CFP 14.05.2020

Figurationen von Gender im zeitgen. Architekturdiskurs (Munich, 18-20 Nov 20)

München, TUM, 18.–20.11.2020
Eingabeschluss : 26.06.2020

Doris Hallama, Innsbruck

Figurationen von Gender im zeitgenössischen Architekturdiskurs

7. FORUM ARCHITEKTURWISSENSCHAFT

Das 7. Forum Architekturwissenschaft fragt nach dem gegenwärtigen Stand der Geschlechterforschung in unserer Disziplin und ihrer Verankerung in Forschung, Lehre und Praxis. Jüngst erleben Feminismus und Gender Studies ein Wiederaufleben sowie eine Neuausrichtung. Zwar gelten Gender- und Diversitätspolitik aufgrund ihrer rechtlichen und institutionellen Stellung in Unternehmen und an Hochschulen gemeinhin als etabliert. Empirische Studien zu Bildungs- und Karrierechancen sowie zur anhaltenden Lohnungleichheit belegen jedoch zugleich die schleppenden Fortschritte beim Abbau von Geschlechterunterschieden. Nicht zuletzt ist die Geschlechterforschung zunehmend Angriffen aus dem konservativen Lager und der Neuen Rechten ausgesetzt, welche auf ihre wissenschaftliche und gesellschaftliche Delegitimierung einerseits abzielen und andererseits erworbene Rechte und das Umdenken in Bezug auf Geschlecht und Sexualität in Frage zu stellen suchen.

Für die Architektur mag ein solch ernüchternder Zustandsbefund noch stärker gelten als für andere Wissensgebiete. Ist die Geschlechterforschung vielerorts zu einem festen Bestandteil der Wissensproduktion geworden, so führt sie hier noch immer ein Schattendasein. Zudem halten sich Vorstellungen von einer Neutralität des Gebauten, ein gleichsam normatives Verständnis selbstbezogener Disziplinarität sowie primär männlich ausgerichtete Meister-Erzählungen besonders hartnäckig. Die Architekturforschung bezüglich Fragen von Körper, Geschlecht und Sexualität ist seit dem Aufkommen erster frauenspezifischer Untersuchungen der gebauten Umwelt vor etwa einem halben Jahrhundert zwar beträchtlich angewachsen und differenziert. Allerdings kann von einer Ankunft dieses Wissens im generellen Selbstverständnis der Architektur bislang keine Rede sein. Gleichzeitig ist der deutschprachige Diskurs zu Gender, wie in anderen Bereichen der Kulturwissenschaften, allgemein weniger stark ausgeprägt als im angelsächsischen und angloamerikanischen Raum. Denkansätze an den Schnittstellen von Gender-, Critical Race- und Disability-Studies stellen aktuell Fragen bspw. zu Intersektionalität und stehen nicht zuletzt im Kontext zeitgenössischer aktivistischer Debatten; genannt seien #MeToo, die Frauenstreikbewegung, die Krise der Sorgearbeit sowie die Rechte von Women* of Color und von behinderten, queeren, trans*-, inter*- und nichtbinärgeschlechtlichen Menschen. Uns interessiert die Resonanz dieser Diskussionsfelder in der Architektur.

Das Forum erstrebt eine Positionsbestimmung von aktuellen Ansätzen der Genderforschung in der Architekturwissenschaft und möchte zu einer stärkeren Vernetzung von Forschenden – und somit der Stärkung der architekturbezogenen Geschlechterforschung – im deutschsprachigen Raum dienen. Außerdem soll das aus den Vorträgen gewonnene Wissen über gemeinsame Diskussionen zwischen verschiedenen Feldern (Geschichte – Praxis – Vermittlung) in Handlungsempfehlungen und Strategien für Ausbildung, Profession und Vermittlung von Architektur übersetzt werden.

Für die inhaltliche Ausgestaltung suchen wir Beiträge zu folgenden drei Sektionen:

I. Historiographie – andere Erzählungen

Vor dem Hintergrund von Geschlechterdifferenz und -normen richtet dieser thematische Block in erster Linie methodische Fragen an die Geschichtsschreibung der Architektur und des architektonischen Entwerfens. Beiträge zu dieser Sektion sollen nicht schlechthin auf die blinden Flecken der architekturhistorischen Forschung in Bezug auf Geschlecht verweisen, sondern ebenso reflektieren, weshalb bestimmte Diskurse, Akteure und Handlungsfelder innerhalb der etablierten historiographischen Modelle und narrativen Strategien vernachlässigt wurden. Gleichzeitig gilt es, zukunftsweisende Ansätze vorzustellen, durch die sich Erzählungen erweitern oder neu fassen lassen. Wie lassen sich darauf basierend Modernismuskonzepte entwickeln, die nicht allein auf instrumentelle Vernunft abzielen? Durch welche Methoden kann der Fixierung auf Einzelgenie und Werk begegnet und stattdessen dem komplexen Arbeitsfeld von Architekt*innen mit seinen zahlreichen Beteiligten Rechnung getragen werden – lassen sich Kollektiv- vor Einzelleistungen adäquat repräsentieren und würdigen? Neben Fallstudien zu weithin bekannten Figuren und bereits gut dokumentierten weiblichen Tätigkeitsfeldern sollen vor allem Forschungsdesiderate und neue Fragestellungen verhandelt werden. Beispielsweise, inwieweit geschlechtsbezogene Ungleichheiten den Diskurs um Technologien in der Architektur bestimm(t)en? Oder wie sich etwa Queer Studies und Stadtgeografie auf die Architekturgeschichtsschreibung auswirken?

