ANN 07.11.2001

Neue multimediale Kunstvermittlung im Wallraf-Richartz-Museum

Katja Kwastek

NEUE MULTIMEDIALE KUNSTVERMITTLUNG IM WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM

Im Neubau des Koelner Wallraf-Richartz-Museums – Fondation Corboud
laeuft seit einigen Wochen eine neuartige Form der computergestuetzten
Informationsvermittlung.

An ca. 25 Sitzgelegenheiten mit eingebauten Bildschirmen kann der Benutzer
direkt vor den Werken Informationen abrufen. Durch das Einstecken eines
ausleihbaren Kopfhoerers aktiviert
er die Bildschirmoberflaeche, auf der er zwischen drei bis fuenf im
jeweiligen Raum haengenden Werken und verschiedenen Informationstiefen
waehlen kann. Je nach Wahl erhaelt er kurzweilige Einfuehrungen („kurz
und buendig“), tiefergehende Erlaeuterungen („Werkerlaeuterung“) oder
Hintergrundinformationen („nachgefragt“) als gesprochenen Text,
begleitet und illustriert durch Vergleichsabbildungen, Rekonstruktionen
und (sparsam eingesetzte) Animationen auf dem Bildschirm. Die
Vorabauswahl der Informationstiefe und die Moeglichkeit des Stoppens und
Zurueckspringens waehrend der Anwendung bietet dem Nutzer
groesstmoegliche Freiheit, waehrend der meist lineare Ablauf und der
gezielte Einsatz der multimedialen Moeglichkeiten zusammen mit der
Beschraenkung der Navigation auf vier Tasten einer Ueberforderung und
damit einer Ablenkung vom Inhalt vorbeugt.

Die Programmierung in HTML und die Bereitstellung der Seiten auf einem
zentralen Server sowie die schon im Bau vorgesehene Moeglichkeit, die
Informationsbaenke an jeder Stelle des Hauses aufzustellen, sorgt fuer
groesstmoegliche Flexibilitaet des auf Erweiterung angelegten
Besucher-Informationssystems.

Die Integration des Systems in die Ausstellungsraeume verhindert, dass
der Besucher viel Zeit in separaten Medienraeumen verbringt, bevor oder
nachdem er sich den Ausstellungsstuecken widmet: Antworten werden dort
gegeben, wo die Fragen entstehen. Gleichzeitig wird der Gegensatz
zwischen Original und digitaler Reproduktion deutlich gemacht. Die
Vorrangstellung des Originals war Ausgangspunkt der Konzeption: Wenn
moeglich werden Informationen akustisch vermittelt, das besprochene Werk
ist auf dem Screen nur in Graustufen zu sehen und der Nutzer wird
aufgefordert, sich dem Original zuzuwenden, um dem „Bildschirmsog“
entgegenzuwirken. Wenn der Bildschirm als Informationsquelle in Aktion
tritt, um Vergleichsabbildungen oder andere Illustrationen zu zeigen,
wird der Nutzer wiederum eigens darauf hingewiesen. Diese zunaechst
vielleicht uebertrieben paedagogisch anmutende Massnahme wurde wie die
Navigationsfunktionen und der inhaltliche und zeitliche Umfang der
Anwendungen in umfangreichen Testlaeufen entwickelt und eingefordert.

Das auf den durchschnittlichen Besucherstrom einer staendigen Sammlung
zugeschnittene System erlaubt es den Besuchern, sich in Eigenregie mit
wichtigen Werken der Sammlung zu befassen und in konzentrierter
Atmosphaere vor den Originalen interessante wie unterhaltsame
Informationen (z. Zt. insgesamt 15 Stunden Hoerzeit in 176 „Portionen“)
zu den Werken, ihren Kuenstlern und kulturhistorischen Hintergruenden
abzurufen.

Quellennachweis:
ANN: Neue multimediale Kunstvermittlung im Wallraf-Richartz-Museum. In: ArtHist.net, 07.11.2001. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/archive/24736>.

^