REV 23.02.2015

Cooper, Richard: Roman Antiquities in Renaissance France, 1515-65

Rezensiert von Bernd Kulawik, Stiftung Bibliothek Werner Oechslin
Redaktion: Philipp Zitzlsperger
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Richard Cooper, Romanist an der Universität Oxford, beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten [1] mit jenen Franzosen, die im Rom der Renaissance eine wichtige Rolle bei der Wiederentdeckung der Antike spielten. Dabei geht er weit über sein eigenes literarisches Fachgebiet hinaus, weshalb sein neuestes Buch hier angezeigt sein soll, um es auch Archäologen, Kunst-, Architektur- und Literaturhistorikern sowie allen zu empfehlen, die sich für das folgenreiche Antikenstudium in der Renaissance und die Personen interessieren, welche es betrieben und förderten. Das vorliegende Buch behandelt also nicht (bzw. nur am Rande), wie der Titel nahelegen könnte, die Rezeption römischer Ruinen (und andere Artefakte) im Frankreich der Renaissance, sondern die Personen und ihre Netzwerke, welche sich vor allem in Rom selbst dem Studium der Antike widmeten, sowie ihren Einflüssen auf die zeitgenössische kulturelle Entwicklung in Frankreich. Entsprechend sind die neun weitgehend chronologisch geordneten Kapitel u.a. der Rolle französischer Diplomaten und Künstler in Italien (und der Italiener in Frankreich) gewidmet, behandeln aber auch Themen der Antikenrezeption bspw. in Triumphzügen oder in der Poesie. Eine umfangreiche, 40seitige Bibliographie sowie ein Personenindex und ein Anhang mit einem Verzeichnis der Sammlungen des Kardinals Jean du Bellay ergänzen den kenntnisreichen und mit vielen Hinweisen auf persönliche Beziehungen und die Chronologie der Ausgrabungen versehenen Text. Unter seinem spezifischen Blickwinkel gelingt es Cooper also, jenes sich in Rom entfaltende und von Rom ausgehende Panorama vielfältigster Beziehungen an antiquarischen Interessen und Beziehungen auszuleuchten, dessen Folgen für die künstlerische wie auch wissenschaftlich-humanistische Entwicklung Europas in und seit der frühen Neuzeit kaum zu überschätzen sind. Was Datenbanken wie der Census [2] oder das CIL [3] den Forschenden in vielen verknüpften Einzelinformationen darzubieten vermögen (und noch weit mehr), wird in Coopers Text damit zu einem lebendigen Bild, das natürlich immer nur einen Ausschnitt wiedergeben kann.

Obwohl der Autor hierfür eine Unmenge an in der Primär- und Sekundärliteratur verstreuten Informationen aus unterschiedlichsten Quellen und Disziplinen aufbietet, wird der Leser von dieser Fülle nicht überwältigt, sondern kann sie durch die kluge Gliederung des Buches immer in einen größeren Rahmen einordnen, der sich freilich eigentlich erst nach dem (ersten) vollständigen Lesen des Buches aufspannt. Da aber wohl niemand alle diese Informationen nach dem ersten Lesen wird im Gedächtnis behalten können, ist dieser Rahmen eine gute Grundlage für eine Nutzung des Buches als ein Vademecum unter verschiedensten Aspekten. Cooper ist also eine interessante, teilweise sogar spannende Geschichte und zugleich ein unverzichtbares Nachschlagewerk gelungen. Zwar könnte das Buch dabei wie eine summa der Forschungen Coopers erscheinen, man wird beim Lesen seiner früheren Beiträge jedoch schnell feststellen, dass diese noch weit mehr Informationen zu ihren jeweiligen, meist jedoch etwas spezielleren Themen enthalten, als im vorliegenden Buch vereint sind. Darin könnte man einen gewissen Mangel sehen, jedoch hätte dies zweifellos den Rahmen eines einzelnen Bandes gesprengt und die Übersichtlichkeit eingeschränkt, welche sehr gut als Basis für eigene, weiterführende Lektüre und Recherchen dienen kann.

