Translocations. Historical Enquiries into the Displacement of Cultural Assets
(deutsche Version im Anschluss)
Discussions about historical appropriation practices for cultural assets, in the context of their associated relocation, are highly topical and widely reflected across different academic disciplines. Not only those seizures and sales of objects and collections are considered problematic which were forced by violence or under dictatorial government structures, as in times of war or under the National Socialist regime. For Germany, the delayed establishment of post-colonial approaches in academic cultural and historical research during the 1980s also brought into focus the colonial era's displacement of cultural assets under conditions of asymmetric power relations. Widespread public criticism has since been directed towards the exhibition of artefacts with unclear provenance, amongst other issues. Who owns such cultural assets with a provenance in the so-called Global South, which were traded internationally and came to be part of western private collections and museums? Who has the right to interpret them? What could amicable solutions look like about dealing with them, independently of restitutions?
Increasingly, such questions concern those who work in the art market, museums, politics and the media, experts from diverse disciplines such as ethnology, archaeology, and law, as well as artists and writers. Yet the translocations as such rarely come into focus – with the people involved, the related traumas, discourses, gestures, techniques and representations. The project cluster translocations – Historical Enquiries into the Displacement of Cultural Assets at Technische Universität Berlin is dedicated to the systematic analysis of this barely recognised, let alone fully researched, field. Led by Bénédicte Savoy, it was established in autumn 2017.
The subject of translocations are large-scale displacements of cultural assets since antiquity. The focus is on state-organised art theft and looting in times of war and occupation, confiscations of cultural assets during the colonial era, for example in the course of partitioning excavations or during research expeditions, as well as the diaspora of material cultures as accelerated by the art trade, and finally, confiscations, nationalisations or en masse sales of private property for ideological reasons.
Independently of their legality or illegality, two aspects of translocations are the main focus of the project's research: firstly, the manifold, cross-generational and wide-reaching cultural, intellectual and aesthetic cross-fertilisations that take place as cultural assets are moved into the holdings of public museums and libraries. In the course of this development, what was initially foreign prompts a narrative of ownership and familiarity. Secondly, the emotions triggered by injustice and loss which become apparent in societies when questions of ownership, identity and pride are tied to the material displacement of objects and their insertion into new contexts.
At the beginning of its third year, the project cluster would like to invite participants to an international conference to be held in December 2019 in Berlin. The above-mentioned research areas will form the primary focus of the conference, encouraging interdisciplinary exchange about the phenomenon of translocations. The discussion should cover its entire range, be it in terms of space, time or method. We particularly welcome contributions which
- reflect on translocations on a theoretical, methodical level
- deal with the displacement of objects during Antiquity and the Middle Ages
- address the displacement of cultural assets from South and Central America, as well as South and Southeast Asia
- address material traces left by transfer procedures from a conservational or art technological perspective, be it on the objects as such or in their places of origin or transit locations
- focus on the legal framework of translocations of cultural assets
The starting point for the analysis of translocations or their representation in writing, images or other media can be diverse object groups, ranging from archaeological, ethnological and artistic artefacts to manuscripts, archival documents or objects from natural history.
The conference will take place from 5 to 7 December 2019 in Berlin. Proposals for 20-minute papers should not exceed 300 words, and should be sent to lagatztu-berlin.de by 20 January 2019, together with a brief CV. Submissions can be in German, English or French.
http://translocations.net/
https://www.kuk.tu-berlin.de/
Diskussionen um historische Praktiken der Aneignung von Kulturgütern und ihren damit verbundenen räumlichen Verlagerungen sind über die Grenzen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen hinweg hochaktuell und werden öffentlich breit rezipiert. Dabei gelten nicht allein die unter Anwendung von Gewalt erfolgten oder durch diktatorische Staatsstrukturen begünstigten Beschlagnahmungen und Veräußerungen von Objekten und Sammlungen, wie sie für Kriegszeiten oder das NS-Regime charakteristisch waren, als problematisch. Mit der in Deutschland verzögerten Etablierung postkolonialer Ansätze in den Kultur- und Geschichtswissenschaften während der 1980er Jahre ist vielmehr auch die Verbringung von Kulturgut unter Bedingungen asymmetrischer Machtverhältnisse ins Blickfeld geraten, wie sie in der Kolonialzeit herrschten. Weitverbreitete öffentliche Kritik richtet sich seither unter anderem gegen die Ausstellung von Artefakten mit ungeklärten Provenienzen. Wem gehören die aus dem sogenannten globalen Süden stammenden, international gehandelten, in westliche Privatsammlungen und Museen gelangten Kulturgüter? Wer hat ein Recht auf ihre Deutung? Wie könnten einvernehmliche Regelungen für den Umgang mit ihnen unabhängig von Restitutionen aussehen?
