Erster Kongress der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft (KWG)
Ansichten der künftigen Kulturwissenschaft/en
Die neuen Kulturwissenschaft/en im deutschsprachigen Raum bildeten sich seit den späten 1970er Jahren teilweise in Anknüpfung an internationale Entwicklungen heraus, wie Cultural und Visual Studies, Gender Studies, Cultural Analysis, New Historicism, New Art History und Social History of Art, oder auch Michel Foucaults Diskurs- und Pierre Bourdieus Habitusanalyse. Mitunter stützten sie sich dabei neben eigenständigen Entwicklungen auf ältere deutschsprachige Traditionen wie die von Ernst Cassirer, Erwin Panofsky, Georg Simmel oder Max Weber.
Während im Feld der Kulturwissenschaft/en kein Mangel weder an programmatischen Überlegungen noch an oder Studien und theoretischen Texten herrscht, blieben Vernetzung, Austausch und interpersonelle Kommunikation der im vergangenen Jahrzehnt noch sprunghaft angestiegenen Zahl von Akteuren und Institutionen eher schwach entwickelt.
Sahen die 1990er Jahre noch mehrere größere Symposien der neuen Kulturwissenschaft/en, die sich im Zuge von Cultural Turns aus den Geistes- wie aus den Sozialwissenschaften herausgebildet hatten, so dominierte im vergangenen Jahrzehnt die Produktion von Texten nicht selten meta-theoretischer Art, direkt und indirekt angestoßen durch Hochschulreform und Bologna-Prozess. Der damit einhergehende Wandel der universitären Landschaft beförderte eine dermaßen starke Proliferation neuer wissenschaftlicher Programme, die den Begriff der Kultur in ihrer Bezeichnung tragen, dass heute geradezu von einer neuen Unübersichtlichkeit der Kulturwissenschaft/en gesprochen werden kann.
Die Institutionalisierung von Austausch und Diskussion unter Bedingungen relativer Autonomie stellt eine entscheidende Voraussetzung für die Fortentwicklung des Feldes dar. Mit der Gründung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft (KWG) im Januar 2015 an der Universität Koblenz-Landau, an der sich Vertreter_innen von rund 20 Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen vor allem aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligten, war deshalb die Intention verbunden, den überregionalen und transnationalen Austausch der Kulturwissenschaft/en auf neue Grundlagen zu stellen. Dazu gehören die Bildung von thematisch spezialisierten Vernetzungsplattformen, die Gründung einer Fachzeitschrift wie auch die Organisation von wissenschaftlichen Kongressen.
Der Erste Kongress der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft findet von 12. bis 14. November 2015 an der Leuphana Universität Lüneburg statt – einer Institution, die über eine längere kulturwissenschaftliche Tradition verfügt, da dort bereits Mitte der 1980er Jahre ein Fachbereich Kulturwissenschaften eingerichtet wurde, der sich seitdem beständig weiterentwickelt hat.
Der Kunstraum der Leuphana Universität, der von Anfang an in das kulturwissenschaftliche Programm an dieser Universität eingebunden war ("Games, Fights and Collaborations. Kunst und Cultural Studies in den 90er Jahren", hg. von Beatrice von Bismarck, Diethelm Stoller und Ulf Wuggenig, 1996), unterstützt diese Bemühungen um den kulturwissenschaftlichen Austausch, nicht zuletzt durch Beteiligung am Aufbau der Sektion Kulturwissenschaftliche Ästhetik innerhalb dieser Gesellschaft. Dazu hat er Ruth Sonderegger, Philosophin an der Akademie der bildenden Künste Wien, zu einem Impulsvortrag eingeladen. Sie wird am 13. November im Rahmen dieser Sektion über "Die Macht der Ästhetik" sprechen und das von Amalia Barboza (Universität Saarbrücken), Stefan Krankehagen (Universität Hildesheim) und Ulf Wuggenig (Leuphana Universität Lüneburg) gemeinsam verfasste Konzeptpapier der Sektion kritisch kommentieren.
Programm
Donnerstag, 12.11.2015
ab 14.00, Kunstraum der Leuphana Universität, Campus Halle 25
Anmeldung, Registrierung Mitgliedschaft
16.15–16.30, Hörsaal 1
Begrüßung
Präsident Prof. Dr. Sascha Spoun, Vizepräsidentin Prof. Dr. Beate Söntgen, Dekan der Fakultät Kulturwissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg Prof. Dr. Ulf Wuggenig sowie die Vorsitzende der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft Prof. Dr. Gabriele Dürbeck, Universität Vechta
16.30–17.30, Hörsaal 1
Sigrid Weigel (Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin)
"Vom Mit-Gefühl"
Moderation: Ulf Wuggenig (Leuphana)
17.30–18.30, Hörsaal 1
Andreas Reckwitz (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder)
"Die Kulturalisierung der Gesellschaft"
Moderation: Volker Kirchberg (Leuphana)
Pause
19.00–20.30, Hörsaal 1
"Neue Unübersichtlichkeit? Die Institutionalisierung der Kulturwissenschaft/en in Forschung und Lehre"
Diskussion mit Philipp Felsch (Humboldt-Universität zu Berlin), Erich Hörl (Leuphana), Stefan Krankenhagen (Universität Hildesheim), Andreas Langenohl (Justus-Liebig-Universität Gießen) und Caroline Y. Robertson-von Trotha (Karlsruher Institut für Technologie)
Moderation: Julia Voss (FAZ/Leuphana) und Ulf Wuggenig (Leuphana)
Freitag, 13.11.2015
10.00–12.00, Gebäude 14
Sektion Materielle Kulturen
Sektion Kulturwissenschaftliche Ästhetik
Sektion Sprache und kommunikative Praktiken
Mittagspause
13.00–15.00, Gebäude 14
Sektion Naturen/Kulturen
Sektion Wissenskulturen
Sektion Transkulturelle Lebenswelten
Forschungsnetzwerk Raumidentitäten und Identitätsräume
15.30–17.00, Hörsaal 1
"Die Kulturwissenschaft/en vor dem Hintergrund von Kulturalisierung und Cultural Turns"
Diskussion mit Studierenden kulturwissenschaftlicher Programme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz: Alina Brand (Universität Leipzig), Felix Kunkel (Universität Koblenz-Landau), Tamara Sommeregger (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt), Annika Weinert (Leuphana) und Yann Wermuth (Universität Zürich).