II. Körper- und Geschlechtlichkeiten in Technik- und Planungsdiskursen

Ausgehend von dem Verständnis von Architektur als einer Disziplin, die nicht nur Lebenwirklichkeiten gestaltet, sondern auch menschliche Körper formt, fragt diese Sektion danach, auf welche Weise sowohl gedachte Körperbilder als auch gelebte Körperlichkeiten durch die Produktion und Nutzung sowie durch die Zuschreibung und Aneignung von Räumen konstituiert werden. In der Planung spielen beispielsweise geschlechterkodierte Normen und Standards genauso eine Rolle wie Vorgaben durch CAD-Programme. Auch welche Bildsprache in Entwurf, Planung und Vermittlung zum Einsatz kommt, ist von Interesse. Welche Vorstellungen des Körpers werden sowohl durch die gestalterische Praxis als auch Architekturtheorie geprägt und wie wird der architektonische Körper im Verhältnis zur Umwelt und Technologie konzipiert und kontrolliert? Wie wirken im Gegenzug aber auch sich wandelnde Körperkonzepte und -techniken auf die Konzeption von Räumen (einschliesslich deren Umgestaltung) oder auch Entwurfsmethoden (bspw. im Sinne ihrer Erweiterung) zurück?

III. ‘Raum an der Spitze?’ – Institutionsanalysen und -politiken

Die dritte Sektion fokussiert im Anschluss an die vorangestellten Fragen das Verhältnis zwischen der Geschlechterforschung in der Architektur und ihrer als dringend notwendig erachteten systematischen Verankerung in der Profession. Welche Rolle spielen die verschiedenen Institutionen (der Bildung, des Berufsstandes sowie der Vermittlung von Baukultur), wenn es darum geht, Machtstrukturen und Mechanismen des Ausschlusses zu hinterfragen und neue, auf Chancengleichheit, Diversität und Inklusion basierende Handlungsweisen zu etablieren? Vor dem Hintergrund der noch immer eklatant niedrigen Repräsentation von Frauen (und einer generell nur geringen sozialen und kulturellen Diversität) auf allen Ebenen unserer Disziplin – in den Curricula wie in den Chefetagen – haben sich sowohl in den Architekturschulen als auch den Berufsverbänden weltweit zahlreiche Gruppen gebildet, deren politisches Ziel es ist, die institutionellen Rahmenbedingungen für Chancengleichheit herzustellen. Gesucht werden Beiträge, die sich Arbeitsmodellen annähern, die auf Diversität ausgerichtet sind und in denen Praxis, Lehre und Forschung korrelieren. Neben oben genannten Themenfeldern gilt es auch die Präsentationskultur in der Architektur zu hinterfragen und aktionsorientierte Strategien zu erörtern, mit denen Gendergerechtigkeit, Diversität und Inklusion erreicht werden können.

Die Tagung richtet sich an Wissenschaftler*innen aus der Architektur und den benachbarten Disziplinen, praktizierende Architekt*innen sowie Personen, die in der Vermittlung, der kuratorischen Praxis oder auch auf der Ebene der Verbände tätig sind.

Bitte senden Sie ihr Abstract (max. 400 Wörter) für Vorträge (max. 20 Minuten) sowie einen kurzen Lebenslauf bis zum 26.06.2020 an die folgende E-Mail Adresse: forum2020architekturwissenschaft.net

Die Auswahl der Beiträge erfolgt bis zum 15.07.2020. Wir bitten um die Zusendung eines vorläufigen Manuskripts bis zum 12.10.2020, das im Kreis der Beitragenden vorab zirkuliert wird.

Im Anschluss an die Tagung ist eine Publikation (open access und print on-demand) in der Reihe des Forum Architekturwissenschaft zum Thema geplant.

Das Forum Architekturwissenschaft ist eine Veranstaltung des Netzwerks Architekturwissenschaft e.V. (www.architekturwissenschaft.net). Als Plattform des wissenschaftlichen Austauschs und der Vernetzung greift es in regelmäßigem Turnus relevante Themen der Architekturwissenschaft auf. Dabei möchte es die Reflexion über Architektur über Disziplingrenzen hinweg anstoßen und unterschiedliche Forschungspraktiken und -methoden in einen Dialog bringen.

Hinweis:
Wir hoffen derzeit, dass die Tagung im November an der TUM in München stattfinden kann. Sollten die Entwicklungen das in keiner Form zulassen, ist ein Alternativtermin im April 2021 vorgesehen.

Veranstalter:
Netzwerk Architekturwissenschaft e.V. in Kooperation mit der Technischen Universität München

Organisation:
Doris Hallama (TUM), Torsten Lange (TUM), Nathalie Bredella (UdK, Berlin)

Quellennachweis:
CFP: Figurationen von Gender im zeitgen. Architekturdiskurs (Munich, 18-20 Nov 20). In: ArtHist.net, 14.05.2020. Letzter Zugriff 18.04.2024. <https://arthist.net/archive/23097>.

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