»Kunstschriftstellerei – Konturen einer kunstkritischen Praxis«
Organisiert von Stephanie Marchal, Andreas Degner und Andreas Zeising
Der Workshop ist ein Kooperationsprojekt der Lichtenberg-Professur (Bochum/Lüneburg) und des Lehrstuhls für Kunstgeschichte der Universität Siegen und wird durch die Gesellschaft der Freunde der Ruhr-Universität Bochum und die VolkswagenStiftung unterstützt.
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bezeichnete der geläufige Terminus »Kunstschriftstellerei« eine spezifisch populäre Praxis des Schreibens über Kunst, die sich jenseits der wissenschaftlichen Kunstgeschichte verortete. War Kunstschriftstellerei einerseits dem Anliegen nach breitenwirksamer Unterhaltung verpflichtet, folgte sie andererseits dem Bemühen um einen Wissenstransfer, der sich durch eine genuine Sprachlichkeit, spezifische Themenstellungen und populäre Vermittlungsformen auszeichnete. Anders als die wissenschaftliche Kunstgeschichte, die zu den Phänomenen der Gegenwartskunst zumeist auf sichere Distanz hielt, bemühten sich Kunstschriftsteller dabei oftmals in besonderem Maße um ein Verständnis der jüngsten und zeitgenössischen Kunst. Auch wenn ihre Tätigkeit nicht zwangsläufig einem kunstpolitischen Wirkungsideal folgte, nahmen sie nicht selten für sich in Anspruch, nahe am Werk zu argumentieren und, wie es Wilhelm Hausenstein ausdrückte, von der »Gegenwärtigkeit« der Kunst zu handeln.Die Kunstschriftstellerei des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts ist bislang vor allem durch monographische Abhandlungen in den Blick der Forschung geraten, in denen am Beispiel einzelner Akteure modellhafte Muster der Versprachlichung des Kunsterlebens sowie der Beurteilung von Kunstwerken herausgestellt wurden. Während einzelne Kunstschriftsteller im Rahmen solcher Fallstudien recht gut erforscht sind, steht eine grundlegende Verortung der Kunstschriftstellerei im Spannungsfeld von Kunstkritik, akademischer Kunstgeschichte und populärer Kunstvermittlung noch aus. Der Bochumer Workshop will hier ansetzen, indem biografische und systematische Aspekte der Forschung gebündelt und im Hinblick auf die Frage miteinander in Beziehung gesetzt werden sollen, inwieweit sich die Kunstschriftstellerei als profilierte Art des Schreibens über bildende Kunst von anderen Modi der Kunstkritik unterscheidet. Dabei sollen wiederkehrende Narrative und Kanonmodelle sowie die rhetorische Beschaffenheit und mit ihr einhergehende Wirkweise von kunstliterarischen Texten ebenso zur Sprache kommen wie die sozial- und institutionsgeschichtlichen Voraussetzungen, unter denen die Kunstschriftstellerei zu einem entscheidenden Instrument der populären Geschmacksbildung avancierte. Mit dem Workshop »Kunstschriftstellerei – Konturen einer kunstkritischen Praxis« soll ein Beitrag dazu geleistet werden, eine spezifische Ausprägungsform der Kunstkritik in ihrer gattungsgeschichtlichen Besonderheit und in Abgrenzung zu anderen Arten des kunstkritischen Schreibens zu erfassen und anhand eines markanten kunstkritischen Modellfalls das bislang zu wenig untersuchte Phänomen Kunstkritik, gerade vor dem Hintergrund der ihr aktuell nachgesagten „Krise“, in den Blick genommen werden.
Interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer sind herzlich eingeladen, den Diskussionen beizuwohnen. Die Veranstaltung findet in den Räumlichkeiten der »Situation Kunst« in Bochum-Weitmar statt.
Eine Voranmeldung bis spätestens zum 3.6.2016 ist obligatorisch. Kontakt: Andreas.Degnerruhr-uni-bochum.de
Programm
Donnerstag, 9. Juni 2016
9.00 – 9.15 Einführung
9.15 – 10.00 Beate Söntgen (Lüneburg): Denis Diderot (Paris), Kunstschriftsteller
10.00 – 10.45 Sabine Schlenker (Heidelberg): Der Kunstkritiker als Freund des Künstlers – Das Beispiel Emil Heilbut
Kaffeepause: 10.45 – 11.00
11.00 – 11.45 Andreas Zeising (Siegen): Ein bekannter Unbekannter. Der Kunstschriftsteller Max Osborn
11.45 – 12.30 Elisabeth Heymer (Bochum/Lüneburg): „Alle urwüchsige Kraft kommt vom Norden“ – Überlegungen zur Norden-Rezeption in deutschen Kunstschriften um 1900
Mittagspause: 12.30 – 13.30
13.30 – 14.15 Stephanie Marchal (Bochum/Lüneburg): Julius Meier-Graefe und der Versuch, ‚eine Gegenwart zu haben’
14.15 – 15.00 Kerstin Bitar (Zürich): Die Kunst in diesem Augenblick - Wilhelm Hausensteins kunstkritisches und kunstliterarisches Werk
Kaffeepause: 15.00 – 15.15
15.15 – 16.00 Andreas Degner (Bochum): Kunstschriftstellerei als politische Positionierung – Wilhelm Hausenstein
16.00 – 16.45 Philip Ursprung (Zürich): Die Herrschaft der Akademisierung: Das Ende der Kunstschriftstellerei
16.45 – 17.30 Abschlussdiskussion
Freitag, 10. Juni 2016
9.00 – 9.15 Einführung und Anknüpfung an den ersten Workshoptag
9.15 – 10.00 Elisabeth Furtwängler (Berlin): »Meine ganze künstlerische Leidenschaft ist visueller Natur.« Visuelle Erfahrbarkeit und »Qualität« von Kunst als Leitmotiv bei Werner Schmalenbach.
10.00 – 10.45 Andreas Strobl (München): »bequemfeigerweise« – Kunstkritik als Polemik versus Kunstschriftstellerei als Narrativ der Klärung? Das Beispiel Carl Einstein
Kaffeepause: 10.45 – 11.00
11.00 – 11.45 Joseph Imorde (Siegen): Weltkunstgeschichte nach 1900
11.45 – 12.30 Gottfried Schnödl (Lüneburg): Radikale Relationen – Hermann Bahrs Kritik der Kritik
12.30 – 13.30 Abschlussdiskussion
Kontakt:
Jun.-Prof. Dr. Stephanie Marchal (Lichtenberg-Professur)
Andreas Degner M.A.
Kunstgeschichtliches Institut
Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstr. 150
GA 2/154-Süd
44801 Bochum
Stephanie.Marchalrub.de
Andreas.Degnerruhr-uni-bochum.de
Dr. Andreas Zeising
Kunstgeschichte/Kunstwissenschaft
Fakultät II, Dep. Kunst und Musik
Universität Siegen
Adolf-Reichwein-Strasse 2
57068 Siegen
zeisingkunstgeschichte.uni-siegen.de
Reference:
CONF: Kunstschriftstellerei (Bochum, 9-10 Jun 16). In: ArtHist.net, May 11, 2016 (accessed May 19, 2024), <https://arthist.net/archive/12919>.