Europas um 1800
Symposium
Europa Arkadien - Jakob Philipp Hackert und die Imagination Europas um 1800
13. Oktober bis 16. Oktober 2005
Veranstltungsort: Gut Boldevitz, Rügen
Im Juli 1762 erreichte der junge Jakob Philipp Hackert Stralsund. Er fand
Aufnahme im Haus des schwedisch-pommerschen Regierungsrates Adolf Friedrich
von Olthoff. Dieser verschaffte dem Gast aus Berlin nicht nur Gelegenheit
zu vielfältigen Naturstudien, sondern erwies sich auch als förderlicher
Mäzen. In seinem Stralsunder Palais gestaltete Hackert den Festsaal, indem
er illusionistische Scheinarchitektur mit Durchblicken auf sächsische
Landschaften schuf, die bereits hier seine besondere Fähigkeit zur
Landschaftsvedute mit idealer, an Claude Lorrain gemahnender spielerischer
Überhöhung erkennen lässt. Auf Olthoffs Landgut Boldevitz in Rügen konnte
Hackert diese Fertigkeit nun ganz "nach der Natur" verfeinern. Auch hier
gestaltete er den Festsaal aus und schuf grossformatige Ideallandschaften,
durchzogen von Ruinenmotiven, aber auch realistische Rügensichten bis hin
zur berühmten ersten Ansicht der Kreidefelsen des Stubbenkammer.
Der Rügenaufenthalt der Jahre 1763-1765 veranlasste Hackert auch zu einer
Serie äusserst komplexer Radierungen, die der Insellandschaft nicht nur
ihre realen und idealen Reize abgewinnt, sondern auch Hackerts Kunst der
"Kehrtwendung der Blickrichtung " (Krönig) festigte. Insgesamt erscheinen
somit die Jahre in Rügen entscheidende Anstösse für den späteren Meister
der realistischen Ideallandschaft geliefert zu haben - Anstösse, die auch
Fragen nach den ästhetischen, kulturellen und sozialen Mustern und
Diskursen aufwerfen. "Hackert auf Rügen" verweist auch darauf, dass nicht
allein Winckelmann im scheinbar unvermeidbaren "grossen" Rom den
klassizistischen Gestus prägte, sondern jenseits der Weltläufigkeit der
Höfe auch die ländlich-aristokratische und bürgerliche Sphäre zu
kultureller sowie ästhetischer Investition und Entwicklung fähig war. Ja,
es war gerade die kulturelle Disposition dieser Sphäre, die Hackert zu der
ihm eigentümlichen Verbindung idealer und realer malerischer Motivik
veranlasste. Dass Goethe mit seinen beiden "klassizistischen" Biographien
über Winckelmann und Hackert sehr bewusst der Metamorphose der bürgerlichen
ästhetischen Disposition - durch den Katalysator der grossen Höfe - in eine
globaleuropäische Auffassung der Verbindung des Naturschönen mit dem
Kunstschönen nachging, schärft wohlmöglich den Blick für die Problemlage:
der Aufenthalt des bald europaweit agierenden und gefeierten Hackert auf
Rügen stellt die Frage nach den Anfängen und Bedingungen des europäischen
Klassizismus.
Programm:
Donnerstag, 13. Oktober 2005
18.00 Lüder von Wersebe - Begrüssung
18.15 Evelyn Adler (Dresden)
Die Konservierung und Restaurierung
des Tapetensaales von J. P. Hackert im Gutshaus
Boldevitz auf Rügen
Freitag, 14. Oktober 2005
9.15 Einführung
9.30 Bernd Lindemann (Berlin)
Von Veronese zu Bergl und Böcklin:
Landschaften in neuzeitlichen Raumdekorationen
10.15 Andreas Beyer (Basel)
Clisson - Der arkadische Traum jenseits der Académie
11.00 Kaffeepause
11.30 Hubertus Gassner (Essen)
Ein russisches Arkadien - J. P. Hackert und der
Schlosspark von Pawlowsk
12.15 Martin Warnke (Hamburg)
Die Struktur von Goethes Hackert-Biographie
13.00 - 15.00 Mittagspause
15.00 Friedmar Apel (Bielefeld)
"...wo Kosegarten wohnt." Das empfindsame und das romantische Rügen
15.45 Michele Cometa (Palermo)
Hackert und Sizilien
16.30 Kaffeepause
17.00 Achatz von Müller (Basel)
Die Idee Europa um 1800
Samstag, 15. Oktober 2005
9.30 Gregor Vogt-Spira und
Bettina Rommel (Greifswald)
Visuelle Topographie des alten Europa: Hackert und Horaz
10.15 Ursula Sjøberg (Stockholm)
Hackert in Sweden
11.00 Kaffeepause
11.30 Anna Giannetti (Neapel)
Tra "amoenitas" e "naturalness".
J. P. Hackert e il paesaggio napoletano
12.15 Dimitri Ozerkov (St. Petersburg)
Der Hof Katarinas II. als Auftraggeber J. P. Hackerts
13.00 - 15.00 Mittagspause
15.00 Hermann Mildenberger (Weimar)
Jagdgemälde im Spätabsolutismus
15.45 Wolfgang Kehn (Kiel)
Die schöne Landschaft als Lebensform zwischen Arkadien und Elysium.
Zur Theorie und Praxis des frühen Landschaftsgartens in Deutschland
16.30 Kaffeepause
17.00 Schlussdiskussion
Sonntag, 16. Oktober 2005
11.00 Festvortrag
Werner Busch (Berlin)
Rügenmythos. Veduten von Hackert bis Friedrich
Veranstalter:
Andreas Beyer (Basel)
Lucas Burkart (Basel)
Achatz von Müller (Basel)
In Zusammenarbeit mit Gregor Vogt-Spira (Greifswald)
Kontakt: hackert-histsemunibas.ch
Anmeldungen sind nicht erforderlich
eine Teilnahmegebühr wird nicht erhoben
Reference:
CONF: Hackert - Imagination Europas um 1800 (Ruegen 13-16 Oct 05). In: ArtHist.net, Sep 9, 2005 (accessed Mar 28, 2025), <https://arthist.net/archive/27541>.