REV 13.04.2005

Bettina Uppenkamp: Judith und Holofernes in der italienischen Malerei des Barock

Rezensiert von Brigitte Reineke
Redaktion: Claudia Sedlarz
Click to enlarge

Die meisten kunsthistorischen Studien zu Judith-und-Holofernes-Darstellungen konzentrieren sich auf die dramatischen Gemälde des italienischen Barock. Das mag in der Drastik des dargestellten Geschehens und manch deutlich erotischer Darstellung der jüdischen Heroine begründet sein. Gemälde des frühen 16. Jahrhunderts werden selten behandelt, eher noch finden Gemälde des Florentiner 15. Jahrhunderts wie z.B. Botticellis kleinformatige Gemälde als Vorläufer der ungleich eindrücklicheren Bilder des italienischen Barock Erwähnung.Auch Bettina Uppenkamp widmet sich den Darstellungen aus der Zeit des Barock, als insbesondere in den Zentren der Gegenreformation eine auffällig häufige Behandlung des Judith und Holofernes-Themas zu beobachten ist. Die Autorin macht neben den berühmten Werken von Caravaggio, Valentin de Boulogne und Artemisia Gentileschi auch mit weniger prominenten Gemälden der Zeit bekannt.

Uppenkamp gliedert ihre Untersuchung nach den einzelnen Darstellungstypen, die im Zusammenhang von politischer Ikonographie, dem Geschlechterverhältnis und der zeitgenössischen Affektenlehre behandelt werden. Diese Aufteilung bringt reiche Erkenntnisse über die Funktionsweise der untersuchten Gemälde in ihrem zeitgenössischen Kontext. Den Darstellungen der Artemisia Gentileschi widmet Uppenkamp ein eigenes Kapitel, nicht etwa um die Heroisierung der Malerin als „Genossin im Kampf“ gegen das Patriarchat (S. 181) fortzuschreiben, sondern um ihrer künstlerischen Besonderheit den notwendigen Raum zu bieten.

Am Anfang der Arbeit steht eine Nacherzählung des apokryphen Buchs ‚Judith’ und seiner Überlieferung, die vor allem der Orientierung des Lesers dienen soll und weniger eine kritische Auseinandersetzung mit der biblischen Figur darstellt, die in der Vergangenheit oft als feministische Identifikationsfigur benutzt worden ist - ungeachtet der Tatsache, daß sich die Heldin selbst als abhängige Befehlsempfängerin bezeichnet. Die Bibel, aus der Uppenkamp zitiert, bleibt dabei allerdings ungenannt, so daß sich dem neugierigen Leser nicht erschließt, woher der Name der Magd stammt, die im Text der Apokryphe namenlos bleibt.

Aus dem apokryphen Text ergeben sich die Eigenschaften, die die Heldin zur Tugendpersonifikation insbesondere von Castitas, Fortitudo, Humilitas und Justitia prädestinieren. In der Stadtrepublik Florenz, in der Judith als Summe aller Tugenden als kommunales Freiheitssymbol diente, wird die berühmte Bronzegruppe Donatellos 1495 durch Michelangelos Skulptur des David, typologisches Pendant der Judith, ausgetauscht, um den neu gegründeten kommunalen Milizen eine männliche Identifikationsfigur zu bieten, wie Uppenkamp in einer schlüssigen These ausführt.

Im 17. Jahrhundert inszenieren Caravaggio und seine Nachfolger die Gewalt der Szene deutlich drastischer. Der Heerführer wird bar jeder Macht im blutigen Kampf gezeigt. Die Betrachtung im Rahmen der politischen Ikonographie und gegenreformatorischen Programmatik lässt Erkenntnisse über die Funktionsweise der Bilder zu, wobei die Visualisierung von Gewalt als Teil der zeitgenössischen Affektenlehre zu verstehen ist. Als weitere und interessante Funktion der Bilder benennt Uppenkamp die Darstellung des Rollenverständnisses und – verhältnisses zwischen den Geschlechtern. Bereits hier zeigt sich die negative Besetzung der männlichen Geschlechterrolle durch Holofernes.

