Diskurs und Fragment im Spannungsfeld von Prä- und Postdramatik.
Performative Strategien zwischen Antike und Postmoderne
6.- 8. Juli 2007
Ort: Universität Bern, Hochschulstrasse 4, CH-3012 Bern
Veranstalter:
Prof. Dr. Gerald Siegmund (Institut für Theaterwissenschaft, Universität
Bern)
und Prof. Dr. Anton Bierl (Seminar für Klassische Philologie, Universität
Basel) im Rahmen des interdiziplinären Pro*Doc-Graduiertenprogrammes
"Intermediale Ästhetik. Spiel-Ritual-Performanz"
Mit der Frage nach dem Zusammenhang von Teil und Ganzem, von Fragment und
Totalität, sei das "Grundproblem jeder Ästhetik" angesprochen - so
formulierten es bereits Mitte der 1980er Jahre Lucien Dällenbach und
Christiaan L. Hart Nibbrig. Der französische Philosoph Jean-Luc Nancy fasst
das Fragmentarische jenseits seiner traditionellen Bestimmung noch weiter,
indem er zeigt, dass es jede Form der Kunst notwendigerweise mit dem
Fragmentarischen zu tun hat, insofern sie kulturelle Normen und Diskurse
zerteilt, unterbricht und verschiebt. Die in diesem Sinne performativen
Künste fügen in die scheinbar vertrauten Wahrnehmungsformen und Sinnwelten
ungewohnte Risse ein. Sie eröffnen Zwischenräume, in denen Verschiebungen
des Gehörten, Gesehenen und Gefühlten möglich werden. Und im Sich-Ereignen
solcher Intervalle scheint gleichzeitig dasjenige auf, was dominante
Diskurse verschweigen müssen, um sich zu etablieren.
Das Fragmentarische betont daher das Unabgeschlossene. Dies gilt für
postdramatische Theaterformen von René Pollesch bis Rimini Protokoll in
ihrem Verhältnis zu hegemonialen Diskursen und findet zugleich seine Spuren
in den so genannten prädramatischen Formen der antiken Tragödie. Deren
ästhetische Praxis suspendiert, wie u.a. H. Th. Lehmann gezeigt hat, den
geschlossenen Zusammenhang des Logos.
Fragmente sind aufgrund der Überlieferungslage gerade für die griechische
Antike charakteristisch, insbesondere im Bereich des Dramas und der Lyrik.
Das Fragmentarische im griechischen Theater und Gedicht ist jedoch weniger
strukturierende Geste als vielmehr nachträglicher und zufallsbedingter
Textbefund. Umgekehrt wird die ganz andere, zum Teil auch rituell-ikonische
Poietik des Prädramatischen in postmodernen Inszenierungen gern mit dem
Gebrochenen’ bühnenwirksam umgesetzt. Zudem können in der mit Pathos und
dionysischer Ekstase verbundenen attischen Tragödie wahnsinnige oder in
extremem Leid befindliche Figuren in der Tat in nahezu fragmentarischer
Weise sprechen.
Vor diesem Horizont wird die künstlerische Praxis zum Zeichen des
produktiven Einspruchs, der das im Diskurs Unsichtbare und Unerhörte stets
mitreflektiert und als Ort der kritischen Auseinandersetzung markiert. Kunst
wird zum Intermedium, zur medialen "Dazwischenkunft" (G.C. Tholen), welche
Fremderfahrung in der Selbsterfahrung freisetzt. Sowohl antike Texte als
auch zeitgenössische Theaterpraktiken sind in diesem Sinne performativ.
Die Tagung Diskurs und Fragment im Spannungsfeld von Prä- und Postdramatik.
Performative Strategien zwischen Antike und Postmoderne fragt nach den
intermedialen Strategien der Künste, nach der Rolle von Körper, Stimme(n)
und dem theatralen Einbezug von (Bild-) Medien.
