REV-CONF 07.12.2004

Stil als Bedeutung

Universität zu Köln, 19.–20.11.2004

Bericht von Heiko Laß
Redaktion: Livia Cárdenas

Stil als Bedeutung. Künstlerische Konzepte in Architektur und den Bildkünsten im Rheinland und den Nachbargebieten (1450-1650). 2. Sigurd Greven-Kolloquium zur Renaissanceforschung 19. und 20. November 2004

Erklärtes Ziel des Kolloquiums war eine Verbindung der beiden ältesten Methoden des Faches Kunstgeschichte herzustellen: Ikonographie und Stilanalyse. Dabei sollte die Verknüpfung der Herleitung und Interpretation von Motiven und Stoffen mit den formalen Eigenheiten eines Werkes oder Oeuvres fruchtbar gemacht werden. Um eine Stilgeschichte im Sinne des 19. Jahrhunderts mit einer kontinuierlichen Entwicklung, die in Epochen eingeteilt wird, ging es jedoch nicht! Im Zentrum stand die inhaltliche Interpretation formaler und genuin künstlerischer Phänomene. Die Organisatoren des Kolloquiums (Norbert Nußbaum, Köln - Stephan Hoppe, Köln - Matthias Müller, Greifswald) wollten unter Stil mehr als Formalismus verstanden wissen. Die Form war ihnen eine absichtsvolle Schöpfung, wobei sie davon ausgingen, daß keine Form ohne Absicht und Bedeutung entstehe (Norbert Nußbaum, Köln: Begrüßung). Konzept und Inhalt gehören zusammen und sind als Einheit zu betrachten.

Der Begriff Stil wurde bewußt weit gefaßt als Bestandteil einesübergeordneten Konzepts oder Ausfluß kultureller Voraussetzungen, und zwar sowohl formal als auch konzeptionell. Immer wieder führte die Vielfalt der historischen Stilbegriffe mit ihren regionalen Eigenarten zu semantischen Mißverständnissen, zumal auf diesem international besuchten Kolloquium. Definition und Anwendung variieren bekanntermaßen zwischen Ländern und Regionen, Fächern und Gattungen.

Einige Beiträge fragten danach, wie Stile konstruiert, wie sie definiert werden, wobei aber hauptsächlich die Architektur im Vordergrund stand (Stephan Hoppe, Köln: Stilbegriffe. Eine Einführung in ihre allgemeinen und kunstspezifischen Verwendungen seit der Antike - Dirk van de Vijver, Löwen: The Crisis of Stylistic Categories in the Historiography of Late 18th and Early 19th-Century Architecture). Letztlich ging es um die Frage, ob die Definitionskriterien objektiv gesetzt werden können. Was wird als relevant angesehen, was wird weggelassen. Und dies bezieht sich sowohl auf den Personalstil als auch auf Stillagen (Hoppe). Oft läge dem Stilbegriff ein Entwicklungs- und Einheitsgedanke im Sinne von richtig und rein zugrunde. Dies sei ein historisches Konstrukt. Als Arbeitskonstrukt unterscheidet Hoppe zwei Arten von Stil. Der eine ist operativ zu verstehen und wird von ihm als unwillkürlich bezeichnet. Mit seiner Hilfe könne etwa eine Datierung oder Zuschreibung vorgenommen werden. Den anderen nennt er willkürlich. Es handelt sich in diesem Fall um eine Form, die situationsbedingt codiert wird und Form und Bedeutung miteinander verbindet. Vor allem sei an Repräsentation und Mode zu denken. In der Diskussion war man sich jedoch einig, daß es im allgemeinen aber zu einer Verschränkung kommen dürfte. Bezug auf das Modell wurde kaum genommen, doch näherten sich die meisten Beiträge der von Hoppe als willkürlich bezeichneten Variante an. Wie wenig ein Stilbegriff ohne Erläuterung und Einordnung in einen historisch- geographischen Raum aussagen kann, verdeutlichte Dirk van de Vijver.

Ulrich Fürst führte aus, daß im 16. Jahrhundert vermehrt Architekturtrakte stilbildend wirkten, und zwar nicht nur in bezug auf die Form, sondern auch in bezug auf die Bedeutung (Ulrich Fürst, München: Die Kategorie der Bedeutung in den deutschsprachigen Architekturtraktaten der frühen Neuzeit). Dies sei jedoch nicht nur durch Textwerke geschehen, sondern auch durch Tafel- und Bildbände. Beide waren gleichrangig auch theoriebildend. Die Differenzierung und Angemessenheit habe sich dabei besonders gut mittels der Säulenordnungen ausdrücken lassen.

