CFP May 17, 2020

Kooperation, Kollaboration, Kokreation (Essen, 23 Oct 20)

Kulturwissenschaftliches Institut, Essen, Oct 23, 2020
Deadline: Jun 30, 2020

Ines Barner

Kooperation, Kollaboration, Kokreation: unsichtbare Autorschaften und pluralisierte Werke

Veranstalterinnen: Dr. des. Ines Barner (KWI Essen), Dr. Anja Schürmann (KWI Essen), Dr. Kathrin Yacavone (Universität zu Köln)

Kooperation und Arbeitsteilung. Das sind Hauptcharakteristika der Kunstwelt in Howard S. Beckers „Art Worlds“. Ohne „support personnel“, ohne Agenten und Lektoren, ohne Assistierende verschiedenster Art, aber auch ohne Rezipierende sind kulturelle Produkte nicht möglich, so die Kunstsoziologie. Dieses Zusammenspiel kann man begrifflich unterschiedlich fassen, Kooperation, Kokreation und Kollaboration sind nur drei Termini, die ergänzt werden können, etwa durch Kollektivhandeln, Konnektivität oder Partizipation. Auf unterschiedliche Weise hinterfragen diese Begriffe traditionelle Vorstellungen von Produktion und Rezeption. Ziel dieses Publikationsprojektes ist es, die genannten Termini in den verschiedenen Künsten und Disziplinen analytisch fruchtbar zu machen und auf ihr komparatives Potential hin zu überprüfen.
In der industriellen Filmproduktion, wie auch in den performativen Künsten, ist etwa die Produktionsszene per se eine geteilte, in welcher der gemeinsame, funktional differenzierte Arbeitsprozess und die kreativen Eigenanteile verschiedener Mitwirkender nicht nur das Endprodukt formen, sondern die Akteure auch namentlich – wenn auch hierarchisiert – für das Ergebnis verantwortlich zeichnen. Andernorts sind demgegenüber singularisierende Zuschreibungspraktiken an der Tagesordnung. Zu fragen ist, warum sich – der jahrzehntelangen Rede vom Tod des Autors zum Trotz – der „Mythos des einsamen Genies“ (Jack Stillinger) etwa in der Literatur oder den bildenden Künsten noch immer halten kann? Wie kommt es in historischer Perspektive zu diesen Singularisierungsstrategien und Werkherrschaftsvorstellungen – und welche rechtlichen, (kultur)ökonomischen und ästhetisch-poetologischen Implikationen gehen mit der engen Kopplung von individualisierter Autorschaft und Werk einher? Braucht es bspw. in der Fotografie die Autorenposition, um das Medium kunstfähig werden zu lassen, zeitigen die Akteursverschiebungen und kollaborativen Aspekte, die derzeit u.a. von Ariella Azoulay betont werden, auch Effekte hinsichtlich des „Kunststadiums“ der Fotografie. Möglicherweise kann die Frage nach der Gleichung 1 Autor/in = 1 Werk auch im Kunstkontext anders gestellt werden.
Denn verteilte und unsichtbare Autorschaft stellt ein Problem für einige Konventionen der Kunstwelt dar: Die Singularisierung des Autors machte es möglich, Authentizität und Individualität als Eigenwerte zu behaupten, eine verantwortliche Rechtsperson und einen intentionalen Akteur zu identifizieren. Gleichzeitig basieren auktoriale Positionen, so Julika Griem im Hinblick auf die geistes- und kulturwissenschaftliche Praxis, immer auch auf „anonymer Zulieferung und hierarchisch verdeckter Koproduktion.“

Im Rahmen des interdisziplinären Publikationsvorhabens fragen wir danach, (1) welche Netzwerke im Hintergrund kultureller Produktion aktiv sind, (2) welches Wissen und Können auf den kollaborativen Hinterbühnen auktorialen Schaffens auf welche Weise produziert wird und (3) welche Implikationen dieser geteilten Praxis wiederum für die entstehenden Werke, für die Bücher, Fotografien, Malereien, Filme, musikalischen Arbeiten und Theaterstücke beobachtet werden können. Unsere Ausschreibung richtet sich an die Fachdisziplinen der Literatur- und Kunstwissenschaft, der Film- und Musikwissenschaft sowie der performativen Künste, um komplementär zu den kunstsoziologischen und netzwerkorientierten Fragestellungen das ästhetische und analytische Potential der genannten Kategorien epochenübergreifend in den Blick zu nehmen. Als genuin interdisziplinär gedachtes Projekt fokussiert das Publikationsvorhaben vor allem auf die disziplinären Spezifika geteilter Praktiken und strebt neben einer terminologischen Differenzierung auch eine komparative Ebene an, auf der danach gefragt wird, welche Kategorien sich eignen könnten, geteilte Autorschaften zu verallgemeinern und zu vergleichen.

Passend zum Thema des Publikationsprojekts ist es unser Ziel, den Band in enger Abstimmung mit den Beitragenden zu erstellen. Geplant ist ein theoretischer Teil sowie daran anschließende Fallstudien aus den verschiedenen Disziplinen. Die Zusammenarbeit soll im Rahmen zweier (virtueller) Workshops mit den Beitragenden erfolgen, um zunächst einerseits die theoretische Differenzierung der Begriffe als gemeinsame Grundlage zu erarbeiten und in einem zweiten Schritt die Fallstudien vorzustellen und zu diskutieren.

Beitragsideen mit einer ersten theoretischen Verortung können in Abstracts von max. 400 Wörtern, ergänzt um kurze biografische Angaben und gegebenenfalls ausgewählte Veröffentlichungen (max. eine Seite) bis zum 30. Juni 2020 per Mail an folgende Adressen eingesendet werden: ines.barnerkwi-nrw.de, anja.schuermannkwi-nrw.de, kathrin.yacavoneuni-koeln.de. Im Juli erhalten Sie eine Rückmeldung.

Zur weiteren Planung: Eingeladene Referent*innen werden gebeten, eine theoretische Skizze von ca. 2 Seiten zum 16. Oktober 2020 einzureichen, die die Verortung und Abgrenzung von Begriffen der geteilten Autorschaft in ihrem Fachbereich reflektiert. Diese im Vorfeld den Teilnehmenden zur Verfügung gestellten Überlegungen werden am 23. Oktober in einem eintägigen Theorieworkshop in Impulsvorträgen von ca. 10 Minuten vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Ein zweiter Workshop zur Diskussion der Fallstudien ist Anfang 2021 geplant. Beide Workshops werden, sofern es die aktuelle Situation erlaubt, am Kulturwissenschaftlichen Institut, Essen stattfinden (alternativ wird auf eine virtuelle Platform ausgewichen).
Die Publikation der Beiträge in einem renommierten Verlag oder einer Zeitschrift wird vorbereitet.

Reference:
CFP: Kooperation, Kollaboration, Kokreation (Essen, 23 Oct 20). In: ArtHist.net, May 17, 2020 (accessed Mar 28, 2024), <https://arthist.net/archive/23113>.

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