. Wir bitten alle
Interessierten, eine Kurzfassung ihrer Beiträge von max. einer Seite bis zum
31. Oktober 2007 einzusenden.

Kontakt:

Graduiertenkolleg "Gesellschaftliche Symbolik im Mittelalter"
Michael Seggewiß
Pferdegasse 3
48143 Münster

Tel.: +49 251 8328303
E-Mail: michael.seggewissgmx.de

Quellennachweis:
CFP: Antike Traditionen in MA & Neuzeit (Muenster, 23-25 Apr 08). In: ArtHist.net, 11.08.2007. Letzter Zugriff 15.03.2025. <https://arthist.net/archive/29514>.

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