[1] Doppel-Panel »Medium und Magie«
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Doppel-Panel »Medium und Magie«
Contributor: Hania Siebenpfeiffer
Bis heute wohnt der Geschichte der Mediennutzung eine Semantik des Zaubers inne. Fotoapparat, Telefon, Radio, Schallplattenspieler und Fernseher mussten auf ihre ersten Nutzer ebenso magisch wirken wie gegenwärtig die audiovisuellen Medien Computer, Smartphone und Tablet. Wie können eine Landschaft oder ein Gesicht auf ein leeres Blatt Papier und eine Stimme in einen Draht gelangen? Wie Musik in die Rillen einer Scheibe oder bewegte Bilder in einen Kasten, den man sich im Wohnzimmer aufstellt? Und wie kommen die globalen Informationen in ein flaches Gerät, nicht größer als eine Zigarettenschachtel und das sogar ohne Kabel? Das von Faszination und Furcht charakterisierte Staunen über die Eigenwirklichkeit medialer Apparaturen prägte bereits die Wahrnehmung im Zeitalter der ersten Medienrevolution. So wurde Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks von seinen Zeitgenossen in die Nähe magischer Praktiken gestellt, allein weil niemand so recht wusste, aus welchen Materialien die beweglichen Lettern als Beschleuniger bei der Fixierung der Gedanken genau beschaffen waren. Ähnliches gilt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch für die ersten Erprobungen der Laterna magica und Camera obscura; Athanasius Kircher beispielsweise, ein Protago-nist neuer optischer Medien, war nur durch seine unmittelbare Nähe zum Vatikan vor dem Verdacht auf unlau-tere Magie gefeit.
In der Vermittlung nicht nachvollziehbarer Kräfte besaßen magische und mediale Praktiken im 18. Jahrhundert eine große semantische Schnittmenge. Heute hingegen ist ersteres zu einem Relikt eines überwundenen Weltzugangs geworden und letzteres zu einem unentbehrlichen Bestandteil moderner Gesellschaftsordnung. Dass Medien als Trägern, Vermittlern und Produzenten von Informationen von Anfang an ein Zauber einge-schrieben war, kann auch terminologisch untermauert werden, stammt doch der Begriff »Medium« aus den Geisterbeschwörungspraktiken des späten 18. Jahrhunderts, wie an Friedrich Schillers Romanfragment »Der Geisterseher« (1787/89) sehr gut sichtbar wird. In Séancen wird bis heute das Medium als Scharnierstelle zwischen der materiell-körperlichen und der immateriell-geisterhaften Welt bezeichnet; aus den Geistersprechern des 18. Jahrhunderts, deren Körper als Resonanzböden für die unkörperlichen Stimmen des Jenseitigen dienten, ist mithin das heutige Medium erwachsen. Und wenn der Glaube an die ›Botschaft aus dem Jenseits‹ im Verlauf der letzten 200 Jahre auch in die Randzonen des Okkulten abgewandert ist, so ist das Faszinosum ge-genüber Selbstbewegung, Fernwirkung und körperlos Präsentem geblieben.
Das Doppelpanel im Rahmen der ASECS-Jahrestagung 2017 in Minneapolis greift das offensichtliche Nahverhältnis von Magie und Medium auf und bezieht es auf das in dieser Hinsicht sehr ergiebige 18. Jahrhundert. Zwischen der Erfindung der mechanischen Laterna magica im 17. und den ersten elektrischen Medienversuchen im Übergang zum 19. Jahrhundert liegt eine Phase, in der neue Geräte, Instrumente und Apparaturen, optische und akustische Phänomene erzeugten, die die Sinne der Zeitgenossen nicht nur schärften, sondern oftmals nachhaltig verwirrten. Phänomene, die inzwischen längst ihre Alltagstauglichkeit bewiesen haben, traten im 18. Jahrhundert als mal erschreckende, mal unterhaltsame Kuriositäten ins Bewusstsein der Zeitge-nossen. So befeuerten mediale Neuerfindungen wie der Elektrisierstab und die Leidener Flasche, begleitet von der Perfektionierung und Popularisierung älterer Medien wie der Laterna magica eine Schaulust, die zwischen Repräsentation und Manipulation oszillierte.
Das auf die zwei Schwerpunkte »Medium & Magie I: Techniken, Apparturen und Dinge« sowie »Medium & Magie II: Natur und Imagination« fokussierte Doppelpanel geht als verbindene Klammer davon aus, dass sich im zeitgenössischen Begriff der Kraft wesentliche Momente von Magie und Medium verschränken. Sowohl Medium als auch Magie entziehen sich, sobald man sie direkt fixieren will. Beides kann als etwas bezeichnet werden, das sich nur indirekt, vermöge seiner Effekte, seiner Formen und Kulturtechniken zeigt bzw. entziffern lässt. In der Schnittmenge von Kunst, Religion, Naturwissenschaft, Technik und Unterhaltungs- bzw. Populärkultur können so unterschiedliche Blickwinkel Kontur gewinnen.
Vorschläge mit (vorläufigem) Vortragstitel und einem kurzen Abstract von 250 Wörtern bzw. 1500 Zeichen inkl. zu einem der beiden Panelschwerpunkte sind herzlich willkommen und werden in elektronischer Form erbeten an:
PD Dr. Stefan Laube: stefan.laubehu-berlin.de
Dr. Hania Siebenpfeiffer: hania.siebenpfeifferuni-greifswald.de
Die Vortragssprache ist bevorzugt Englisch. Für die Vorträge sind jeweils 20 Minuten mit anschließender 10minütiger Diskussion vorgesehen. Eine Publikation der Panelbeiträge in der Fachzeitschrift „Das Achtzehnte Jahrhundert“ (Wallstein-Verlag) ist geplant. Die Veröffentlichung unterliegt dem Peer-Review-Verfahren.
Quellennachweis:
CFP: Session at ASECS conference (Minneapolis, 30 Mar-2 Apr 17). In: ArtHist.net, 19.09.2016. Letzter Zugriff 01.07.2025. <https://arthist.net/archive/13714>.