CONF 26.02.2003

Inkarnat. Hautdarstellung 14.-20. Jahrhundert (Berlin, 25.-26.4.03)

Mechthild Fend

25.-26.4.03)
Date: 2/26/03

Inkarnat:
Theoretische und praktische Probleme der Hautdarstellung vom 14. bis
zum 20. Jahrhundert

25./26. April 2003
Goethe-Universitaet Frankfurt, Casino des Poelzig-Baus

Tagung des Graduiertenkollegs
Psychische Energien bildender Kunst
Leitung Dr. Daniela Bohde (Kunstgeschichtliches Institut der
Goethe-Universitaet, Frankfurt) und Dr. Mechthild Fend
(Max-Planck-Institut fuer Wissenschaftsgeschichte, Berlin)

Der Begriff "Inkarnat" gehoert der klassischen kunstgeschichtlichen
Terminologie an, hat aber lange Zeit weder inhaltliche noch
methodische Fragen aufgeworfen. Erst in den letzten drei bis fuenf
Jahren hat das Inkarnat neue Aufmerksamkeit erfahren, nicht zuletzt
durch die Ansaetze zu einer Kulturgeschichtsschreibung der Haut. So
wird das Inkarnat als Traeger von Affekten untersucht, seine
theologischen Implikationen werden nachgewiesen und es wird in
kunsttheoretische wie mediengeschichtliche Problemstellungen
eingebunden.
Denn der so einfach wirkende Begriff ist vielschichtig und
widerspruechlich. In der Kunsttheorie wie der
Kunstgeschichtsschreibung bezeichnet er in der Regel die Hautfarbe.
Doch verweist er dem Wortsinn nach auf das Fleisch (carne) und wurde
im 14. Jahrhundert mit der christlichen Inkarnation enggefuehrt. Die
Darstellung des Fleisches wird damit nicht nur zu einem Paradigma
kuenstlerischen Schaffens erhoben, sondern dem Mysterium der
Fleischwerdung des Wortes angeglichen. Mit dem Begriff "Inkarnat"
wird zudem auf die repraesentierte Substanz (Fleisch) angespielt,
ohne die eigentlich dargestellte Oberflaeche (Haut) zu erwaehnen.
Doch auch der Begriff Farbe ist auf eigentuemliche Weise abwesend.
Denn Inkarnat meint ja nicht das Fleisch selbst, sondern das mittels
der Farbe dargestellte Fleisch oder genauer die gemalte Haut. Der Akt
der Repraesentation wird also verschleiert und als ein metaphysischer
Prozess der Fleischwerdung hingestellt. Auf der anderen Seite ist das
Inkarnat im Laufe der Malereigeschichte haeufig zu einem Ort
geworden, an dem durch den sichtbaren Farbauftrag sowohl der mediale
Charakter des Bildes wie die individuelle Handschrift des Kuenstlers
zum Ausdruck kommen koennen.
Das Verhaeltnis des Kuenstlers zu der von ihm bearbeiteten
Farbmaterie wirft ausserdem Fragen nach dem gendering dieser
Konstellation auf. Gilt doch die Farbe in der Kunstliteratur seit der
Renaissance als das sinnliche, weiblich kodierte Element der Malerei
gegenueber der geistigen, maennlich kodierten Linie. In welche
geschlechtliche Position geraten die "Fleischmaler", die die Farbe
beherrschen, aber gleichwohl auf der materiellen Seite der Kunst
verortet werden? Darueber hinaus ist der Inkarnatston eines der
gaengigen Mittel fuer die Differenzierung weiblicher und maennlicher
Koerper in der Malerei. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die
Hautfarbe als privilegierter Signifikant kultureller oder rassischer
Differenz und zugleich als besonderes maltechnisches Problem.
Diese sozialen wie medialen Implikationen des Inkarnatsbegriffs sowie
die maltechnischen Aspekte der Haut- und Fleischgestaltung und ihre
historischen Bedingungen werden im Zentrum der Tagung stehen.

Programm

Freitag, 25. April 2003

15:00 Begruessung: Alessandro Nova (Sprecher des Graduiertenkollegs)
Einfuehrung: Mechthild Fend und Daniela Bohde (MPI fuer
Wissenschaftsgeschichte, Berlin und Universitaet Frankfurt)
15:30 Ann-Sophie Lehmann (Universitaet Utrecht)
Jan van Eyck und die Entdeckung der Hautfarbe
16:30 Daniela Bohde (Universitaet Frankfurt)
Le tinte delle carni: Zur Begrifflichkeit fuer Haut und Fleisch
in italienischen Kunsttraktaten des 15.-17. Jahrhunderts
17:30 Pause
18:00 Marianne Koos (Universitaet Basel)
Inkarnat(ion) bei Caravaggio
19:00 Wein & Brezeln

Samstag, 26. April 2003

9: 00 Kaffee
9:30 Katja Wolf (Universitaet Trier)
Und ihre siegreichen Reize steigert im Kontrast der Mohr.
Weisse Damen mit schwarzen Pagen in der Bildnismalerei
10:30 Mechthild Fend (MPI fuer Wissenschaftsgeschichte, Berlin)
Die Substanz der Oberflaeche: Repraesentationen von Haut
in franzoesischen
Malereitraktaten des 18. und 19. Jahrhunderts
11:30 Pause
12:00 Annik Pietsch (Max-Planck-Institut fuer
Wissenschaftsgeschichte, Berlin)
Der "glanzlose Seelenduft" der Fleischfarbe:
Schlesingers Hegel-Portraet
13:00 Mittagspause
14:30 Mechthild Haas (Hessisches Landesmuseum Darmstadt)
Fleischbeschau:
Zur Materialitaet der Farbe in der franzoesischen
Malerei nach 1945
15:30 Christiane Kruse (Universitaet Konstanz)
Tote und kuenstliche Haut:
Die Maske des Stars zwischen Kunst und Massenmedien
16:30 Abschlussdiskussion

Tagungsort:
Universitaet Frankfurt, Campus Westend, Casino, R. 1.801, Grueneburgplatz Nr. 1
Siehe Lageplan: http://www.uni-frankfurt.de/westendplan.html
U-Bahnhaltestelle Holzhausenstrasse (U 1, U2, U3)
Bushaltestelle: Simon-Bolivar-Anlage bzw. Oberlindau (Linie 36 u. 75)

Naehere Informationen bei:
Graduiertenkolleg Psychische Energien bildender Kunst
am Kunsthistorischen Institut der Johann Wolfgang Goethe-Universitaet Frankfurt
Hausener Weg 120, 60489 Frankfurt am Main
grakokunst.uni-frankfurt.de

Kontakt:
Mechthild Fend
Max-Planck-Institut fuer Wissenschaftsgeschichte
Wilhelmstrasse 44
10117 Berlin
Tel: 030-22667 - 173
Fax: 030-22667 - 299

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Quellennachweis:
CONF: Inkarnat. Hautdarstellung 14.-20. Jahrhundert (Berlin, 25.-26.4.03). In: ArtHist.net, 26.02.2003. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/archive/25492>.

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