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Kunsthistorisches Institut in Florenz - Max-Planck-Institut
PLATZ-ARCHITEKTUREN.
KONTINUITÄT UND WANDEL ÖFFENTLICHER STADTRÄUME VOM 19. JAHRHUNDERT BIS IN DIE GEGENWART
Tagung
Florenz, 21. - 23. Juni 2012
CALL FOR PAPERS
Bewerbungsfrist: 7. Januar 2012
Die kunsthistorische Stadt- und Platzforschung ist mit Camillo Sitte, August Schmarsow und Albert Erich Brinckmann ein Resultat der heraufdämmernden Moderne, deren Untersuchungsgegenstand die historischen Platzanlagen bildeten. Das Projekt "Piazza e Monumento" am Kunsthistorischen Institut in Florenz - Max-Planck-Institut hat bislang in seinen Forschungen immer wieder vereinzelt auch auf Fragestellungen zum Platz- und Stadtraum im 19. und 20. Jahrhundert Bezug genommen. Nun soll im Rahmen einer Tagung die Gelegenheit genutzt werden, den Fragen nach Kontinuität und Wandel, neuen Parametern der Avantgarde und der Permanenz von tradierten Städtebaumustern sowie wirkungsmächtigen "Raum-Bildern" der "europäischen Stadt" seit dem späten 19. Jahrhundert nachzugehen. Der Betrachtungshorizont soll dabei bis ins 21. Jahrhundert hinein ausgedehnt werden, so dass sich die Chance bietet, auch aktuelle Tendenzen der Globalisierung und Kommerzialisierung von Architektur und öffentlichem Raum zu diskutieren. Angesprochen wird zum einen der Umgang mit Platzräumen, die formal und funktional Ergebnis einer 'longue durée' von Veränderungen und Überformungen sind, zum anderen aber auch die Neuanlage von Plätzen, deren scheinbare Zeitschichten ihrer Genese nach vielmehr als ein Werk "aus einem Guss" verstanden werden müssen und die gewissermaßen als Objekt in bestehende städtebauliche Zusammenhänge implantiert werden. Hier soll unter anderem nach dem gewandelten Verhältnis von Innen und Außen bei Platzensembles und öffentlichen Raumstrukturen in Shopping Malls, Gated Communities und virtuellen Öffentlichkeitsutopien gefragt werden. Darüber hinaus erweist sich der Platz gerade auch aus einer globalen Perspektive noch immer als der zentrale Ort eines 'struggle for democracy' und als Raum der gesellschaftlichen Selbstvergewisserung, in dem Denkmalsetzungen, Bilderstürze und andere soziale und politische Aktivitäten praktiziert werden.
Die kritische Analyse der einschneidenden städtebaulichen Umwälzungsprozesse des ausgehenden 19. Jahrhunderts spiegelt sich prominent in Camillo Sittes vielzitierter Schrift 'Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen' (1889); ein Buch, an dessen Rezeption sich beispielhaft die Auseinandersetzung der Moderne mit der Tradition ablesen lässt. Einflußreich blieb Sittes Schrift etwa für die Vertreter der "konservativen Moderne" und der Postmoderne. Le Corbusier diffamierte schließlich Sittes 'Städtebau' als "krummen Eselsweg". Jedoch bediente sich auch die Moderne selbst vieler Rückgriffe auf die Architekturgeschichte, bei denen nicht immer die "italienische Piazza" oder andere europäische Modelle als Sehnsuchtsbild im Vordergrund standen, die aber bei aller formalen Eigenständigkeit eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit offenbaren. Das dokumentieren auf einer politischen Ebene sowohl totalitäre Regime als auch demokratische Gesellschaften. Rein formal zeigt ein differenzierter Blick auf Gestalt und Formung von Stadtplätzen des 20. Jahrhunderts einen scheinbar widersprüchlichen Befund divergierender Entwicklungen: Traditionelle Raumgestaltungen, die jahrhundertelang erprobte Muster städtebaulicher Gliederung durch Achse, Blockrand und Parzellengrenze, Straßenraum und Platzwand weiterführen, stehen offenen Raumstrukturen gegenüber, die ein freies Wechselspiel solitärer Baukörper in einer Stadtlandschaft etablieren und die in Relation zu neuen Formen der Bewegung (Verkehr) stehen. Diese beiden strukturellen Extrembeispiele aus den fließenden Räumen der Stadtlandschaft einerseits, mit ihren Volumen, die "Raum ausströmen" (Sigfried Giedion) und die Architekturen gleichsam zu "Monumenten" werden lassen, und der tradierten hierarchischen Stadtstruktur andererseits bilden die Pole, zwischen denen sich die Vielfalt der "Raumbilder" im 20. Jahrhundert bewegt.