Moderation: Christine Blättler (Christian-Albrechts-Universität Kiel) und Susanne Leeb (Leuphana)
Pause
17.30–18.30, Hörsaal 1
Heidrun Friese (TU Chemnitz)
"Gastfreundschaft"
Moderation: Steffi Hobuß (Leuphana)
18.30–20.00, Hörsaal 3
Mitgliederversammlung
Samstag, 14.11.2015
10.00–12.00, Gebäude 14
Sektion Medienkulturen / Kulturmedien
Sektion Kulturphilosophie und Kulturtheorie
Ad-hoc-Gruppe Intertraditionale Wissenskonstitution
12.00–13.00, Hörsaal 1
Orit Halpern (Concordia University Montréal)
"Design Thinking? Prototyping, Politics, and the Future of Critique"
Moderation: Clemens Apprich (Leuphana)
Pause/Ende
13.30–16.00
Sitzung des Vorstands der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft
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Für die Teilnahme am Kongress ist eine Anmeldung bis Freitag, 06. November 2015 erforderlich, für die Mitwirkung an der Arbeit von Sektionen, Forschungsnetzwerken und Ad-hoc-Gruppen eine Mitgliedschaft in der KWG, die auch noch vor Ort erworben werden kann.
Bei der Reiseplanung wäre zu berücksichtigen, dass sich eine baldige Hotelbuchung in Lüneburg, das ein beliebtes Reiseziel ist, empfiehlt. Eine Liste mit Hotels findet sich auf der Website zum Kongress.
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Sektion "Kulturwissenschaftliche Ästhetik"
Die Sektion "Kulturwissenschaftliche Ästhetik" hat als Hauptziel, die Konturen einer ausdrücklich als "kulturwissenschaftlich" verstandenen Ästhetik zu umreißen. Viele Disziplinen aus den "drei Kulturen" (Lepenies) beanspruchen heute, sich auf ästhetische Phänomene zu beziehen. Der Begriff der Ästhetik wird in diesen verschiedenen Kulturen oftmals in sehr unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. Eine Aufgabe der Sektion "Kulturwissenschaftliche Ästhetik" besteht deswegen darin, diese polysemischen Begriffe "Ästhetik" und "ästhetisch" in verschiedenen Disziplinen und Paradigmen historisch und systematisch zu analysieren.
Gleichzeitig will die Sektion über diese Pluralität der Ästhetik-Begriffe hinaus an der Spezifizität einer kulturwissenschaftlichen Ästhetik arbeiten. Wir knüpfen hier an aktuelle Debatten an, in denen ein erweiterter Ästhetik-Begriff umrissen wird. Mit dem Begriff der kulturwissenschaftlichen Ästhetik öffnet sich ein Forschungsfeld, welches die schönen Künste einschließlich ihrer experimentellen Zugänge und der verschiedenen Spielarten von künstlerischer Forschung ebenso umfasst wie bestimmte Praxisformen des Alltags, der visuellen Kultur oder der Medien- und Populärkultur – und dennoch grundständig auf Aisthesis als den Moment der sinnlichen Wahrnehmung angewiesen bleibt. Eine kulturwissenschaftliche Ästhetik untersucht ebenfalls die subversiven und emanzipativen Potentiale ästhetischer Praktiken und berücksichtigt gleichzeitig die Macht der Ästhetik aus kritischer Perspektive.
Die Sektionssitzung in Lüneburg beginnt mit der Vorstellung des von Amalia Barboza (Universität Saarbrücken), Stefan Krankenhagen (Universität Hildesheim) und Ulf Wuggenig (Leuphana Universität Lüneburg) gemeinsam erarbeiteten Konzeptpapiers "Kulturwissenschaftliche Ästhetik". Dem folgt der Impulsvortrag "Die Macht der Ästhetik" von Ruth Sonderegger (Akademie der Bildenden Künste, Wien), der auch eine Stellungnahme zum Konzeptpapier umfasst. Auf diesen Grundlagen wird die Diskussion eröffnet. Dem schließen sich Überlegungen zur weiteren Zusammenarbeit, zu gemeinsamen Projekten, Tagungsplanungen, nächsten Schritten der Vernetzung sowie zu Inhalten der Website an.
Reference:
CONF: 1. Kongress der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft (Lüneburg, 12-14 Nov 15). In: ArtHist.net, Oct 21, 2015 (accessed Nov 23, 2024), <https://arthist.net/archive/11290>.