Programm:
Freitag, 6. Juli 2007, Kuppelraum der Universität Bern
14.00-14.15 Uhr
Begrüssung und Einführung zur Thematik des ProDoc Intermediale Ästhetik.
Spiel-Ritual-Performanz
Prof. Dr. Georg Christoph Tholen (Basel)
Leading House des ProDoc-Graduiertenprogrammes
14.15-15.00 Uhr
Einleitung zur Tagungsthematik durch die Tagungsleiter
Prof.Dr. Gerald Siegmund (Bern) und Prof.Dr. Anton Bierl (Basel)
15.00-15.45 Uhr
Mensch werden: Inszenierungen des Heterogenen in Klaus Michael Grübers
Bakchen
Prof. Dr. Helga Finter (Giessen)
15.45-16.30 Uhr
Fragmentierung des Dionysos. Performative Strategien in modernen „Bakchen“
Inszenierungen
Prof. Dr. Massimo Fusillo (L'Aquila/Italien)
16.30-17.30 Uhr
Kaffeepause
17.30-18.30 Uhr
Lecture-Performance: Übersetzungen. Nietzsches Greatest Hits
Susanne Granzer & Arno Böhler (Wien)
Samstag, 7. Juli 2007, Raum A-126, Schanzeneckstrasse 1
09.00-09.45 Uhr
The fragmentary Muse and the Poetics of refraction in Offenbach, Sophocles,
and Sappho
Prof. Dr. Gregory Nagy (Harvard/USA)
09.45-10.30 Uhr
Sprache und Musik: Intermediaie Relationen
Prof. Dr. Ernest Hess-Lüttich (Bern)
10.30-11.00 Uhr
Kaffeepause
11.00-11.45 Uhr
Spartacus Lessing. Heiner Müllers Kommentar zum Ur-Sprung des deutschen
Nationaltheaters
PD Dr. Nikolaus Müller-Schöll (Bochum)
11.45-14.00 Uhr
Mittagspause
14.00-16.30 Uhr
Workshop mit den Doktorierenden des Pro*Doc-Graduiertenprogrammes
16.30-17.00 Uhr
Kaffeepause
17.00-18.30 Uhr
Vortrag/Künstlergespräch: Exzessives Fragmentieren: methoden der
theaterpraxis.
Von "fatzer fragment" von brecht zu "die perser" von aischylos
Claudia Bosse (Wien)
19.00 Uhr Offizielles Abendessen
Sonntag, 8. Juli 2007, Raum A-126, Schanzeneckstrasse 1
09.00-09.45 Uhr
Tragödie, Fragment und Theater
Dr. Patrick Primavesi (Frankfurt/M.)
09.45-10.30 Uhr
Erschütterungen zwischen Körper und Bild - Intermediale Strategien in
Inszenierungen der Big Art Group
Dr. Jens Roselt (Berlin)
10.30-11.00 Uhr
Kaffeepause
11.00-11.45 Uhr
Körper-Öffnungen: Vom Durchstossen der Oberfläche
Dr. Arno Böhler (Wien)
12.00-13.00 Uhr
Schlussdiskussion: Prof.Dr. Georg Christoph Tholen (Moderation), Prof.Dr.
Anton Bierl, Prof.Dr. Gerald Siegmund
Anmeldung nicht erforderlich, alle interessierte Gäste herzlich willkommen!
Kontakt:
Pro*Doc-Koordinationsstelle,
Susanna Parikka-Hug, M.Soc.Sc.
Universität Basel
Institut für Medienwissenschaft (i/f/m), Bernoullistrasse 28
CH-4056 Basel
0041-(0)61-267 0470
0041-(0)61-267 0890
prodoc-mewi@unibas.ch
URL: http://www.mewi.unibas.ch/prodoc
Reference:
CONF: Diskurs und Fragment (Bern, 6- 8 Jul 07). In: ArtHist.net, Jun 8, 2007 (accessed Mar 19, 2025), <https://arthist.net/archive/29364>.