In vielen Fallbeispielen suchten die Referenten, Bedeutung und Gestalt zu verbinden und Begriffe wie ‚Stilpluralisums‘, ‚Handschrift‘ oder ‚Stilwahl‘ zu konkretisieren. Dabei herrschte Einigkeit, daß die unterschiedlichen Stile ‚Gotik‘ und ‚Renaissance‘ im 15. und 16. Jahrhundert lange Zeit weder in einer zeitlichen, noch in einer qualitativen oder kategorischen Abfolge standen.

Dies offenbart sich etwa am Werk des Jan Gossaert, der sich ‚spätgotischer‘ Formen ebenso bediente wie der der ‚Renaissance‘ (Ariane Mensger, Heidelberg: Jan Gossaert und der niederländische Stilpluralismus zu Beginn des 16. Jahrhunderts - eine Annäherung). Dabei kann in seinem Werk weder eine chronologische Reihenfolge im Sinne einer Entwicklung, noch eine unterschiedliche Wertigkeit der Stile festgestellt werden. Vielmehr zeichnet sich sein Werk durch eine synchrone Verwendung der Stile aus, die ihren Wert bzw. ihre Bedeutung je nach der Situation erhalten. Sie können sogar am selben Werk auftreten. Eine Verknüpfung mit ‚gotischen‘ Formen etwa als „Niederer Stil“ und mit Formen der ‚Renaissance‘ als „Hoher Stil“ sind spätere Konstrukte. Vielmehr galt die ‚Gotik‘ als modern und innovativ, die Formen der ‚Renaissance‘ bzw. Antike galten hingegen als alt. (Mensger; Krista de Jonge, Löwen: „Stil“ und „Manier“ in der niederländischen Architektur der frühen Neuzeit (1450- 1600). Zeitgenössische Quellen und kunsthistorische Tradition). So wurde in den Niederlanden ein eigener Stil mit einer eigenen Tradition entwickelt. Die aktuelle ‚Gotik‘ (Flamboyant) hatte jedoch gegenüber dem antiken Stil den Nachteil, daß sie sich nicht vereinfachen und reduzieren ließ. Dennoch muß bis weit in das 16. Jahrhundert hinein eine Gleichzeitigkeit und eine Gleichwertigkeit von modern (Gotik) und antik (italienische Renaissance) gesehen werden (de Jonge).

Das Erkennen der eigenen Geschichte und auch das Annehmen fremder Projektionen war das Thema einer weiteren Gruppe von Beiträgen. In diesen Kontext gehörte auch das Abgrenzen von anderen. Letztlich ging es um das Auflösen der Einheitlichkeit der Stilbegriffe anhand der Bedeutung der Form. Das naturalistische Astwerk etwa kann verschiedene Bedeutungen erhalten (Hanns Hubach, Zürich: Johann von Dalberg und die „Konstruktion“ der antiken Künste im Kreis der Heidelberger Frühhumanisten). Es wird auf die Urhütte bezogen, aber auch auf die germanisch-deutschen Traditionen wie das antike Bild Germaniens als Wald. Auch Bezüge zum Gralstempel seien möglich, wie es Hubach für den Frauenzimmerbau des Heidelberger Schlosses glaubhaft machen konnte. Im Kreis der Heidelberger und Wormser Humanisten um 1500 sei von einer nationalen Lesart auszugehen.

Stile konnten durchaus als Nationalstile verstanden werden, wobei verschiedene Nationen den selben Stil für sich reklamieren konnten wie etwa die Deutschen und die Franzosen die ‚Gotik‘ im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert. Dies zeige sich etwa in Italien sowohl an einzelnen Formen wie Spitzbögen, Rippen oder Astwerk, aber auch an Bautypen wie der Hallenkirche. Dies äußere sich etwa an der Kathedrale von Pienza oder der Sta. Maria dell‘ Anima in Rom. Dabei wurde nicht starr an einem bestimmten System festgehalten, sondern durchaus eine Anpassung an regionale Gepflogenheiten vorgenommen wie etwa der Verzicht auf Rippen oder das Ersetzen von Spitz- durch Rundbögen (Hubertus Günther, Zürich: Gotik in der römischen Hochrenaissance).

