CFP 10.07.2019

Kulturwissenschaftliche Zeitschrift: Invective Gaze im digitalen Bild

Dresden
Eingabeschluss : 31.10.2019

Elisabeth Heyne

Die Digitalisierung hat unser Verhältnis zum Blick intensiviert und zugleich wesentlich verschoben. Der digitale Blick zirkuliert zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen internationaler Politik, Terrorismus, Konsumverhalten und Körpersprache, global, alters-, klassen-, geschlechterübergreifend, gleichwohl je spezifisch und mit ungeahntem invektiven Potenzial. Was diese neuen Blicke für eine neue Form der Subjektivität bedeuten, kann die Psychoanalyse, die in ihrer Lacan’schen Prägung letztlich nur die visuelle Ökonomie des Kapitalismus „ausdrückt“, längst nicht mehr beantworten. Es bedarf eines integrativen Ansatzes, der digitale Medienkultur, Kultur- und Medienwissenschaften mit Fragen einer global orientierten Ökonomie, Soziologie etc. verschränkt und in eine historische Perspektive stellt, um den Sachverhalt in seiner Komplexität zu erfassen.

Das geplante Themenheft lotet die Konstellation aus, in der sich ein spezifisch herabsetzender, entblößender Blick innerhalb der gegenwärtigen medientechnischen Zusammenhänge herausbilden konnte: Der invective gaze. Dieser bietet aufgrund der digitalen Bilderflut und ihrer Angewiesenheit auf permanente Anerkennung sowie aufgrund der besonderen Verteilung von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der beteiligten Akteur_innen neue Potenziale der Herabwürdigung, Beschämung, Kontrolle. Indem dieser Blick vermehrt auf die Lust am Schauen, Glotzen, Starren setzt, erzeugt er Voyeur_innen und verhilft dem digitalen Blicken als politischer, sozialer und ökonomischer Praktik – die es freilich immer schon war – zu neuer Macht. Das Themenheft fragt daher: Welche Genealogien gehen einer kapitalistisch infizierten digitalen Bilderlogik voraus? D.h. wie verhalten sich z.B. Schaulust und Spektakel der Weimarer Republik zu jener neuen Lust am Schauen? Lässt sich erstmals in Echtzeit im Digitalen die Herausbildung neuer Bild-Genres beobachten? Welche Rolle spielen Aufmerksamkeitsregime bei der Selektion und Variation dieser Genres? Was verraten sie über digitale Communities bzw. sogenannte Digital Tribes (Roberts, Seemann)? Wie konstituieren Blasen und Autoplay einen überindividuellen Gaffer-Blick? Und wie entscheidend ist die medientechnische Seite des digitalen Bildes, seine (Im-)Materialität auf Basis eines textbasierten Codes, dessen Eigenart in der rasanten und unbegrenzten Vervielfältigung, Teilung, Speicherung und (textuellen wie bildlichen) Kommentierung besteht?

Entsprechend unseres übergreifenden Ansatzes legen wir den analytischen Schwerpunkt auf drei Themenfelder, die im invective gaze immer auch zusammenfallen können:

- Invektive Bildökonomien: Kommerzialisierung und digitale Demütigung
- Invective Gaze als Kriegsbildermaschine (Bilderkrieg, Bildterror, Bildpolitik)
- Digitale Bildkörper und Affekte der Scham, Beschämung, Beleidigung

Das vollständige Konzeptpapier des Themenhefts finden Sie unter https://tu-dresden.de/gsw/sfb1285/veranstaltungen/news

Proposals für mögliche Beiträge

Gesucht wird nach Proposals im Umfang von 600 bis max. 900 Wörter bis zum 31. Oktober 2019 an elisabeth.heynetu-dresden.de und tanja.prokictu-dresden.de. Die Auswahl soll bis Ende November erfolgen. Nach Zusage bitten wir um Einreichung der fertigen Beiträge bis zum 30. April 2020. Am 25./26. Juni 2020 ist an der TU Dresden ein gemeinsamer, für alle Beitragende verpflichtender Workshop zum gegenseitigen Review angedacht. (Anreise- und Übernachtungskosten werden vom SFB 1285 Invektivität übernommen).
Das geplante Themenheft der Kulturwissenschaftlichen Zeitschrift, hg. v. Elisabeth Heyne und Tanja Prokić, wird als Open-Access Publikation (Antrag aktuell in wohlwollender Prüfung) zugänglich gemacht und nach Relaunch der Seite (September 2019) dort in digitalem Format mit Einbindungsmöglichkeiten von Foto- und Videoausschnitten veröffentlicht. Das Gesamtheft wird im Herbst 2020 publiziert.

Quellennachweis:
CFP: Kulturwissenschaftliche Zeitschrift: Invective Gaze im digitalen Bild. In: ArtHist.net, 10.07.2019. Letzter Zugriff 19.04.2024. <https://arthist.net/archive/21292>.

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