CONF 12.12.2005

Szenen verteilter Handlungsmacht (Bonn, 15-16 Dec 05)

mladen gladic

Konferenz:
Unmengen. Szenen verteilter Handlungsmacht
Bonn - 15. bis 16.12.05

Ort:
Universitätsclub
Konviktstr. 9
53113 Bonn

Das kulturwissenschaftliche Forschungskolleg "Medien und kulturelle
Kommunikation" SFB/FK 427 veranstaltet am 15. und 16. 12. 05 in Kooperation
mit dem Universitätsclub Bonn e.V. die Konferenz "Unmengen. Szenen
verteilter Handlungsmacht".

Klassische Konzepte von Handlungsmacht basieren auf der Idee eines
intentionalen Subjektes, das sich in Abgrenzung von passiven Objekten
konstituiert. Handeln wird prämiert, Objekte aller Art - unbelebte wie
belebte, Werkzeuge oder Zeichenträger - werden als Mittel zu einem Zweck
aufgefasst. Mit der Kontrollgesellschaft und ihren Imperativen von
Initiative, Eigenverantwortung und Kreativität, hat dieses Muster jedoch
einen Kulminationspunkt erreicht, an dem gleichzeitig seine
Selbstwidersprüche offenkundig werden. Die Prämierung von Machbarkeit und
Erfolg bringt als ihre notwendige Kehrseite den Opferdiskurs hervor, in dem
das Begehren nach der Reinheit der Passivität einen Ausdruck findet. Der
Preis für die ethische Überlegenheit einer so verstandenen Passivität
besteht aber nicht zuletzt in der Negation von Interventionsmöglichkeiten.
Ein erster Schritt der Infragestellung dieser Verteilung konzentriert sich
darauf, Objekten und anderen Entitäten ebenfalls die Fähigkeit zur
Aktivität
zuzugestehen. Auf diese Weise können auch Medien zu Trägern von agency
werden. Über diese Emanzipation der Objekte hinaus eröffnet sich als
zweiter
Schritt eine Perspektive auf komplexere Verhältnisse der Verteilung von
Handlungsmacht, die sich nicht in die Dichotomie von aktiv/passiv zwingen
lassen und sich nicht an Zuschreibungen wie Subjekt/Objekt, Ich/Welt,
Mensch/Tier, Mensch/Ding, Intention/Werkzeug, belebt/unbelebt, Täter/Opfer,
Unterdrücker/Unterdrückter, Zentrum/Peripherie halten. Auf die
Unmöglichkeit, diese Positionen über situative, fluktuierende
Momentaufnahmen hinaus eindeutig zu beobachten, zu bestimmen, sie zu
beschreiben und demnach über sie verfügen zu können, verweist der Begriff
der Unmengen. Er dient als konzeptueller Ausgangspunkt dieser Konferenz,
indem er auf die Unzählbarkeit der Beteiligten und ihrer wechselnden
Konstellationen, Vernetzungen und Gemeinschaften verweist.
Unsere Aufmerksamkeit gilt zunächst der aktiv-passiven Widerständigkeit von
Medien und Mittlerfiguren: Der Ort dieser Mischwesen ist nicht der
sekundäre
eines bloßen ,Zwischen', das zugunsten von Anfang und Ende einer Handlung,
Intention und Finalität ausgeklammert oder vernachlässigt werden kann.
Medien und Mittler gehen nicht in einer vermeintlichen reinen
Instrumentenrolle oder Verweisfunktion auf, vielmehr kommt ihnen als
ereignishaften Dingen der Welt Handlungsmacht zu. Die Hinfälligkeit der
Identifizierung des Subjekts mit Aktivität und Macht zeigt sich
symptomatisch in der Figur des Wiedergängers. In der Frage nach den
Modalitäten der Gewaltenteilung soll schließlich der Begriff der
Handlungs-Macht selbst und die in diesem Kompositum angelegte Gleichsetzung
der Fähigkeit zum Handeln und der Ausübung von Macht problematisiert
werden.

Programm:

Donnerstag, 15.12.2005

09:30
Begrüßung: Ludwig Jäger (Aachen/Köln)
Einführung: Ilka Becker (Köln)

I. Sektion: Mischwesen

Moderation: Gisela Fehrmann (Köln)

10:00-11:00
Kerstin Schmitt (Berlin): Kill Kolkan. Vom Umgang mit dem Monströsen in der
Literatur des Mittelalters

11:30-12:30
Jutta Weber (Wien): Autonome Insekten, infantile Humanoide und
Klicker-Training für AIBOS. Zu Formen der 'Handlungsmacht' in neuerer
Robotik

12:30-13:30
Erika Linz (Bonn): "Sprecher-Hörer". Über das "Inter" der Interaktion

II. Sektion: Wiedergänger

Moderation: Felix Axster (Köln)

15:00-16:00
Karl-Heinz Kohl (Frankfurt/Main): Neotraditionalistische Bewegungen

16:00-17:00
Michael Cuntz (Köln): Mixed zone - wie man den Toten begegnet. Echenoz: Au
piano / Campillo: Les revenants

17:30-18:30
Astrid Kusser (Köln): Körper in Schieflage. Geschichten des Cake Walks in
Europa

Freitag, 16.12.2005

III. Sektion: Gewaltenteilung

Moderation: Markus Stauff (Köln)

10:00-11:00
Andrew Haas (New York): Metaphysik und Gewalt: On the Question of Infinity
in Lévinas and Derrida

11:00-12:00
Leander Scholz (Köln): Die Ökologie der Sonne: Georges Bataille

14:00-15:00
Robert Pfaller (Wien): SEI GANZ DU SELBST! UND TUE NUR DAS, WAS DU SELBST
GANZ RICHTIG FINDEST! Die narzißtischen Imperative aktueller
Handlungsohnmacht

15:00-16:00
Vassilis Tsianos (Frankfurt/Main)/ Serhat Karakayali (Berlin): Postliberale
Souveränität und das Unwahrnehmbar- Werden der Migration

Closing remarks:

16:30-17:30
Thomas Elsaesser (Amsterdam): Contingency and Agency in Contemporary Media
Theory

17:30
Abschlussdiskussion

Quellennachweis:
CONF: Szenen verteilter Handlungsmacht (Bonn, 15-16 Dec 05). In: ArtHist.net, 12.12.2005. Letzter Zugriff 28.04.2024. <https://arthist.net/archive/27802>.

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