Der beträchtliche Entwicklungsschub, ausgelöst durch einen ökonomischen, sozialen und politischen Veränderungsdruck, dem die Städte des späten 19. Jahrhunderts unterworfen waren, sowie die umfassenden Erweiterungen und Überformungen der Stadtkörper im Zuge der Nationenbildung stehen genau wie die massiven Zerstörungen und die Wiederaufbauleistungen nach den beiden Weltkriegen, die mit ganz unterschiedlichen Zielstellungen und Leitbildern durchgeführt wurden, fast beispiellos in der Architekturgeschichte da. Schrumpfende Städte, die "Megacity" und die Hybris spekulativer Großprojekte lassen heute nach den aktuellen Parametern in Bezug auf Stadt und sozialen Raum, politisch-gesellschaftliche Repräsentation und nach dem Verhältnis von Privat und Öffentlich fragen.
An diese tiefgreifenden Umwälzungen, die auch das Wechselverhältnis von Platz, Denkmal und Kunst im öffentlichen Raum umfassen, knüpft die Tagung mit ihren Fragestellungen an:
1) Wie gestaltete sich der grundsätzliche Funktions- und Bedeutungswandel des Platzes, und welchen Anteil hatten daran, auch ex negativo, Bilder der vieldiskutierten "europäischen Stadt"?
2) Welche Typologien und "Raumbilder" werden mit welchen konkreten politischen Implikationen in diesem Zusammenhang aufgerufen und in welcher Weise findet ein Umgang mit Geschichte statt, sei es als Geschichte des Ortes oder der Repräsentation übergeordneter Zusammenhänge?
3) Inwieweit spielte die Interpretierbarkeit und Formung der eigenen Tradition bei Platzumbauten und Neuanlagen eine Rolle?
4) Welche Inhalte werden schließlich mit diesen Interventionen im Stadtraum impliziert, wie werden besonders auch politische Inhalte in unterschiedlichen Kontexten formuliert und an den öffentlichen Raum rückgebunden?
Die Tagung richtet sich an Kunsthistoriker sowie benachbarte Disziplinen, die sich mit Fragestellungen zu Stadt, Architektur, Geschichte und Raumwahrnehmung auseinandersetzen.
Die Vorträge sollten eine Dauer von 25 Minuten nicht überschreiten und sind in deutscher, italienischer, englischer und französischer Sprache möglich. Bitte senden Sie Ihr Abstract mit einer Länge von maximal 2.800 Zeichen und einen kurzen Lebenslauf möglichst via E-Mail bis zum 7. Januar 2012 an:
piazzakhi.fi.it
oder per Post an:
Kunsthistorisches Institut in Florenz - Max-Planck-Institut
Forschergruppe "Piazza e monumento"
Direktion Nova
Via Giuseppe Giusti 44
I-50121 Firenze
Italia
Weitere Informationen
http://www.khi.fi.it/forschung/projekte/projekte/projekt28/index.html
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Kunsthistorisches Institut in Florenz - Max-Planck-Institut
THE ARCHITECTURE OF PUBLIC SQUARES.