Daraus folgte für die Diskussionsrunde, daß unsere heutige Kategorisierung in Stilen nicht unbedingt der zeitgenössischen folgen muß. Man baute modern oder deutsch, nicht aber ‚gotisch‘. Deutschland stellte sich mit seiner Architektur als modern dar. Es habe sich im Gegensatz zu Italien auf der Höhe der Entwicklung gesehen. Nördlich der Alpen habe es kein kulturelles Tief mit einem anschließenden Neuaufstieg gegeben.

Auch die auffallende Häufung von Walddarstellungen in der Malerei Süddeutschlands und Österreichs um 1500 („Donaustil“) bezieht sich auf antike Autoren, die Germanien als Wald charakterisiert hätten. Gerade die häufige Darstellung von Flechten in der Malerei, die die antiken Autoren nannten, läßt diesen Schluß zu (Edgar Bierende, Bern: Der „Donaustil“ - eine Antwort deutscher Humanisten und Künstler auf die zeitgleiche italienische und burgundische Kultur?).

In einen ähnlichen Zusammenhang können auch Cranachs antikische Aktdarstellung gestellt werden. Hier mangelt es an pastoralen Hintergrundslandschaften, die Bewegungsabläufe der Figuren sind gebrochen, eine Interaktion mit den nordisch-deutschen Landschaften fehlt. Es handelt sich um einen betonten „Antirealismus“ (Matthias Müller, Greifswald: Von der allegorischen Historia zur Historisierung eines ‚germanischen Mythos‘. Die Bedeutung eines italienischen Bildkonzepts für Cranachs Schlafende Quellnymphe). Doch lassen Cranachs Aktdarstellungen eindeutig die Diskussionen Italiens erkennen. Die klassische Ruhelage wird aber zum verkrampft-spannungsgeladenen Körper umgewandelt. Diese deutsche Alternative zur italienischen Auffassung sei inhaltlich begründet: An die Stelle der Verführbarkeit des Augensinns trete die Warnung vor der Sünde. Zugleich werde mit der Unfähigkeit der Interaktion der Figur mit dem Bildraum auch eine negative Beeinflussung des Betrachters ausgeschlossen. Der Akt begebe sich seiner Materialität (Müller). Hinzu käme im konkreten Fallbeispiel der Bezug zu einer lokalen Sage.

Ein anderer Aspekt des Kolloquiums betraf Form und Status. So habe Kaiser Maximilian I. um 1500 offenbar einen Stil, der auf Alter und Tradition des Kaisertums verwies, bevorzugt. Zumindest lassen das die Darstellungen im „Weisskunig“ vermuten (Wolfgang Lippmann, Bonn: Der Kaiserstil - Architekturstil als Zeichensprache in der deutschen Renaissance). Stilistisch sind diese Elemente dabei nicht eindeutig zuzuordnen, sie entsprechen jedoch formal weder der ‚Gotik‘, noch der ‚Renaissance‘. Ein derartiges „Mittelalterrevival“ (Lippmann) kann im deutschen Südwesten auch anderwärts festgestellt werden.

Dieser äußerte sich auch in der Architektur. In Wellenburg bei Augsburg ließ sich Maximilian I. zusammen mit Matthäus Lang von Wellenburg ein Schloß (1507-20) erbauen, das zum einen Stammsitz Langs, zum anderen Jagdschloß des Kaisers werden sollte. Und während Maximilian I. traditionelle Raumaufteilungsschemata bevorzugte, entschied sich Lang für ein modernes Korridorschema (Nicole Riegel, Bonn/Würzburg: „romerstein“ und „wellisch kindell“ - Fragen der Stilwahl in der Bautätigkeit Kardinals Matthäus Lang von Wellenburg). Der Außenbau offenbarte keine moderne Formgebung, sondern hob mit einem ‚gotischen‘ Chor der Schloßkapelle traditionelle Elemente hervor.

