REV-CONF 05.06.2003

Ernst von Wettin und Albrecht von Brandenburg

Moritzburg, 23.–25.05.2003

Bericht von Andreas Tacke, TAK - Trierer Arbeitsstelle für Künstlersozialgeschichte

Ernst von Wettin und Albrecht von Brandenburg (Bericht der Veranstalter)

Nach einer wechselvollen Baugeschichte, die bis in das Jahr 1479 zurückreicht, war die Hallenser Moritzburg im Mai 1503 schließlich soweit fertiggestellt, daß Erzbischof Ernst von Wettin (1476-1513) mit seinem Hofstaat Einzug halten konnte. Die Tagung nahm die 500. Wiederkehr dieses Ereignisses zum Anlaß, um sich mit der Residenz in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und mit ihren beiden Bauherren, Ernst von Wettin und seinem Nachfolger Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490-1545), auseinanderzusetzen. Die wissenschaftliche Leitung lag bei PD. DR. DR. ANDREAS TACKE (Philipps-Universität Marburg; München), Gastgeberin war die Direktorin der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle, Landesmuseum Sachsen-Anhalt Frau DR. KATJA SCHNEIDER.

Bei der Moritzburg selbst ging es nicht um eine bauarchäologische Aufarbeitung, die anläßlich der z.Z. vorgenommenen Baumaßnahmen bei der Denkmalpflege besser aufgehoben ist, sondern vielmehr um die Einordnung der Wohn- und Wehranlage in Residenzbauten der Brandenburger bzw. Wettiner, um die dynastische Konkurrenz beider Häuser, die auch am Beispiel der Medaillenkunst wie auch bei den Grabanlagen in Magdeburg und Halle aufgezeigt werden konnte. Darüber hinaus wurden territoriale Fragen ebenso angesprochen wie das Verhältnis der Erzbischöfe zur Stadt; vor allem in der Ära Albrechts waren die Auswirkungen der Reformation zu erörtern.

Den Eröffnungsvortrag hielt DR. HANS-JOACHIM KRAUSE (Leipzig): Die Moritzburg und der "Neue Bau" in Halle. Gestalt, Funktion und Anspruch - ein Vergleich Die beiden bedeutenden Großbauten der Übergangszeit von der Spätgotik zur frühen Renaissance in Halle, die von Erzbischof Ernst von Wettin 1484 bis etwa 1510 errichtete Moritzburg, und der für Erzbischof und Kardinal Albrecht von Brandenburg zwischen 1531 und 1539 geschaffene "Neue Bau", seit dem 17. Jh. als "Residenz" bezeichnet, wurden in ihrer rekonstruierbaren ursprünglichen Gestalt vorgestellt und in den intendierten bzw. noch feststellbaren tatsächlichen Aufgaben und Funktionen erläutert. Der Vergleich der unterschiedlichen Anlagen zeigte, dass sie auch sehr unterschiedlichen Ansprüchen zu genügen hatten: der von Ernst für das erzstiftische Territorium als neuer Herrschaftsmittelpunkt erbauten Moritzburg fügte sein Nachfolger Albrecht mittelbar ergänzend den von sehr persönlichen Ambitionen geprägten "Neuen Bau" als seinen Stadtpalast hinzu.

Das Tagungsprogramm begann mit dem Vortrag von DR. BRIGITTE STREICH (Stadtarchiv Wiesbaden): Politik und Freundschaft. Die Wettiner und ihre Territorialpolitik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Der spätere Magdeburger Erzbischof Ernst aus dem Hause Wettin wurde 1464 geboren, im Todesjahr seines Großvaters, Kurfürst Friedrichs des Sanftmütigen. Dieses Jahr bildet auch deshalb eine Zäsur in der wettinischen Geschichte, weil die Söhne des Kurfürsten, Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht, die zunächst gemeinsam die Regierung übernahmen, eine Neuorientierung der Territorialpolitik ihres Hauses betrieben. Die früher gültigen Bündnisse, insbesondere der enge Schulterschluss mit den Hohenzollern, wurden gelockert, andere familiäre und politische Konstellationen gewannen dagegen an Gewicht. Schon Friedrich der Sanftmütige hatte ein doppeltes Heiratsbündnis mit den Wittelsbachern angebahnt. Es folgten vertragliche Vereinbarungen zwischen beiden Häusern, die das fragile System gegenseitiger Absicherung durch vertragliche Bindung ins Wanken brachten. Die Beziehungen zu König Matthias Corvinus von Ungarn tangierten auch das Verhältnis zum Reich und zum kaiserlichen Oheim der "jungen Herren", Friedrich III. Andererseits war gerade der Dienst für das Reich ein Betätigungsfeld für den jungen Herzog Albrecht den Beherzten und brachte Ruhm und Einfluss. Das Bemühen um Besetzung des Magdeburger Erzstuhles mit einem Wettiner lag im Zuge einer veränderten Stoßrichtung territorialen Expansionsstrebens: Es zielte nach Norden und Nordosten; flankiert wurde es von der Heiratspolitik (Eheverträge mit Mecklenburg, Braunschweig-Lüneburg, mit der Krone Dänemark und dem Königreich Polen). Auch die Versorgung anderer nachgeborener Söhne - Albrecht von Mainz, dem Deutschordensmeister Friedrich - mit geistlichen Ämtern folgte dieser Logik. Der von den "jungen Herren" vollzogene Paradigmenwechsel hatte Auswirkungen auf deren Verhältnis zu ihrem Oheim Herzog Wilhelm von Sachsen, dem Regenten des thüringischen Landesteils, der weiterhin für eine enge Anlehnung an Brandenburg eintrat. Schon früh zeichnete sich ab, dass Wilhelm ohne legitime, männliche Erben sterben würde; den Abschluss eines Erbvertrages mit seinen Neffen zögerte der alternde Herrscher jedoch lange hinaus. Drei Jahre nach seinem Tod und dem damit verbundenen Anfall Thüringens an die wettinische Hauptlinie, einigten sich Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht im Jahre 1485 auf eine Teilung ihrer Länder und leiteten damit einen lang anhaltenden Niedergang ein. Als Ernst 1513 starb, war das Haus Wettin bereits nachhaltig geschwächt, den Wettlauf um die Vormacht im Nordosten des Deutschen Reiches hatte es verloren.

