Medienanthropologie ist ein relativ neues Untersuchungsfeld, auf dem es um die im weitesten Sinne medienbasierte Verfertigung, Transformation und Distribution anthropogener Existenzweisen und Selbstentwürfen geht. Die seit Nietzsche immer wieder beschworene ‚Unbestimmbarkeit des Menschen’ führte in einigen Feldern der Philosophie und in den Medienwissenschaften wahlweise zu einer Abwehr aller reduktionistischen Definitionsversuche des Menschen (homo faber, homo ludens, homo oeconomicus etc.), oder zur Ausformulierung negativer Anthropologien (bei Lacan, Deleuze oder Blumenberg) oder gar zu deren Abschaffung und Ersetzung durch medienmaterialistische Studien (u.a. in der ‚Kittlerschule‘). Doch die Unbestimmbarkeitsthese wirkt latent weiter und sie mystifiziert weiterhin, zumindest implizit, die vermeintliche ‚Geistbestimmtheit des Menschen‘, die sodann für die angeblich charakteristische ‚Freiheitsfähigkeit‘ des Menschen verantwortlich gemacht wird. Ein davon emanzipiertes, anthropologie- und anthropozentrismuskritisches Echo geht bis heute von den kybernetischen, informations- und systemtheoretischen Denkformationen aus. Anstatt von einem ahistorischen und anthropozentrischen Gesichtspunkt aus über die vermeintlich rein instrumentellen Funktionen von Medien, Medialitäten und Techniken für menschliches Leben nachzudenken, geht es in medienanthropologischer Perspektivierung um die Hervorhebung der wechselseitigen Ein- und Umformungen von und in Mensch-Medien/Technik-Relationen.
Programm:
DONNERSTAG, 7. Juli 2016
13:30 – 14:00
Christiane Voss und Lorenz Engell
Einführung
14:00 – 14:45
Christine Blättler
Vom Szenenrand
15:00 – 15:45
Rainer Leschke
Die mediale Vorsehung des Menschen. Oder: Der Mensch ist auch bloß eine Form
15:45 – 16:30
Anna Tuschling
Zur Geschichte des anthropologischen Maßstabs. Anthropozentrismus als Technik von Ernst Kapp bis hin zu IBMs Watson
16:45 – 17:30
Johanna Seifert
Technikkörper – Körpertechniken. Überlegungen zum neurotechnischen Eingriff in den menschlichen Körper
17:30 – 18:15
Leander Scholz
Politische Biomimesis im 19. Jahrhundert
FREITAG, 8. Juli 2016
10:15 – 11:00
Eva Schürmann
Was geschah in Marienbad? Raumfluchten und Zeitsprünge von Gedächtnis und Imagination
11:00 – 11:45
Nicolas Oxen
Das sensorische Bild. Instabile Wahrnehmungsrelationen im Kino von Philippe Grandrieux
12:00 – 12:45
Philipp Stoellger
Göttliche Szenarien. Oder: Wenn einem Gott eine Szene macht
14:45 – 15:30
Martin Siegler
›Who is the third who always walks beside you?‹ . Der Third Man-Faktor und die Verschiebung des Menschlichen
15:30 – 16:15
Ivo Ritzer
Sahara Blues. Zur Auditivität medienanthropologischer Szenen zwischen Oralität und Aufschreibesystemen
16:30 – 17:00 Treffen der AG Medienphilosophie
SAMSTAG, 9. Juli 2016
10:15 – 11:00
Astrid Deuber-Mankowsky
Medienanthropologie und New Materialisms
11:00 – 11:45
Julian Jochmaring
Streuen/Strahlen. Merleau-Pontys situative Anthropologie
12:00 – 12:45
Reinhold Görling
Psychoanalyse als Medienanthropologie
12:45 – 13:30
Insa Härtel
Ding-Austausch. Überlegungen zum „Messie“ im TV-Format
Quellennachweis:
CONF: Medienanthropologische Szenen (Weimar, 7-9 Jul 2016). In: ArtHist.net, 30.05.2016. Letzter Zugriff 16.08.2025. <https://arthist.net/archive/13130>.