REV-CONF 10.05.2014

Museen im Nationalsozialismus

Deutsches Historisches Museum, Berlin, 13.–15.06.2013

Bericht von Julia Pfannschmidt, Berlin
Redaktion: Steffen Haug

Anlässlich des 80. Jahrestages der Machtübernahme der Nationalsozialisten und im Zusammenhang des Themenjahres „Zerstörte Vielfalt“ fand vom 13.-15. Juni 2013 die gemeinsam von der Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte e.V. (RSG) und dem Deutschen Historischen Museum (DHM) organisierte Tagung „Museen im Nationalsozialismus“ statt. Sie hatte das Ziel, Forschungsbeiträge verschiedener Disziplinen zu einem übergreifenden (und vorläufigen) Gesamtbild zur Stellung der Institution Museum in der NS-Zeit zusammenzufügen. Austragungsort war das DHM im Berliner Zeughaus Unter den Linden, jener Ort, der ab 1939 als Heeresmuseum der Wehrmacht unterstellt war und den Nationalsozialisten als Propagandainstrument diente. Dem Tagungsort wohnte also nicht nur eine funktionelle, sondern auch eine für die Tagung repräsentative Eigenschaft inne: Das DHM steht als Museum in einer Reihe vieler anderer, die sich zunehmend in der Verantwortung sehen, NS-Geschichte auszustellen und darüber hinaus die eigene Institutionshistorie aufzuarbeiten.

Wie kommt es zu der zunehmenden Sensibilisierung für die gesellschaftliche Bedeutung von Museen in der NS-Zeit? Wie hat sich die Forschung diesbezüglich in den letzten Jahrzehnten entwickelt und wo steht sie gegenwärtig? Wie stringent war die NS-Museumspolitik und welche langfristigen Nachwirkungen hat sie? Die Tagung suchte Antworten auf diese von TANJA BAENSCH (Berlin) in der Einführung formulierten Fragen. In ihrem Überblick über die Forschungslage betonte Baensch, dass die Zugänglichkeit relevanter Archive erst mit der Wiedervereinigung gewährleistet worden und es daher nun das „Privileg und (die) Verantwortung der Enkel-Generation“ sei, die Museumsgeschichte während der NS-Zeit einer kritischen Revision zu unterziehen.

Im Folgenden wird ein ausgewählter Teil der Redebeiträge des Tagungsprogramms besprochen.

Die erste Sektion vermittelte einen Eindruck von der teils unentschiedenen, teils dilettantischen Museumspolitik während der NS-Herrschaft, die den Museen durchaus Möglichkeiten der Selbstorganisation einräumte, sie jedoch auch der sogenannten Gleichschaltung zu unterziehen suchte. KRISTINA KRATZ-KESSEMEIER (Berlin) lenkte den Blick auf den Deutschen Museumsbund als offiziell nie gleichgeschaltete Vertretung von Kunst-, Naturkunde- und Heimatmuseen, dessen aktive museumspolitische Rolle unter dem damaligen Vorsitzenden Karl Hermann Jacob-Friesen im Changieren zwischen neuen Museumsorganisationsstrukturen, systemkonformer Volksbildungsidee und professionellem Freiraum bisher nur in ersten Ansätzen als erforscht gelten kann. PETRA WINTER (Berlin) spürte der „Ersten Tagung deutscher Museumsdirektoren“ im November 1937 im Berliner Pergamonmuseum nach, die seitens des Reichserziehungsministeriums eine „Gleichschaltung“ des Führungspersonals in Museen zum Ziel hatte, deren Ergebnis jedoch letztlich kontraproduktiv war: Verschiedene Teilnehmer berichteten von „schlechten Vorträgen“, ja, sie waren aufgebracht, weil ausgerechnet das Schaffen Rembrandts, dessen Popularität vor allem in kulturkritischen Kreisen in Deutschland infolge Julius Langbehns Schrift Rembrandt als Erzieher kaum zu überbieten war, als „Ghetto-Kunst“ diffamiert wurde.

Den letztlich inkonsequent bleibenden inländischen Gleichschaltungsversuchen im Bereich übergeordneter Museumsstrukturen stellte die erste Tagungssektion die Selbstinszenierungen deutscher Museen im Ausland gegenüber. CHRISTINA KOTT (Paris) beschäftigte sich mit der Präsentation deutscher Museen in der Abteilung zu typologischen Museumsinszenierungen und -architekturen auf der Pariser Weltausstellung 1937 im Palais d’art moderne, bei der konservative Inhalte und moderne, multimediale Vermittlungsmethoden verknüpft wurden. BÉNÉDICTE SAVOY und PHILIPPA SISSIS (Berlin) griffen den gezielten Einsatz modernster Massenmedien im NS-Museumskontext in ihrem Abendvortrag auf, indem sie im Tagungsraum – passenderweise der Kinosaal des Zeughauses – die dramatisch aufgeladenen Kulturfilme von Hans Cürlis [1] über Sammlungsbestände der Berliner Museen einer Analyse unterzogen, die unter Titeln wie "Vom Faustkeil zur Handgranate" deutliche filmästhetische Parallelen zu den monumentalen Aufnahmen Leni Riefenstahls aufwiesen. Die Strategie, Museumspropaganda durch Filme zu betreiben, die nicht nur auf der Pariser Weltausstellung, sondern auch vor den Hauptfilmen im Kino gezeigt wurden, steht dabei beispielhaft für die museumspolitische Grundidee der Nationalsozialisten, aus dem elitären Gelehrtenmuseum ein nahbares Volksmuseum machen zu wollen.