Immer stärker beschäftigen Fragen dieser Art Vertreter_innen des Kunstmarkts und Museumsbetriebs, der Politik und Presse wie auch Expert_innen diverser Fachrichtungen wie Ethnologie, Archäologie oder Rechtswissenschaft, Künstler_innen und Schriftsteller_innen. Selten jedoch werden die Translokationen an sich – mit all den beteiligten Akteur_innen, einhergehenden Traumata, Diskursen, Gesten, Techniken und Repräsentationen – thematisiert. Der systematischen Aufarbeitung dieses bisher kaum wahrgenommenen, geschweige denn erschlossenen Feldes widmet sich der Forschungscluster translocations – Historical Enquiries into the Displacement of Cultural Assets, der unter Leitung von Bénédicte Savoy im Herbst 2017 an der Technischen Universität seine Arbeit aufgenommen hat.
Gegenstand von translocations sind großangelegte Kulturgutverlagerungen seit der Antike. Die Aufmerksamkeit gilt staatlich-organisiertem Kunstraub und Beutekunst in Kriegs- und Okkupationszeiten, dem Entzug von Kulturgütern im Kolonialismus, wie er beispielsweise im Zuge von Fundteilungen oder wissenschaftlichen Expeditionen stattgefunden hat, sowie der durch den Kunsthandel forcierten Diaspora materieller Kulturen als auch ideologisch begründeten Beschlagnahmungen, Verstaatlichungen oder massiven Veräußerungen privaten Eigentums.
Vor allem zwei Aspekten von Translokationen, die unabhängig von ihrer Legalität oder Illegalität betrachtet werden, gilt das Forschungsinteresse: einerseits den vielfältigen, generationsübergreifenden, weitreichenden kulturellen, intellektuellen und ästhetischen Befruchtungen dort, wo das in Bewegung gesetzte Kulturgut zum Bestand öffentlicher Museen und Bibliotheken wird und die Inkorporation des zunächst Fremden zu einem Narrativ des Eigenen führt. Andererseits den durch Unrecht und Verlust hervorgerufenen Emotionen, die in Gesellschaften oder Interessengruppen manifest werden, wenn Fragen von Besitz, Identität und Stolz an die materielle Verbringung von Objekten und ihre Einfügung in neue Zusammenhänge geknüpft werden.
Zum Auftakt seines dritten Laufjahres lädt der Forschungscluster zu einer internationalen Tagung ein, die er im Dezember 2019 in Berlin veranstaltet. Die soeben beschriebenen Forschungsschwerpunkte in den Vordergrund rückend, will die Tagung zu einem dezidiert interdisziplinären Austausch über das Phänomen der Translokation anregen. Es soll in ganzer Breite – sowohl aus räumlicher, zeitlicher als auch methodischer Perspektive – diskutiert werden. Willkommen sind insbesondere Beiträge, die
- Translokationen auf theoretischer, methodischer Ebene reflektieren
- sich mit Objektwanderungen während der Antike und des Mittelalters auseinandersetzen
- Kulturgutverlagerungen aus/in Süd- und Mittelamerika sowie Süd- und Südostasien behandeln
- sich aus konservatorischer oder kunsttechnologischer Sicht mit den materiellen Spuren beschäftigen, die auf Transferprozesse zurückzuführen sind und an den Objekten selbst, aber auch an ihren Herkunfts- oder zwischenzeitlichen Aufenthaltsorten erfahrbar sind
- juristische Rahmenbedingungen von Kulturgutverlagerungen thematisieren
Ausgangspunkt für die Analysen von Translokationen oder ihrer Repräsentationen in Schrift, Bild und anderen Medien können diverse Objektgruppen sein und neben archäologischen, ethnologischen und künstlerischen Artefakten etwa Manuskripte, Archivalien oder naturkundliche Objekte umfassen.
Die Tagung findet vom 5. bis zum 7. Dezember 2019 in Berlin statt. Wir bitten um die Einsendung von Vorschlägen für 20minütige Vorträge in einem Umfang von 300 Worten sowie von Kurzangaben zum Lebenslauf bis zum 20. Januar 2019 an: lagatztu-berlin.de. Die Exposés können auf Deutsch, Englisch und Französisch eingereicht werden.
Quellennachweis:
CFP: Translocations. Displacement of Cultural Assets (Berlin, 5-7 Dec 19). In: ArtHist.net, 08.11.2018. Letzter Zugriff 23.11.2024. <https://arthist.net/archive/19474>.