Unter den vielen sowohl namhaften als auch heute weniger bekannten Protagonisten des Buches ist – wie Cooper selbst schreibt (S. xiii [ohne Zählung]) – Kardinal Jean du Bellay der ‚Held‘ seiner Darstellung: Sein jahrzehntelanges Wirken in Rom und Frankreich zieht sich als roter Faden durch die Darstellung, und seine persönlichen und diplomatischen Beziehungen, seine Sammlungen oder seine Villa in den Ruinen der Diocletians-Thermen stellen die ausführlich behandelten Beispiele für den vielfältigen Umgang mit der Antike, ihrer Wiederentdeckung, Tradierung und Neuinterpretation dar. Ob hierzu wirklich auch noch die Streitigkeiten um seinen Nachlass minutiös darzustellen waren, mag man bezweifeln: Auf jeden Fall geben aber selbst diese eher familiären Details einen Einblick, unter welchen z.T. sehr profanen Aspekten die weniger an der Antike interessierten Zeitgenossen mit dem Erhaltenen und Überkommenem umgingen und welches traurige Schicksal mühsam zusammen getragene Sammlungen erlitten, an deren Aufbau und Bestand sich die Interessen und das sich immer weiter entwickelnde Verständnis der Antike seitens der Sammler nachvollziehen lassen. Indem Cooper seinen Lesern erlaubt, den Protagonisten bei ihren Studien, Aktivitäten und Kontakten ‚über die Schulter zu schauen’, wird deren Wirken in einer – für ein wissenschaftliches Sachbuch durchaus nicht selbstverständlichen – Art und Weise so lebendig, dass man beim Lesen bspw. fast die Erregung nachvollziehen kann, welche die Akteure der ‚Antiken-Szene’ in Rom erfasste, als 1547 die Fasti Capitolini auf dem Forum Romanum gefunden wurden.

Soweit der Rezensent selbst – aus seiner fachlichen Perspektive und leider oft nur oberflächlich – mit den vielfältigen Themen aus unterschiedlichsten Disziplinen vertraut ist, befindet sich Cooper weitestgehend auf dem aktuellen Forschungsstand. Daher fällt dem mit einem Spezialthema Vertrauten umso deutlicher ins Auge, dass der Verfasser z.B. hinsichtlich der Bauaufnahmen antiker Architektur aus dem Umkreis des französischsprachigen sog. „Anonymus Destailleur“ in Berlin, Wien und andernorts die – schon zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung vor 40 Jahren nicht überzeugende und seitdem weitgehend abgelehnte – Zuschreibung der Zeichnungen durch Berckenhagen an Hugues Sambin übernimmt, obwohl neuere Forschungsergebnisse (u.a. die des Rezensenten) selbst online leicht verfügbar sind. Und obwohl Cooper Quellen und Sekundärliteratur in allen relevanten Sprachen heran zieht (und viele zum leichteren Verständnis auch übersetzt), fällt in der Bibliographie das Fehlen bspw. der Untersuchungen von Harprath, Wrede, Daly Davis u.a. [4] zur Accademia della Virtù oder das der ebenfalls sehr material- und beziehungsreichen Monographie Peter Arnold Heusers zu Jean Matal [5] ins Auge, einem der zentralen ‚Knoten‘ im antiquarischen ‚Netzwerk Rom‘ um 1550. Aber angesichts der Menge des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials und der Spezialliteratur sind solche Lücken vermutlich nicht zu vermeiden.

Die ebenfalls verfügbare e-Book-Version des Buches erleichtert das Stöbern im Text natürlich ungemein, muss jedoch separat erworben werden. Leider nutzt der Verlag im eBook jedoch nicht die Möglichkeit, das Buch auch in einer zur Druckausgabe seitenidentischen Formatierung anzuzeigen. (Hierfür sollte man also ggf. eher die PDF-Variante erwerben.) Die gewohnte Zitierweise nach Seitenzahlen ist eben immer noch derjenigen nach „Positionen“ (von denen dieses Buch 12399 auf gut 450 Seiten umfasst) vorzuziehen, auch wenn letztere im Prinzip weit präzisere Verweise auf bestimmte Stellen ermöglicht. Ebenso hätte die e-Book-Version vielleicht die Möglichkeit geboten, die inzwischen zahlreich online verfügbaren Digitalisate von Renaissance-Abbildungen zu verlinken, die für das Verständnis des Textes sicherlich hilfreich wären und oft auch erwähnt sind: So werden in Kapitel 1 bspw. mehrfach Renaissance-Darstellungen von Münzbildern u.a. ausführlich beschrieben, jedoch nicht abgebildet. Aber in der Summe hätte dies vielleicht einen eigenen Teilband mit Abbildungen erfordert – ein Aufwand, auf den man eben gerade angesichts der Verfügbarkeit im Internet wiederum eigentlich verzichten kann.