Besonders deutlich stellt sich das Phänomen von Status und gewählter Form in der Provinz Utrecht dar. Nachdem der Adel seine Stammsitze anfänglich in den Formen der ‚italienischen Renaissance‘ bzw. des ‚niederländischen Klassizismus‘ gebaut hatte, ging er später dazu über, sich traditioneller, mittelalterlicher Formen zu bedienen. Anlaß war das Bemühen, sich baulich vom aufstrebenden Bürgertum, etwa Amsterdams und dessen Villenbauten, optisch abzusetzen. Doch auch dieser Wandel des Adels wurde von einigen Bürgern nachvollzogen, die sich ebenfalls formal- wehrhafter Bauformen bedienten, ohne daß das Objekt den Status eines derartigen Baus gehabt hätte (Konrad Ottenheym, Utrecht: Turm und Portico. Die Architektur des Utrechter Adels im 17. Jahrhundert).

Weitere Beispiele verdeutlichten, daß die Bedeutung einer Form nur vor dem konkreten kulturellen Hintergrund bestimmt werden kann. So versuchte die freie Reichsstadt Köln sich mittels antiker Formen an der Rathauslaube zu legitimieren und ihre Ansprüche, die sie auf die Antike zurückführte, auch bildlich darzustellen (Isabelle Kirgus, München: Die Kölner Rathauslaube und die stilistische Antikenrezeption). Wie schnell sich die Bedeutung einer Form ändern konnte, wurde an einem mitteldeutschen Beispiel vorgeführt. Hier war die modernere Form stets positiv konnotiert, so daß etwa dem Welschen Giebel um 1500 eine andere Bedeutung beigemessen wurde als 1550 (Heiner Borggrefe: Form versus Inhalt und die Grenzen der Stilkritik, dargelegt an Motiven Cranachs und des Schlosses Mansfeld).

So gesehen konnte Hermann Hipp die Frage stellen, ob die ‚Nachgotik‘ ‚gotisch‘ sei und sie letztendlich verneinen (Hermann Hipp: Nicht Stil und ohne Stil - die „Nachgotik“ der Architektur um 1600). Es lebten nur wenige Einzelmerkmale fort, von denen auch nicht immer alle Verwendung finden mußten. Moderne Elemente waren immer enthalten. Die Zeitgenossen redeten von „kirchisch“. Auch im Profanbau blieben ‚gotische‘ Strukturen erhalten wie Wendeltreppen, aber keine ‚gotischen‘ Einzelfomen, die ja als „kirchisch“ galten. Ein Anachronismus sei hier nicht zu sehen, sondern eine bruchlose Entwicklung, die von der systematischen Idee der Baugattungen ausgehe und keine Wiederherstellung der Antike anstrebte, die im italienischen Sinne nördlich der Alpen mangels Antike auch gar nicht erfolgen konnte. Das Geschichtsverständnis des italienischen Humanismus fehlte in Deutschland, das in jener Zeit auch kein Mittelalter kannte, sondern sich vielmehr in einer ungebrochenen Tradition sah. Diese hatte in der Gegenwart den vorläufigen Gipfel der Entwicklung erreicht. Außer in Bayern und Österreich war dieses kräftige Eigenbewußtsein stark ausgeprägt. Die ‚Nachgotik‘ ist nach Hipp kein Stil, vielmehr äußerten sich hier Habitus und Lebensstil.

Was für die Stillagen festgestellt wurde, kann ähnlich auch am Personalstil eines Künstler festgemacht werden. Am Beispiel von Robert Campin erläuterte Christiane Kruse (Christiane Kruse, Konstanz/Trier: „Realismus“. Kunstgeschichtliche Stilkategorie und Angebot zur immersiven Bildrezeption), daß eine posthume Verknüpfung von Stil und Bedeutung in bezug auf einen Künstler und seine Schaffensqualität aufgrund eines Geschmacksmodells nicht zulässig sein kann. Zudem müssen Konzept und Ausführung nicht unbedingt von der selben Person stammen.