Das Judith-Thema wird jedoch nicht erst im römischen 17. Jahrhundert, sondern ist schon in den Jahrhunderten zuvor ein kommunales Freiheitssymbol für die Stadtrepubliken Florenz (mit Verweis auf die Bronzestatue Donatellos) und Venedig, woran Uppenkamp zumindest kurz erinnert. In ihrem Kapitel zu den halbfigurigen Galeriebildern werden jedoch die auffällig vielen venezianischen Einzeldarstellungen aus dem frühen 16. Jahrhundert nicht behandelt. Eine eingehendere Beschäftigung mit diesen im privaten Rahmen entstandenen Gemälden hätte zeigen können, daß zumindest die barocken Galeriebilder mit ihrer erotischen Deutlichkeit in Kontinuität zu den früheren Darstellungen gesehen werden sollten. Uppenkamp unterscheidet auch kaum zwischen privaten und öffentlichen Aufträgen, zwischen unterschiedlichen Bildformaten und –funktionen, die sicherlich ebenfalls von entscheidender Bedeutung für die verschiedenen Darstellungstypen sind.

Behandelt wird der Zusammenhang mit Darstellungen der Weibermachtzyklen, in denen neben Delila auch Jael und Judith agieren. Dort dient „die Figur Judiths als Exemplum für die Fatalität des weiblichen Geschlechts […]“ (S. 91). Die Darstellung der Judith als Galeriebild weist häufig Anklänge an die negativ besetzte Figur der Salome auf, wie Uppenkamp an verschiedenen Gemälden zeigen kann. Allerdings täuscht sie sich hier, wenn sie diese Verbindung erst für das 17. Jahrhundert feststellt: nicht nur das rätselhafte Bild Francesco Maffeis (Faenza, Pinacoteca, 1650), sondern auch Bilder von Pordenone (Sarasota, The John and Mable Ringling Museum of Art, um 1529) und Romanino (Berlin, Gemäldegalerie SMB, 1516/1517) zeigen eine solche ikonographische Vermischung. In der Zusammengehörigkeit zweier Bilder als Pendants, wie sie beispielsweise Tizian (Judith/ Detroit, Institute of Arts; Salome/Zürich, Privatbesitz, beide um 1570) konzipiert hatte, zeigt sich ebenfalls schon eine Verunglimpfung der Judith-Gestalt zu einer Salome.

Besonders interessant wird die Untersuchung da, wo Bettina Uppenkamp über die Fokussierung auf die weibliche Geschlechterrolle hinausgeht und Darstellung und Funktion der männlichen Rolle nachspürt. Entgegen der gängigen Behandlung des Themas tritt die negative männliche Rollenbesetzung durch Holofernes in den Mittelpunkt der Gender-Diskussion.

Zuletzt werden die nachtridentinischen Bilder thematisiert, die als kirchenpolitische Aussage zu verstehen sind, in denen die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Tyrannenmordes gestellt und beantwortet wird. Insbesondere in den jesuitischen Bühnendramen wird die Frage nach dem gerechten Mord gestellt. Das ‚Drama der Affekte’ ist von essentieller Bedeutung in den Bühnenstücken wie auch in den zeitgleich entstehenden Gemälden. Judith-Darstellungen wie auch Bühnenstücke entsprechen dem gegenreformatorischen Bestreben, den Sieg der Tugend über das Laster bzw. den Sieg der katholischen Kirche über die Häresie zu demonstrieren.

Das italienischen Barock brachte vielfältige Darstellungen des Judith-Sujets hervor, wie der sich an die Untersuchung anschließende Katalog eindrucksvoll aufweist. In den Gemälden mit ganz unterschiedlichen Formaten und Funktionen erweisen sich die von Uppenkamp untersuchten Verbindungen von Moral, Politik, Geschlechterrollen und Erotik als spannend und aufschlussreich.

Uppenkamp, Bettina: Judith und Holofernes in der italienischen Malerei des Barock, [Berlin]: Dietrich Reimer Verlag 2004
ISBN-10: 3-496-01304-4, 290 S., ca. EUR 49.00, ca. CHF 84.00

Empfohlene Zitation:
Brigitte Reineke: [Rezension zu:] Uppenkamp, Bettina: Judith und Holofernes in der italienischen Malerei des Barock, [Berlin] 2004. In: ArtHist.net, 13.04.2005. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/reviews/78>.

Creative Commons BY-NC-NDDieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 4.0 International Licence". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de.

^