Wie bereits angedeutet, ist eine Stärke des Buches die Verbindung vielfältigster Informationen zu einzelnen Personen, Kunstwerken oder Disziplinen, deren heute weitestgehend übliche Aufteilung auf verschiedene Fächer und Spezialgebiete es dem Interessierten in der Regel nicht gerade erleichtert, eben diese Verbindungen und ihre wechselseitigen, meist fruchtbaren Beziehungen untereinander zu erkennen und ggf. für die eigenen Forschungen zu berücksichtigen. Gerade diese (durchaus im modernen Sinne zu verstehende) ‚Interdisziplinarität‘ zeichnet aber die antiquarischen – oder vielfach bereits als ‚archäologisch‘ zu bezeichnenden – Bemühungen der von Cooper behandelten Zeit und Personenkreise aus, und Coopers Verdienst ist es, ebendiese auch nachzuzeichnen. Indirekt möchte und sollte man Coopers Buch daher auch als Anregung verstehen, genau solche die Fächergrenzen überschreitenden Kontakte und Forschungen (wieder) aufzunehmen – nicht nur, um den Forschungsgegenständen selbst (Artefakte, Personen, Ideen, …) und ihrer Geschichte besser gerecht werden zu können, sondern auch, um die sich ursprünglich komplementierenden Wissensgebiete wieder stärker miteinander zu verzahnen und das, was vielleicht unter dem einen Blickwinkel unzusammenhängend und schwer verständlich erscheint, unter Einbeziehung eines anderen (besser) zu verstehen.

Insgesamt kann man diese umfassende und in viele Bereiche ein- bzw. über diese hinaus weiter führende Arbeit jedem empfehlen, der sich nicht nur für die Kultur der Renaissance interessiert, sondern speziell für deren Wiederentdeckung der Antike, die Netzwerke und Interessen der Protagonisten und die vielen Einzelbeobachtungen und -informationen, die in solcher Konzentration wohl kaum sonst irgendwo monographisch vereint zu finden sind.

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Anmerkungen:

[1] Vgl. z.B. seine Bücher:
- Rabelais et l’Italie (= Etudes Rabelaisiennes XXIV), Genf: Droz, 1991.
- Litterae in tempore belli, Genf: Droz, 1997.
bzw. Aufsätze wie:
- Rabelais and the 'Topographia Antiquae Romae' of Marliani, in: Etudes Rabelaisiennes, XIV (1978), S. 59–70 + 71–87.
- Collectors of Coins and Numismatic Scholarship in Early Renaissance France, in: Crawford, M. H.; Ligota, C. R.; Trapp, J. B. (Hrsg.): Medals and coins from Budé to Mommsen = Warburg Institute Surveys and Texts 21 (1990), S. 5–23.
- Epigraphical Research in the Mid-Sixteenth Century: The Papers of Antonio Agustín and Jean Matal, in: Crawford, M. H. (Hrsg.): Antonio Agustín between Renaissance and Counter-Reformation. (= Warburg Institute Surveys and Texts; 24). – London: Warburg Institute, 1993, S. 95–111.
u.a.m.

[2] Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance = http://census.bbaw.de

[3] Corpus Inscriptionum Latinarum = http://cil.bbaw.de. – Sein Begründer Theodor Mommsen wurde übrigens wohl durch die Inschriftensammlungen Jean Matals in der Biblioteca Apostolica Vaticana zu diesem Jahrhundertprojekt angeregt, die zugleich einen wesentlichen Grundstock der ersten Arbeiten bildeten.

[4] Stellvertretend sei der Tagungsband zum Codex Coburgensis genannt: Harprath, Richard; Wrede, Henning (Hrsg.): Antikenzeichnung und Antikenstudium in Renaissance und Frühbarock – Akten des Internationalen Symposiums 8.–10. September 1986 in Coburg. – Mainz: 1989.

[5] Heuser, Peter Arnold: Jean Matal. Humanistischer Jurist und europäischer Friedensdenker (um 1517–1597). Köln u.a.: Böhlau, 2003.

Cooper, Richard: Roman Antiquities in Renaissance France, 1515-65, Ashgate 2013
ISBN-13: 978-1-4094-5265-2, 435 p., EUR 112,27

Empfohlene Zitation:
Bernd Kulawik: [Rezension zu:] Cooper, Richard: Roman Antiquities in Renaissance France, 1515-65, 2013. In: ArtHist.net, 23.02.2015. Letzter Zugriff 24.12.2024. <https://arthist.net/reviews/9467>.

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