DR. MICHAEL SCHOLZ (Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam): "...und wirdett alles ordentlich vortzeichentt" - Alltag am erzbischöflich-magdeburgischen Hof im Spiegel der Hofordnungen des 15. und 16. Jahrhunderts "Hofordnungen sind verkappte Sparsamkeitserlasse" (Ernst Schubert). Trotz ihres normativen Charakters reagierten spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Hofordnungen unmittelbar auf Mißstände und Probleme bei Hofe - sei es, daß man bemüht war, die Anzahl der Personen am Hof zu reduzieren, daß die Verschwendung von Lebensmitteln oder Pferdefutter verhindert werden sollte, oder sei es, daß man gegen ungebührliches Verhalten der Mitglieder des Hofes einschreiten wollte. Mit ihrer mangelnden Systematik und ihrer Kasuistik vermitteln die Hofordnungen um 1500 nicht so sehr ein Idealbild des Hofes, sondern sind vielmehr eine wichtige Quelle zum Alltag bei Hofe, wie man sich ihn vorstellte und wie er sich tatsächlich darbot. Dies gilt in besonderem Maße für den erzbischöflich-magdeburgischen Hof, dessen tägliches Leben sich in den erhaltenen Quellen nur höchst spärlich widerspiegelt. Die überlieferten Ordnungen der Erzbischöfe Ernst von Sachsen, Albrecht und Friedrich von Brandenburg bilden daher wichtige Zeugnisse, dürfen in ihrer Aussagekraft freilich auch nicht überschätzt werden, da sie zum einen nicht das gesamte Hofleben abbildeten, sondern lediglich einige neuralgische Bereiche, zum anderen aber neben den aktuellen auch traditionelle Elemente enthalten, die aus älteren Vorlagen übernommen wurden. Die Versorgung des Hofes gehörte zu den wesentlichen Aufgaben der sich im 15. und 16. Jahrhundert herausbildenden Landesverwaltung, und so sind auch über sie Regelungen in den Hofordnungen zu finden - in den überlieferten magdeburgischen Ordnungen freilich geringer ausgeprägt als etwa in den gleichzeitigen Regelungen der Kurfürsten von Brandenburg. In dem Beitrag sollte zum einen der Quellenwert der magdeburgischen Hofordnungen erörtert werden, zum anderen ein Bild vom Hofleben anhand der Ordnungen und anderer Quellen vermittelt werden und zum dritten ein Vergleich mit den Hofordnungen anderer Territorien gezogen und schließlich ein Blick auf die Entwicklung der Quellengattung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit geworfen werden.

