Aspekte interkulturellen Zusammenlebens im Mittelmeerraum des
Spätmittelalters: Zeugnisse in Kunst, Architektur und Schriftgut
Internationaler Workshop
17.-18. November 2006
Uni Erlangen, Theologisches Seminargebäude, Kochstr. 6, 91054 Erlangen,
Hörsaal A (Raum 2.021) 2. Stock
Veranstaltet von:
Forschungsprojekt 'Die Kunstpraxis der Mendikanten als Abbild und Paradigma
interkultureller Transferbeziehungen in Zentraleuropa und im Kontaktgebiet
zu orthodoxem Christentum und Islam' (im DFG-SPP 1173 'Integration und
Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter')
Prof. Dr. Carola Jäggi, Dr. des. Margit Mersch,
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Klaus Krüger, Dr. des. Ulrike Ritzerfeld, Freie Universität Berlin
In jüngerer Zeit verstärkt sich in der Mittelalterforschung die Auffassung
von Europa als einem Begegnungsraum der drei monotheistischen Weltreligionen
mit einem multikulturellen Erscheinungsbild. Dies trifft zumindest auf
bestimmte europäische Regionen und insbesondere auf den Mittelmeerraum zu.
In Teilen Spaniens, Süditaliens, Griechenlands, der Levante und auf den
großen Mittelmeerinseln teilten über Jahrhunderte hinweg Gruppen mit
verschiedener Sprache und Religion dasselbe Territorium.
Im spätmittelalterlichen Andalusien etwa bestand eine relativ stabile, wenn
auch nicht unproblematische Koexistenz zwischen der herrschenden
muslimischen Kultur und den jüdischen und christlichen Minderheitenkulturen.
In Süditalien bewahrten zahlreiche griechischsprachige orthodoxe Christen
ihre kulturelle Identität unter lateinischer Vorherrschaft. Auch kleine
Gruppen von Muslimen konnten sich in Süditalien und Sizilien wie auf
Mallorca und Malta halten. Im östlichen Mittelmeer stellten koloniale
Machtsituationen die Rahmenbedingungen. Die französischen Fürsten und
Herzoge von Morea und Athen, die Venezianer als ihre Nachfolger im 14./15.
Jh. und bereits seit 1204 als Herren von Kreta, Korfu und Chalkis
(Negroponte), die Lusignans auf Zypern und die Genuesen in Galata/Pera
implementierten lateinische Kulturenklaven in die byzantinischen Welt.
Zugleich führten sowohl die zeitweiligen Eroberungen der Kreuzfahrer als
auch intensive Handelsnetze zu kulturellen Anleihen und Importen aus den
arabischen Kulturen, die insbesondere das Erscheinungsbild der Hafenstädte
des Mittelmeeres veränderten.
In all diesen Regionen bestimmten dynamische Prozesse von Integration und
Desintegration das kulturelle, soziale und politische Leben. Zwar gab es
immer wieder administrative oder gewaltsame Versuche, durch
(Zwangs-)Missionierung, Vertreibung oder Assimilierungsdruck die kulturelle
Diversität zu reduzieren. Doch konnten die über Generationen hinweg bi- oder
multikulturell geprägten lokalen Gesellschaften letztendlich nur mit einem
Mindestmaß an Toleranz beherrscht werden und in einigen Fällen, etwa in
Sizilien und Unteritalien, wurden bereits die zweite und dritte Generation
der fremden Eroberer zu einem genuinen Teil der kulturellen, religiösen und
sprachlichen Diversität ihrer Herrschaftsgebiete.
Es handelte sich nicht um Grenzregionen zwischen Kulturen, sondern um
Zentren interkultureller Kommunikation, in denen stetig Grenzen aufgebaut
und überschritten wurden, in denen Trennendes und Verbindendes entstand und
erodierte. Die Erforschung dieser spätmittelalterlichen mediterranen
hotspots religiöser und kultureller Diversität verspricht wichtige
Erkenntnisse über die Konstruktion von kulturellen und sozialen Identitäten
und über die integrativen und desintegrativen Prozesse in komplexen pluralen
Gesellschaften.
Der Workshop soll der Interaktion der lateinischen,
griechisch-byzantinischen und muslimischen Kulturen im Mittelmeerraum des
13. bis 15. Jahrhunderts gewidmet sein, wobei weniger die großen politischen
Konfrontationspunkte als vielmehr das langfristige, alltägliche Neben- und
Miteinander der Religionen und Kulturen im Blickpunkt stehen sollen. Im
Zentrum stehen die Zeugnisse der materiellen Kultur; insbesondere
interessieren uns die Spuren und Indizien gesuchter oder vermiedener,
gelungener oder misslungener interkultureller Kommunikation in der
Architektur und Kunst sowie Fragen nach dem Beitrag und der Rolle
spezifischer Personengruppen in interkulturellen Kontakten.
Alle Vorträge sind öffentlich. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Programm:
Freitag, 17. November 2006
14:00
Carola Jäggi (Erlangen) & Klaus Krüger (Berlin)
Begrüßung und Einführung
14:30 - 15:30
Anne Müller (Eichstätt)
Bettelmönche im Islam. Beobachtungen zu Normierung und Symbolisierung von
Missionsansprüchen in Text und Alltag der Mendikanten im 13. Jahrhundert
15:30 - 16:30
Vito Bianchi (Bari)
I musulmani nel sud Italia. Scontri, incontri, reciprocita
16:30 - 17:00 Pause
17:00 - 18:00
Dietrich Heißenbüttel (Stuttgart)
Nebeneinander oder Nacheinander? Indizien kultureller Differenz in den
mittelalterlichen Bau-, Bild- und Schriftdenkmalen Materas
18:00 - 19:00
Ulrike Ritzerfeld (Berlin) & Margit Mersch (Erlangen)
Kunstpraxis der Mendikanten im Kontaktbereich zu orthodoxem Christentum und
Islam - das Beispiel Apulien
Samstag, 18. November 2006
9:30 - 10:30
Stephan Westphalen (Göttingen)
Die Dominikanerkirche der Genuesen von Pera und ihre Ausmalung (Arap Camii)
10:30 - 11:30
Robert Ousterhout (Illinois)
Conspicuous Distinctiveness in Byzantium
11:30 - 14:00 Pause
14:00 - 15:00
Maria Georgopoulou (Athen)
Exotic commodities in 13th- and 14th-century Mediterranean
15:00 - 16:00
Karin Krause (Basel)
Venedig, Genua und die Reliquien aus dem Osten: Kommunale Selbstinszenierung
um 1300
16:00
Carola Jäggi (Erlangen) & Klaus Krüger (Berlin)
Abschlussworte
Kontakt:
Dr. des. Margit Mersch
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Christliche Archäologie und Kunstgeschichte
D-91054 Erlangen
Kochstrasse 6
margitmerschweb.de
Info zum Forschungsprojekt:
www.spp1173.uni-hd.de/projekte/mersch-ritzerfeld.html
Quellennachweis:
CONF: Aspekte interkult. Zusammenlebens (Erlangen, 17-18 Nov 06). In: ArtHist.net, 14.07.2006. Letzter Zugriff 30.12.2024. <https://arthist.net/archive/28422>.