Von diesen Rahmenbedingungen einer von einem neuen Volksbildungsanspruch getragenen, strukturell indes keineswegs stringenten NS-Museumspolitik ausgehend, rückten in den folgenden Tagungssektionen konkrete museale Gestaltungsformen zwischen 1933 und 1945 in den Fokus, die im Kontext der NS-Ideologie entstanden. Während MICHAEL TYMKIW (Chicago) sich mit den außerhalb der Museen organisierten Fabrikausstellungen beschäftigte, deren fotografische Dokumentation er überzeugend als Instrument deutete, den Mythos einer klassenlosen Gesellschaft zu fördern, entwickelte MARGIT BERNER (Wien) aus anthropologischer Perspektive die These, dass Museen dazu dienten, NS-Ideologien wie beispielsweise eugenisches Gedankengut vermeintlich objektiviert und verwissenschaftlicht zu verbreiten. Ihre These untermauerte sie, indem sie Einblicke in die Ausstellung Das körperliche und seelische Erscheinungsbild der Juden (1939) sowie in entsprechende didaktisch aufwendige Präsentationen im Naturhistorischen Museum Wien zwischen 1930 und 1950 gab. Über die NS-Zeit hinaus führte auch BETTINA KEß‘ (Veitshöchheim) Beitrag über die im Jahr 1941 gegründete Städtische Galerie Würzburg, deren Leiter Hans Dikreiter sich bis in die 1960er Jahre hinein für NS-konforme Kunst offiziell stark machte und der so beispielhaft für die ausgeprägten Kontinuitäten in der deutschen Museumslandschaft über 1945 hinaus steht.

Neben den Gattungen der Naturkunde- beziehungsweise Kunstmuseen, die in den Fallbeispielen aus Wien und Würzburg im Mittelpunkt standen, gerieten insbesondere mit der letzten, „Symbolorte“ betitelten Sektion weitere Museumstypen wie etwa archäologische, militär- und kulturhistorische Sammlungen ins Blickfeld. Dazu zählte auch das Weimarer Goethehaus, mit dem sich der Literaturwissenschaftler PAUL KAHL (Göttingen) auseinandersetzte. Kahl widmete sich dem 1935 eröffneten Erweiterungsbau des Dichterhauses, den der damalige Direktor Hans Wahl dank der finanziellen Zuwendung Hitlers realisieren ließ. Bis heute ist die NS-Verstrickung von Wahl in Weimar nicht aufgearbeitet, was Kahl nachdrücklich kritisierte.

Die Tagung hat zweifelsohne neue Erkenntnisse vermittelt, aber auch bereits bekannte Forschungsergebnisse bestätigt. So wurde deutlich, dass es zwar einschlägige Propagandaorgane und -instrumente gab, eine durchweg einheitlich Ideologie aber, die im Museums- und Ausstellungsbereich den Begriff der „Gleichschaltung“ rechtfertigen würde, nicht vorlag. Obgleich die Weimarer Republik von den Nationalsozialisten verbal offensiv verunglimpft wurde, zählten moderne museographische Methoden der 1920er Jahre zum fortschrittlichen Standard in der Museumspraxis nach 1933. Kontinuitäten lassen sich jedoch nicht nur vor und nach der „Machtergreifung“, sondern auch bis weit in die Nachkriegszeit hinein beobachten, vornehmlich beim Museumspersonal, dessen Handlungsspielräume in einer eigenen Sektion zur Diskussion gestanden hatten. Hier gelang es dank der Vorträge von MORWENA BLEWETT (London), MONIKA LÖSCHER und SUSANNE HEHENBERGER (Wien) den Blick auf Restauratoren und MitarbeiterInnen der Verwaltung zu lenken, deren Rolle für die Museumspraxis unter dem NS-Regime noch kaum ergründet ist. War die Ausstellung „Entartete Kunst“ bisher eines der meist erforschten Themen der NS-Kulturpolitik, legt die Tagung nahe, dass Museumstypen wie etwa die Heimatmuseen für den NS-Volksbildungsansatz entscheidender waren als die als elitär geltenden Kunstmuseen. Aufgrund der propagierten „NS-Rassenhygiene“ wäre ein noch größeres Spektrum an Beispielen aus dem Bereich der Anthropologie und Ethnologie sicher hilfreich gewesen. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Ausstellungsprogrammen ausländischer Museen jenseits der besetzten Gebiete bleibt gleichfalls eine Desiderat der Forschung – auf eine Fortsetzung der Diskussionen um die Museumsgeschichte während der NS-Zeit, die die Tagung angeregt hat, bleibt also zu hoffen.

[1] Vgl. Ulrich Döge: Kulturfilm als Aufgabe. Hans Cürlis (1889-1982), Filmblatt-Schriften, Band 4 (2005), Cinegraph, Babelsberg.

Empfohlene Zitation:
Julia Pfannschmidt: [Tagungsbericht zu:] Museen im Nationalsozialismus (Deutsches Historisches Museum, Berlin, 13.–15.06.2013). In: ArtHist.net, 10.05.2014. Letzter Zugriff 20.04.2024. <https://arthist.net/reviews/7686>.

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