Q Mar 28, 2001

Re: Q: Currency Values

Martin

“I am trying to determine what 200,000 German Marks in 1906 would
mean in today's money (American Dollars or Deutsch Marks). I have
often run into this question, albeit with different currencies and
different periods, and know of no authoritative source to consult for
a reliable conversion.”

Adrian Sudhalter

Sehr geehrter Herr Sudhalter,

Sie fragten nach einem Umrechnungskurs für Deutsche Mark zu Beginn
des 20. Jahrhunderts. Nach Auskunft unseres Stadtmuseums wird ueber
diese Frage in der Forschung bereits seit mehreren Jahrzehnten
diskutiert.

Dadurch, dass sich das Lohn- und Preisgefuege, die Geldentwertung,
der sogenannte "Warenkorb", die Arbeitszeiten und viele andere
externe Faktoren voellig veraendert haben, ist ein Vergleich zwischen
damaligen und heutigen Geldwerten ueberaus schwierig, um nicht zu
sagen so gut wie unmoeglich. Ein, noch immer mit aeusserster Vorsicht
anzufertigender Vergleich, ist allenfalls angebracht, wenn man obige
Tatsachen, die erheblichen regionalen Unterschiede im Konsum
verschiedener Waren in damaliger Zeit sowie die sehr
unterschiedlichen Erhebungskriterien der damaligen und heutigen
Statistik beruecksichtigt.

In der Fachliteratur fand diese Frage wohl am staerksten in den
"Vierteljahresheften fuer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte"
Beruecksichtigung. Das von Eckart Schremmer herausgegebene VSWG-
Beiheft 106 (Stuttgart 1993) widmet sich beispielsweise der Frage
"Geld und Waehrung in der Neuzeit vom 16. Jahrhundert bis zur
Gegenwart"; bei dem von Franz Lerner in der VSWG 39 (1952) verfassten
Aufsatz "Neue Beitraege zur Geschichte der Preise und Loehne in
Deutschland, Holland und Italien" wird m. E. diese Frage auch
beruecksichtigt. Aber vielleicht schauen Sie selbst noch einmal auf
den Uni-Server in Erlangen - dort existiert das beste
Inhaltsverzeichnis geschichtswissenschaftlicher Zeitschriften in
deutscher Sprache (inkl. der Rezensionen).

Meines Wissens gab es naemlich einmal ein grosses Projekt (mit daraus
entstandener entsprechender Fachliteratur) zum Thema Preis- und
Lohnentwicklung im internationalen Langzeitvergleich. Fuer einen
ersten Ueberblick ist auch immer der "Wirtschafts-Ploetz"
empfehlenswert - dort sind auch Vergleiche zwischen Brutto- und
Reallohnentwicklung und Verweise auf wichtige Literatur enthalten.

Bekannt sind dem Stadtmuseum einige zeitgenoessische Untersuchungen
aus Dresden ueber die Entwicklung von Arbeitsloehnen sowie Preisen
der wichtigsten Lebensmittel:

Im 16. Heft der Mitteilungen des Statistischen Amtes der Stadt
Dresden (Dresden 1907) sind die Ergebnisse der Untersuchung "Die
Dresdner Kleinverkaufspreise der wichtigsten Lebensmittel in den
letzten Jahren und der Einfluss der eingetretenen Preisaenderungen
auf das Ausgabebudget einer Arbeiterfamilie" abgedruckt.

Im Bericht der Handelskammer Dresden ueber das Jahr 1910, III. Teil
(Statistik), Dresden 1911, ist die Entwicklung von "ortsueblichen
Tageloehnen" (die erheblich niedriger als die tatsaechlich gezahlten
Loehne waren) und die Entwicklung der Preise der wichtigsten
Lebensmittel zwischen 1901 und 1910 vorhanden. Beide Aufsaetze
beinhalten auch einen laengeren Text mit den Analyseergebnissen. In
den Vierteljahresheften zur Statistik des Deutschen Reichs, hg. vom
Kaiserl. Stat. Amt, 21 (1912), Berlin 1912, Teil IV, S. 5, ist ein
Vergleich ausgewaehlter Preise in verschiedenen deutschen Staedten
zwischen 1902 und 1911 enthalten.

Hier nur einmal die wichtigsten Zahlen aus den obigen Quellen fuer
1906: 1 kg Brot kostete 26,5 Pfennig, 500 g Rinderbauchfleisch 70
Pfennig, 500 Schweinebauchfleisch 80,5 Pfennig, ..., 10 dz Kartoffeln
58,3 Pfennig, 100 g Butter 27,3 Pfennig, 6 Eier 46,7 Pfennig. Die
Jahreseinkommen (nicht repraesentativ ausgewaehlter) Haushalte
bewegten sich (fuer 1903) zwischen 959 Mark (Betonarbeiter, 3 Kinder)
und 2.097 Mark (Staatsbahnwaechter, 2 Kinder), die Haushaltskosten
zwischen 1.966 (Kupferschmiedegehilfe, 5 Kinder, 2 ueber 14 Jahre)
und 908 Mark (Fabrikarbeiter, 3 Kinder). Davon entfiel knapp die
Haelfte (405 Mark - Betonarbeiter / 1.087 Mark - Staatsbahnwaechter)
auf Lebensmittel. Zum Vergleich: das jaehrliche Anfangsgehalt des
Oberbuergermeisters Beutler betrug 1897 etwa 18.000 Mark (spaeter
noch weit hoeher). Wenn ich diese Zahlen nenne, so muss etwa auch die
Veraenderung des Preisgefueges im ersten Jahrzehnt des 20. Jh. durch
die aussergewoehnliche Entwicklung der Industrie, die Wirkungen von
Zolltarifvertrag oder Reichsfinanzreform beruecksichtigt werden.

Es ist also kaum moeglich, die von Ihnen genannte Summe halbwegs real
mit heutigen Preisen zu vergleichen - auf jeden Fall handelte es sich
um eine aussergewoehnlich hohe Summe. Sinn macht ein solcher
Vergleich eigentlich nur, wenn man den Zweck der Summe kennt und dies
mit anderen Massnahmen in jener Zeit oder vielleicht auch (mit
Abstrichen) vergleichbaren Massnahmen in heutiger Zeit in Beziehung
setzt.

Es ist also ein Faktor zwischen 1:10 und 1:20 zu waehlen.

Mit freundlichen Gruessen,

Martin B. Chidiac

Kulturamt Dresden
P.O. Box 12 00 20
01001 Dresden
Germany

Reference:
Q: Re: Q: Currency Values. In: ArtHist.net, Mar 28, 2001 (accessed Mar 28, 2024), <https://arthist.net/archive/24391>.

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