Andererseits kann unter Umständen eine bewußte Bezugnahme auf den Personalstil eines Künstlers erfolgen, um mit der Form zugleich Inhalte zu transportieren (Mensger; Wolfgang Brückle, Bern: Postmoderne um 1600). So kann etwa gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine verstärkte und immer offensivere Bezugnahme auf van Eyck in den Niederlanden konstatiert werden (Brückle). Und Ende des 16. Jahrhundert kopiert Hendrick Goltzius verschiedene Personalstile, je nachdem, welches Thema er darstellt. Mit dieser Vorgehensweise wird Goltzius zu einem Vollender der Kunst, der die vorangehende Entwicklung in seinem Werk zusammenfaßt. Ursächlich hierfür ist das Problem, daß die Fülle der Abbildungen bzw. das Wissen um die Menge der qualitätvollsten Werke dazu führt, daß ein bestimmter Künstler nicht mehr ausschließlich monumentalisiert werden kann. Es wird immer unmöglicher, in einer Person und einem Personalstil die Summe aller Entwicklungen zu erkennen. Mit Goltzius versuchen die Niederländer nun, die Italiener und deren Michelangelo zu übertrumpfen (Brückle). Dabei sind verschiedene Handschriften möglich, die kontextabhängig eine bestimmte Bedeutung erhalten oder auch bedeutungslos sind.

Welche Ergebnisse hat das Kolloquium erbracht? Sicher nicht eine neue Definition von Stil oder ein Wiederaufleben der alten Stilgeschichte. Dies war und konnte nicht das Ziel der Veranstaltung sein. Hier wurden keine Ergebnisse, sondern Arbeitsberichte präsentiert. Es ging um Forschungsansätze und Grundlagenversicherung. Stil und Bedeutung wurden auf dem Kolloquium als genuin kunsthistorische Forschungsansätze gegen die traditionelle Stilgeschichte behauptet und die Ergiebigkeit des Ansatzes an Fallbeispielen vorgeführt. Eine Generalisierung der Ergebnisse wurde von allen Referenten ausgeschlossen, da sie immer aus dem Kontext abgleitet waren.

Gerade in der Abschlußdiskussion stellte sich heraus, daß im allgemeinen Verständnis Stil offenbar als das Ergebnis einer formalen Statistik verstanden wird. Dies erscheint nun jedoch in zweierlei Hinsicht als falsch: Zum einen werden zur Stildefinition gerade nicht alle zeitgenössischen Werke herangezogen, sondern nur die qualitätsvollen, deren Qualität sich wiederum an der möglichst reinen Umsetzung des Stils orientiert. Nur so konnten ‚Gotik‘ und ‚Renaissance‘ nördlich der Alpen im 15. und 16. Jahrhundert klar geschieden und in eine chronologische Abfolge gestellt werden. Zweitens kann das, was sich formal gleicht, nicht immer als stilistisch zusammengehörig betrachtet werden. Dies entspricht nicht den historischen Gegebenheiten und äußert sich etwa im Oeuvre verschiedener Künstler.

Es erscheint ferner offensichtlich, daß eine mediale Verbreitung von Kunstwerken im 16. Jahrhundert das Bewußtsein für den eigenen und den fremden Stil, also den Vergleich und die Selbstpositionierung, gefördert hat, wenn nicht sogar erst ermöglicht. Wie funktionierte der Dialog? Es wurden verschiedene Sprachen verwendet, je nach Adressatenkreis, Ort und Anlaß. Stil ist nicht Ausdruck einer universalen Geisteshaltung und nicht nur das formale Phänomen einer Epoche oder eines Künstlers. Ohnehin fallen Personalstil und Epochenstil nicht zusammen und müssen voneinander unterschieden werden. Und Stil ist auch mehr als nur Ornament (an der Architektur), sondern auch eine Darstellungsform, etwa von Figuren (in der Malerei). Stilbezeichnungen haben nur dann einen Sinn und können auch nur dann mit Bedeutung gelesen werden, wenn neben dem temporären Raum auch der geographische und der soziale Raum betrachtet wird, in dem das Kunstwerk entstanden ist.

Abschließend sei vermerkt, das Norbert Nußbaum zum Ende der Tagung ankündigen konnte, daß die Kolloquiumsbeiträge publizierte werden. So liegt auch bereits der Berichtsband des ersten Kolloquiums vor (Nußbaum, Norbert, Claudia Euskirchen und Stephan Hoppe (Hg.): Wege zur Renaissance. Beobachtungen zu den Anfängen neuzeitlicher Kunstauffassung im Rheinland und den Nachbargebieten um 1500. Köln 2003).

Empfohlene Zitation:
Heiko Laß: [Tagungsbericht zu:] Stil als Bedeutung (Universität zu Köln, 19.–20.11.2004). In: ArtHist.net, 07.12.2004. Letzter Zugriff 18.04.2024. <https://arthist.net/reviews/434>.

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