CONTINUITY AND CHANGE IN URBAN SPACES FROM THE 19TH CENTURY TO THE PRESENT
Conference
Florence, 21 - 23 June 2012
CALL FOR PAPERS
Deadline for applications: 7 January 2012
The foundations for art-historical research into public spaces were laid at the dawn of Modernity with the works on historical squares by Camillo Sitte, August Schmarsow and Albert Erich Brinckmann. Over recent years, the "Piazza e Monumento" project based at the Kunsthistorisches Institut in Florenz - Max-Planck-Institut has intermittently also dealt with aspects of public squares and urban spaces in the nineteenth and twentieth centuries. These are now to be further explored within the framework of a conference that will address questions of continuity and change, of new parameters set by the avant-garde and the permanence of traditional patterns of urban development, as well as the influential "spatial concepts" of the "European city" since the late nineteenth century. The period under consideration will stretch into the twentyfirst century, to encourage the discussion of contemporary trends relating to the globalisation and commercialisation of architecture and public space. Papers may address ways of handling existing spaces, whose form and function are the result of a 'longue durée' of modifications and remodelling, but also the planning of new, homogenous spaces that can be implemented anywhere within the city. What changes can be observed in the relationship between interior and exterior in squares and public spaces within shopping malls, gated communities and virtual public utopias? Particularly considered in global contexts, public squares have demonstrated that they continue to play a central role in struggles for democracy and as spaces devoted to self-assertion - be it through the erection or destruction of monuments or through the performance of other social and political activities. Critical analysis of decisive changes in urban planning at the end of the nineteenth century are famously reflected in Camillo Sitte’s much quoted "City planning according to artistic principles" of 1889 - a book whose fortuna is a perfect illustration of how Modernism contested tradition. Sitte's writings remained influential amongst exponents both of the more conservative strands of Modernism and of Postmodernism. Le Corbusier eventually disparaged Sitte's "urban planning" as a "curved donkey path". Yet Modernism itself made references to architectural history; and while nostalgic conceptions of the Italian piazza or other European models were rarely of prime concern, a sophisticated handling of the past is evident in Modernist works in spite of their stylistic originality. On a political level, this is documented both within totalitarian regimes and democratic societies. Careful examination of the design and building of urban spaces in the twentieth century produces seemingly contradictory results of diverging formal developments: traditional blueprints that continue centuries old patterns of urban structuring through axes, perimeter blocks and parallel borders, street space and surrounding walls are contrasted with open spatial structures that establish an unrestricted interplay between solitary structures within a cityscape and which are connected to new forms of movement or traffic. These are examples from extreme opposites of the structural spectrum: from a fluid urban landscape on the one hand, with its volumes that "affect space" (Sigfried Giedion) seemingly turning architecture into monument, and to traditional, hierarchical city structures on the other hand. They form the poles between which diverse spatial concepts are located in the twentieth century.
The considerable surge in developments triggered by economic, social and political pressures for change that cities were exposed to in the late nineteenth century is almost unparalleled in architectural history, as are the comprehensive expansion and remodelling of cities in the wake of the birth of nations, or the widespread destruction as a result of both World Wars and the ensuing reconstruction efforts - each according to widely differing intents and concepts. Shrinking cities, megacities and the hubris of speculative large-scale projects raise questions regarding current parameters of urban and social space, of political and societal representation and the relationship between private and public sphere.
1) How did fundamental changes in function and meaning of the public square come about and what role (also in a negative sense) did images of the much-discussed "European city" play in these developments?
2) Which typologies and spatial concepts are called upon and what are the concrete political implications of these choices? To what extent is there an engagement with history, be it the history of the location itself or through the representation of greater contexts?
3) What role do interpretability and the forming of new traditions play in the restructuring or construction of public spaces?
4) What is implied by these interventions into urban spaces? In particular, how are political contents formulated in different contexts and how are they translated into public spaces?
The conference is directed at art historian and scholars from related disciplines working on questions regarding architecture, history, cities, and spatial perceptions.
The lectures should not exceed twenty-five minutes and can be held in German, English, Italian or French. Please submit your proposal of max. 2.800 keystrokes along with a brief CV by January 7th 2012 to
piazzakhi.fi.it
or by post to:
Kunsthistorisches Institut in Florenz - Max-Planck-Institut
Forschergruppe "Piazza e monumento"
Direktion Nova
Via Giuseppe Giusti 44
I-50121 Firenze
Italia
Further information
http://www.khi.fi.it/en/forschung/projekte/projekte/projekt28/index.html
Quellennachweis:
CFP: Platz-Architekturen (Firenze, 21-23 Jun 12). In: ArtHist.net, 12.11.2011. Letzter Zugriff 27.12.2024. <https://arthist.net/archive/2244>.