CFP 08.03.2017

Endzeitentwürfe in Mittelalter und Früher Neuzeit (Regensburg, 16-18 Nov 17)

Regensburg, 16.–18.11.2017
Eingabeschluss : 31.03.2017

Sabine Reichert, Universität Regensburg

Geschichte vom Ende her denken – Endzeitentwürfe und ihre Historisierung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
Internationale Jahrestagung
Forum Mittelalter der Universität Regensburg in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz

Qua ora fiet iudicium? – Die Frage nach dem Weltende stellte im Mittelalter nicht nur der imaginäre Schüler im „Elucidarium“ des Honorius Augustodunensis, einem populären, in fast alle europäischen Volkssprachen übersetzten theologischen Lehrdialog des 12. Jahrhunderts. Das Ende von Welt und Zeit trieb die Menschen des Mittelalters wie kein anderes Thema um. Dabei interessierte nicht nur der Zeitpunkt des Endes, sondern auch dessen konkrete Rahmenumstände. Dementsprechend erläutert das „Elucidarium“ anschließend das „Wie“ des Jüngsten Gerichts: Der wiederkehrende Christus werde auf die Erde gleich dem Kaiser in eine Stadt einziehen, mit allen Insignien und den Engeln als Gefolge (Honorius Augustodunensis, Elucidarium, Lib. III, 12).
Die Tendenz zur historischen Konkretisierung und Vereindeutigung des Endzeitszenarios ist in der Geschichte des Christentums immer wieder festzustellen. Es zeichnen sich offenbar Zeiträume ab, in denen „historische“ und unmittelbar eschatologische Deutungen besonders in den Vordergrund treten. Prädestiniert für diese Deutungsmuster sind von je her Perioden, in denen sich schwerwiegende Umwälzungen vollziehen, wie die Bedrohung der Christen durch islamische Eroberungswellen oder die Mongoleneinfälle, der Investiturstreit, das aufkommende Mendikantentum und die damit verbundene Verfolgung von nicht als kirchenkonform eingestuften Strömungen, im späterem Mittelalter dann die verschiedenen reformatorischen Bewegungen, etwa die von Jan Hus oder Martin Luther.
Zum Quellenbestand der eschatologischen Bild- und Gedankenwelt gehörten Schriften wie der Traktat des Adso von Montier-en-Der über den Antichrist, die Prophezeiungen des Pseudo-Methodius und der Sibylla Tiburtina über den Endkaiser oder die biblische Johannes-Apokalypse mit ihrer hochcodierten Gerichts- und Kampfsymbolik. Diese Visionsliteratur wurde während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit immer wieder neu kommentiert, übersetzt, aktualisiert und auf ihren Gegenwartsbezug hin gedeutet. Schon ab der Mitte des 12. Jahrhunderts wird – zunächst in Apokalypse-Kommentaren – eine Tendenz zur Chronologisierung und Historisierung von endzeitlichen Szenarien spürbar. Räume und Ereignisse – wie die Schreckensherrschaft des Antichrist, die Viten der endzeitlichen Helfer Elias und Henoch oder die konkrete Architektur des Himmlischen Jerusalem – werden zunehmend narrativ ausgestaltet, bevölkert und historisch verifiziert. Im 13. und 14. Jahrhundert erreicht diese Entwicklung mit einer Überblendung von gegenwärtiger Geschichte und Endzeitsituationen seinen Höhepunkt. Mit dieser passgenauen Einordnung in den geschichtlichen Verlauf geht eine nie gekannte Popularisierung von Endzeitkonzepten einher: So werden im Übergang zur Frühen Neuzeit das Leben des Antichrist oder die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht in Handschriften, Blockbüchern und Wand- und Glasmalereien einem breiten Publikum zugänglich gemacht und damit zur universalen und individuellen Geschichtsdeutung allgemein verfügbar.

In der geplanten Tagung des Regensburger Mittelalterzentrums „Forum Mittelalter“ (www.forum-mittelalter.de) und des Instituts für Kunstgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz sollen vor allem inter- und transdisziplinäre Forschungsansätze fruchtbar gemacht werden: Welche Strategien und Techniken bei der Historisierung von Endzeitentwürfen kommen in den verschiedenen Medien (Apokalypse-Kommentare, prophetische Texte, Visionsliteratur; Bildkunst, Skulptur, Karten, Graphiken etc.) zur Anwendung? Welche Rolle spielt dabei die Adressierung an ein bestimmtes Publikum, etwa in der Wahl des Lateinischen oder der Volkssprache? Unter Historisierung wird dabei nicht nur die Ineinssetzung von Vision und Geschichte verstanden, sondern auch der Versuch, prophetische Konzepte durch Gegenwartsbezüge zu deuten und verstehbar zu machen und umgekehrt, die Ereignisse der Vergangenheit und Gegenwart als Zeichen im Sinne von Realprophezeiungen zu verstehen. Welche Personen oder Gruppen spielen hier unmittelbar (als Protagonisten im Endzeitgeschehen) oder mittelbar (etwa als Auftraggeber) eine Rolle? Wie werden Zeitstrukturen in den Geschichtsverlauf eingepasst? Welche Relevanz hat dies wiederum rückwirkend für die Gegenwart der Rezipienten?
Die Vorträge werden – neben einem Abendvortrag am 16. November 2017 – auf zwei Tage verteilt (Freitag, 17. November 2017, ca. 9 – 18 Uhr und Samstag, 18. November 2017, ca. 9 – 15 Uhr). An die jeweils 30-minütigen Vorträge soll sich eine viertelstündige Diskussion anschließen. Die Einladung zum Vortrag beinhaltet die Reise- und Unterbringungskosten. Es ist geplant, die Tagungsbeiträge in der seit 2005 jährlich fortgesetzten Reihe Forum Mittelalter-Studien (Verlag Schnell & Steiner, Regensburg) zu veröffentlichen. InteressentInnen werden gebeten, bis zum 31.03.2017 einen Vortragsvorschlag zusammen mit einem halbseitigen Abstract und kurzen biographischen Angaben einzureichen. Bitte senden Sie Ihre Unterlagen an: andrea.wormuni-graz.at

Im Vorfeld der Tagung findet ein Doktorandenworkshop zum Themenbereich „Endzeitvisionen der Vormoderne in Text und Bild“ statt (Donnerstag, 16. November 2017, 14-17 Uhr). In diesem Rahmen sind NachwuchswissenschaftlerInnen aller kulturwissenschaftlich arbeitenden Disziplinen herzlich eingeladen, ihre Promotionsprojekte zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Wie in den vergangenen Jahren haben die Workshopteilnehmer die Möglichkeit, im Anschluss als Diskutanten an dem internationalen Kolloquium teilzunehmen. InteressentInnen am Workshop reichen bitte eine kurze Skizze des Promotionsprojektes mit Erläuterung zum methodischen Zugriff ein. Bitte senden Sie Ihre Skizze mit Angaben zur Person bis zum 31.03.2017 an: susanne.ehrichur.de

Organisation:
Dr. Susanne Ehrich
Forum Mittelalter
Universität Regensburg
susanne.ehrichur.de

PD Dr. Andrea Worms
Institut für Kunstgeschichte
Karl-Franzens-Universität Graz
andrea.wormuni-graz.at

Quellennachweis:
CFP: Endzeitentwürfe in Mittelalter und Früher Neuzeit (Regensburg, 16-18 Nov 17). In: ArtHist.net, 08.03.2017. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/archive/14915>.

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