REV-CONF 25.01.2004

Artwork through the market

Bratislava, 11.–13.12.2003

Bericht von Sabine Dorscheid

Artwork through the market. The past and the present

In Bratislava fand vom 11.-13. Dezember 2003 die Konferenz „Artwork through the market. The past and the present“ statt. Eingeladen hatten Ján Bakos, der Leiter des Kunsthistorischen Instituts an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (www.dejum.sav.sk), sowie die Stiftung Center for Contemporary Arts (www.scca.sk). Das Ziel dieser international besetzten Veranstaltung sollte eine Konfrontation der Forschungsansätze zum Thema Kunstmarkt sein. Ján Bakos erklärte in seiner Einführungsrede, dass er sich eine lebhafte Auseinandersetzung zwischen den deskriptiven Positionen und den explizit marktkritischen Ansätzen wünsche. Die Tagung wollte die unterschiedlichen Analysearten des Kunstmarktes selbst zum Gegenstand der Betrachtung machen.

Bratislava als Tagungsort versprach zudem eine Konfrontation von west- und osteuropäischen Forscherperspektiven. Eine entsprechende Auseinandersetzung fand jedoch nur in sehr geringem Umfang statt. Der Grund für das Ausbleiben dieser Konfrontation war der auffällig kleine Anteil osteuropäischer WissenschaftlerInnen unter den Vortragenden – ein Mangel, für den allerdings nicht der Veranstalter verantwortlich zeichnet, sondern der schlechterdings auf ein geringes Interesse vor Ort und damit auf eine entsprechend reduzierte Forschungstätigkeit in diesem Bereich zurückzuführen ist. Die westeuropäischen Kunstmarktforscher dominierten: fünf Amerikaner (Claire Farago, Patricia Mainardi, Paul Mattick, DeCourcy McIntosh, Martha Woodmansee), zwei Briten (Peter Burke, Brandon Taylor), ein Belgier (Filip Vermelyen), eine Niederländerin (Mariet Westermann), ein Schweizer (Oskar Bätschmann), ein Österreicher (Christian Huemer), zwei Franzosen (Madeleine Fidell-Beaufort, Alain Quemin), drei deutsche Forscher (Sabine Dorscheid, Ursula Frohne, Michael North), jedoch nur ein Russe (Michael Bibikov), ein Slowake (Ján Bakos) und drei Ungaren (Gábor Ébli, Eva Forgács, András Zwickl) nahmen teil.

Unter diesen Umständen fiel die Anwesenheit der ungarischen Kunsthistoriker um so stärker ins Gewicht. Sie zeigten mit detailgenauen historischen Analysen, wie sich unter antikapitalistischen Vorzeichen ein Kunstmarkt in Ungarn entwickeln konnte. Neben diesen erhellenden Blicken hinter den Eisernen Vorhang überwogen jedoch die Studien zu westlichen Kunstmärkten, Kunsthändlern und deren Vermarktungsstrategien. Beim Tagungspublikum befanden sich leider weder deutsche Pressevertreter noch deutsche Kunsthistoriker, hieraus erklärt sich, warum eine der beteiligten ReferentInnen gebeten wurde, diesen Tagungsbericht abzufassen.

Die überzeugendsten Beiträge der Tagung waren Einzelfallstudien, die beispielsweise erläuterten, wie einzelne Künstler in einem marktmäßig orientierten Betrieb neue Bildgattungen erfanden. Mariet Westermann, New York, referierte in diesem Zusammenhang über Adriaen van de Venne, der seine in Grautönen gehaltenen Darstellungen von verkrüppelten und unterprivilegierten Menschen zu einem Markenprodukt entwickelte. Patricia Mainardi, ebenfalls aus New York, machte anschaulich, wie die serielle Wiederholung von Motiven primär dem kommerziellen Interesse diente. In zwei weiteren Vorträgen von Oskar Bätschmann (Bern) über Amboise Vollard und von Christian Huemer (New York/Wien) über Charles Sedelmeyer wurde schließlich deutlich, wie Kunsthändler spezifische Verkaufstaktiken entwickelten, welche dann auch die Wahrnehmung von Kunst in der Öffentlichkeit mitgeprägt haben.

Das entsprechende Kontextwissen zu derartigen Einzelphänomenen lieferten Überblicksdarstellungen, zu denen der Vortrag „Kunst im Kontext der Entwicklung von Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten“ von Michael Bibikov (Moskau) und „Der europäische Kunstmarkt vom 14. bis zum 19. Jahrhundert“ von Michael North (Greifswald) zu zählen wären. Michael North wies anhand von Auktionslisten und Verkaufspreisen einen Umsatzhöhepunkt des europäischen Kunstmarktes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach, wohingegen Michael Bibikov den Kunstmarkt als einen Warenmarkt unter vielen in der sich entwickelnden Neuzeit präsentierte. Die Thesen zu „Kunst, Markt und Sammeln im Europa der Frühmoderne“ wurden leider nicht von Peter Burke persönlich vorgetragen, da er kurzfristig verhindert war.

Dem aktuellen Kunstmarkt waren nur wenige Vorträge gewidmet - doch lösten gerade diese die stärksten Publikumsdiskussionen aus. Beim Bratislaver Publikum bestand ganz offenkundig ein dringender Definitionsbedarf, was die „Qualität“ von Gegenwartskunst angeht und wie diese in Beziehung zur ihrer ökonomischen Bewertung zu setzen sei. Brandon Taylor, der in Southampton Kunstkritik lehrt, nutzte alle rhetorischen Möglichkeiten seines Berufes und nicht zuletzt seinen feinen englischen Humor, um in diesem turbulenten Meinungsstreit die aktuelle Präsentation der Saatchi Collection in London vorzustellen und auf höchst geistreiche Wiese zu durchleuchten. Eine spezifisch nationale Problematik führte dagegen der Vortrag zum Ruin des niederländischen Kunstmarktes im 20. Jahrhundert vor (Sabine Dorscheid): In den Niederlanden griff die Kunstpolitik so stark in den Markt für zeitgenössische Kunst ein, dass dieser bis zum heutigen Tage destabilisiert ist.

Abgerundet wurde die Tagung durch einen Beitrag von Ursula Frohne (Bremen), die einige aktuelle Kunstkonzepte vorstellte, welche selbst die Ökonomie und den Kunstmarkt reflektieren. Es handelte sich hier um erste Ergebnisse eines Forschungsprojektes, das an der International University of Bremen eingerichtet wurde.

Obwohl das Konfrontationspotenzial aufgrund der geringen osteuropäischen Beteiligung bei dieser Veranstaltung erheblich reduziert war, kam es zu einem gelungenen Austausch aktueller Positionen im Bereich der Kunstmarktforschung.

Die diesjährige Tagung versteht sich als Fortsetzung einer vorangegangenen Vortragsreihe („The past in the present: Contemporary Art and Art History Myths“), die bereits im 2001/2002 stattfand und deren Beiträge bereits publiziert sind. Autoren waren damals: Michael Ann Holly, Keith Moxey, Olga Hazan, Donald Preziosi, Wolfgang Kemp, Stephan Bann, Matthew Rampley und James Elkins. Auch zur jüngsten Veranstaltung wird ein Folgeband erscheinen, auf den hiermit bereits hingewiesen sei.

Empfohlene Zitation:
Sabine Dorscheid: [Tagungsbericht zu:] Artwork through the market (Bratislava, 11.–13.12.2003). In: ArtHist.net, 25.01.2004. Letzter Zugriff 18.04.2024. <https://arthist.net/reviews/442>.

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