Call for Papers
Kinematographische Objekte (II): Ding und Operation
Internationale Tagung des Junior-Fellow-Programms ‚Theorie und
Geschichte kinematographischer Objekte,’ 11.-13. Juli 2012,
Internationales Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie
Bauhaus-Universität Weimar.
In den letzten Jahren haben die Kulturwissenschaften, angeregt unter
anderem durch Einsätze der Wissenschaftsforschung, der
Sozialwissenschaften und der Ethnologie, die Dinge neu für sich
entdeckt. Offen ist dabei geblieben, welchen Beitrag das Kino zum
Denken der Dinge und Objekte leistet: Was machen die Dinge im und mit
dem Kino? Und was stellt das Kino – und daran anschließend die Film-
und Medientheorie – mit den existierenden Objekt- und Dingkonzepten an?
Filme sind Versammlungsorte der unterschiedlichsten Gegenstände:
Koffer, Revolver, Autos, Duschvorhänge, Knochen, die sich im
Sekundenbruchteil in Raumschiffe verwandeln und vieles mehr. Insofern
diese Dinge im Kino auf eigentümliche Weise erscheinen, können sie
kinematographische Objekte genannt werden. Die Komplexität des
Kinematographischen Objekts liegt darin begründet, dass an seiner
Konstitution stets mehrere, ineinander verschränkte Objekttypen
beteiligt sind: (1) die Dinge im Film, (2) das Filmbild als seinerseits
objekthafter materialer Träger und (3) die apparative und operative
Verschaltung technischer Objekte wie Kamera, Mikrophon, Film,
Projektor.
Kinematographische Objekte, so die Ausgangsüberlegung der Tagung,
zeichnen sich durch spezifische Verhältnisse zwischen Ding und
Operation aus. Durch technisch-mediale Verfahren werden aus eigens
hergestellten Requisiten ebenso wie aus zufällig vor das Objektiv
geratenen Artefakten die Dinge des Films. Gleichzeitig aber
konstituieren und konfigurieren sich diese Dinge als Objekte mit
spezifisch kinematographischen Qualitäten erst in den dem Kino eigenen
Bild- und Zeitoperationen. Nirgendwo sonst bewegen sie sich, verwandeln
ihre Form, tauchen auf und verschwinden sie wie in Zooms, Fahrten,
Schwenks, Schnitten und Montagen. Nirgendwo sonst vergrößern und
vereinzeln sie sich auf diese Weise in Großaufnahmen, verkleinern und
gruppieren sich zu Ensembles in halbnahen Einstellungen, bilden
Szenerien und Landschaften in den Totalen. Ebenso prägen die Dinge in
der filmischen Diegese und Narration besondere Arten des Agierens aus,
wenn sie Blicke ausrichten, Handlungen veranlassen, Charaktere
auszeichnen und zwischen Protagonisten zirkulieren. Und nicht zuletzt
scheint das Kino Routen vorzuzeichnen, entlang derer kinematographische
Objekte ein-, aus- und weiterwandern, als Artefakte zu
Erinnerungsstücken Filmophiler oder zu Exponaten in Filmmuseen werden,
als ikonische Gesten, die sich um Revolver, Sonnenbrillen und Autos
versammeln, als Bildmotive in der Kunst, als Archiv-Objekte oder
Fetisch-Bilder.
Im Anschluss an den Workshop „Kinematographische Objekte“ stellt die
Tagung „Kinematographische Objekte (II): Ding und Operation“ solche
kinematographischen Verhältnisse zwischen Ding und Operation in den
Mittelpunkt. Sie versucht, die Spezifik von Film und Kino näher zu
bestimmen, indem einerseits – film- und medienwissenschaftlich – nach
kinematographischen Operationen der Objektkonstitution sowie nach der
Operativität von Objekten, Dingen oder Sachen im Film, und andererseits
– interdisziplinär – nach den Transformationen, Bewegungen und
Grenzüberschreitungen der Dinge zwischen dem Kino und anderen Feldern
und Disziplinen wie Alltag, Kunst, Wissenschaft oder Politik gefragt
wird.
Mögliche Fragestellungen sind dabei:
Was haben historische Dingkonzepte der Filmtheorie und insbesondere des
Stummfilms (Balazs, Epstein, Vertov) heute zur Frage des
Kinematographischen Objekts beizutragen? In welcher Nähe oder Ferne
operiert das Kinematographische Objekt zu zeitgenössischen Entwürfen
wie z.B. Hans-Jörg Rheinbergers „epistemischem Ding“, Bruno Latours
non-human actors oder Michel Serres’ Quasi-Objekt?
Welcher ontologische und epistemische Status kennzeichnet die Dinge
(Requisiten, „props“, Sets, etc.) im profilmischen Raum? Wie sind sie
wissenschaftlich verhandelbar? Welche Zugriffe kann es auf diese Dinge
geben (Produktionsnotizen, Gerüchte, Fotografien, Making-Of, etc.) und
wie ist er geregelt (Filmmuseen, Privatsammlungen)?
Wie sind die Auswirkungen von digitaler Bilderzeugung und -zirkulation
auf die materiale Beschaffenheit des Kinematographischen Objekts zu
beschreiben?
Welche Übergänge bestimmter Objekt-Operations-Relationen und ihrer
Konzeptualisierungen aus anderen Feldern in das Kino lassen sich
nachzeichnen? Aus der Landschaftsmalerei in den Western? Von Donald
Judds minimalistischen „specific objects“ zum Monolithen in Stanley
Kubricks 2001?
Was lässt sich anhand der Dinge aussagen über die Differenz zu anderen
Medienpraktiken und Kunstformen? Was unterscheidet Requisiten (im
Theater) von „props“ (im Kino)?
Ist Kino möglicherweise besonders geeignet, die hybriden Objekte, die
von Wissenschaftsforschern wie Donna Haraway (die Cyborg, die technisch
und natürlich, zerlegtes und zusammengesetztes Selbst ist)
problematisiert werden, zu verhandeln?
Formales:
Erbeten sind Vorträge mit einer Länge von maximal 30 bis 45 Minuten.
Konferenzsprachen sind Englisch und Deutsch, Vorträge können in beiden
Sprachen gehalten werden. Bei deutschsprachigen Beiträgen wird um ein
Exposé in englischer Sprache gebeten. Angebote für Beiträge zur Tagung
können bis zum 15. Januar 2012 per e-mail an
volker.pantenburguni-weimar.de gesendet werden. Für ein blind
review-Verfahren sind zwei Dokumente im PDF-Format einzureichen: eine
Zusammenfassung des Vortragsvorhabens von maximal einer Seite Länge
ohne weitere Angaben; ein zweites Dokument mit Namen, Anschrift und
(falls vorhanden) Institutszugehörigkeit. Fragen können jederzeit an
die Organisator_innen gerichtet werden.
Konzeption und Organisation: Junior Fellow-Programm „Theorie und
Geschichte kinematographischer Objekte“ am Internationalen Kolleg für
Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie, IKKM Weimar, eine
Einrichtung an der Bauhaus- Universität Weimar, gefördert durch das
Bundesministerium für Forschung und Bildung sowie den Freistaat
Thüringen.
www.ikkm-weimar.de
www.facebook.com/ikkm.weimar
Quellennachweis:
CFP: Kinematographische Objekte II (Weimar, 11-13 Jul 12). In: ArtHist.net, 05.12.2011. Letzter Zugriff 16.07.2025. <https://arthist.net/archive/2369>.