PROF. DR. WILHELM ERNST WINTERHAGER (Phillips-Universität Marburg, Seminar für Neuere Geschichte): Aus dem Schatten des großen Bruders. Zur Entwicklung der politischen Persönlichkeit Albrechts von Brandenburg Mit den Markgrafenbrüdern Joachim I. (1484-1535) und Albrecht (1490-1545) beginnt der Aufstieg der brandenburgischen Hohenzollern in die Höhen der Großmachtpolitik. Weder über Kurfürst Joachim noch über Erzbischof Albrecht jedoch hat die ansonsten so rührige Brandenburg-Preußen-Geschichtsschreibung bislang historisch-kritische Biographien vorgelegt, die ihrer Bedeutung angemessen wären. Besonders schmerzlich ist dieses Defizit im Blick auf Albrecht, der drei Jahrzehnte lang als Erzbischof von Mainz und Magdeburg, als Kardinal und Reichserzkanzler in den Stürmen der Reformation eine so zentrale Rolle spielte. Trotz mancher Neuansätze in jüngster Zeit - namentlich seit 1990, als Albrechts 500. Geburtstag Anlaß zu einer Ausstellung und einem großen Symposion bot - ist im ganzen das Bild Albrechts in der Forschung noch immer merkwürdig unscharf und widersprüchlich: Entschlußloser Weichling oder kluger Diplomat, überforderter Renaissancefürst oder weitschauender Reformgeist, ängstlicher Opportunist oder erasmische Friedensnatur - wie eh und je schwankt das Urteil über ihn je nach Standpunkt des Betrachters. Erst eine breitangelegte Erhebung der archivalischen Quellen, vor allem der weitverstreuten Korrespondenzen Albrechts, könnte hier Abhilfe schaffen; erst auf dieser Grundlage ließe sich das Bild des Menschen, Bischofs und Fürsten Albrecht von Brandenburg in schärferen Konturen zeichnen. Das Referat versuchte, vom frühen Verhältnis der beiden Brüder Joachim und Albrecht ausgehend die Entwicklung der Politik und Persönlichkeit des Jüngeren, des Kardinal-Erzbischofs, bis in die 1520er Jahre zu skizzieren und damit Anregungen zu liefern für eine politische Biographie Albrechts als eines Reichsfürsten, der gerade in der Auseinandersetzung mit dem zunächst übermächtigen älteren Bruder zu einem eigenständigen und selbstbewußt agierenden politischen Kopf heranreift und die gefährdete Machtbasis der drei Stifte Mainz, Magdeburg und Halberstadt gegen alle Widrigkeiten zu behaupten versteht.

DR. HABIL. JÖRG ROGGE (Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Geschichtswissenschaft): Aspekte des Herrschaftsverständnisses von geistlichen Fürsten am Beispiel Ernst von Wettin und Albrecht von Brandenburg Die beiden geistlichen Fürsten teilten die Vorliebe für die Residenz Halle und die Moritzburg. Diese Gemeinsamkeit von Ernst und Albrecht war der Anlass, danach zu fragen, ob sie auch ähnliche Vorstellungen von ihrem Amt, insbesondere dem damit verbundenen Aspekt der Herrschaftsausübung hatten. Dabei ging es vor allem darum, wie sie gesehen werden wollten, nicht um die Bewertung ihres Handelns und Verhaltens durch Zeitgenossen. Im Zentrum der Ausführungen stand deshalb die Untersuchung von Quellen (Gesetzen, Ordnungen, Briefe) und Aspekten ihres politischen Handelns (Herrschaftsrepräsentation, Konfliktverhalten), die einen Beitrag zu der Frage leisten können, wie Ernst und Albrecht ihr Herrschafts- und Amtsverständnis zum Ausdruck gebracht haben. Die verschiedenen Formen und Medien der Kommunikation der beiden Fürsten mit ihrer politischen Umwelt sind die Grundlage für eine Skizze der Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihres Herrschaftsverständnisses.

DR. MATTHIAS DONATH (Berlin): Der wettinische Schlossbau des 15. Jahrhunderts Die Kurfürsten und Herzöge von Sachsen aus dem Haus Wettin trugen im 15. Jahrhundert entscheidend zur Entwicklung des neuzeitlichen Schlossbaus bei. Die großartigen Residenzen, die zwischen 1470 und 1510 entstanden, formten nicht nur die sächsische Kunstlandschaft, sondern revolutionierten darüber hinaus die Schlossarchitektur in Deutschland. In den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts bildeten sich in Sachsen die wesentlichen Merkmale des deutschen Schlossbaus des 16. und 17. Jahrhunderts aus. Der Übergang vom mittelalterlichen Verteidigungsbau zur neuzeitlichen Residenz markiert die 1471 begonnene Albrechtsburg in Meißen. In den folgenden Jahren ließen die Landesherren weitere Residenzen in Dresden, Wittenberg, Torgau, Weimar, Rochlitz, Rochsburg, Belzig, Allstedt, Lochau und Grimma errichten. Dem wettinischen Schlossbau sind außerdem die Residenzen der Bischöfe von Meißen und Merseburg zuzuordnen. Die Bistümer Meißen, Merseburg und Naumburg waren zu dieser Zeit de facto in das wettinische Herrschaftsgebiet eingegliedert. Die landesherrlichen und bischöflichen Residenzen, die zwischen 1470 und 1510 in Sachsen entstanden, veränderten den deutschen Schlossbau. Die Schlösser zeichnen sich durch richtungsweisende Eigenheiten aus: der mittelalterliche Verteidigungsbau wurde vom neuzeitlichen Herrschaftssitz abgelöst, welcher zugleich fürstliche Wohnung, Ort staatlicher Repräsentation und Verwaltungsmittelpunkt ist. Die fortifikatorische Bedeutung trat zugunsten einer repräsentativen Erscheinung zurück. Zwar wurden noch immer wehrhaft erscheinende Bauformen verwendet, ohne aber die Absicht zu haben, diese militärisch einzusetzen. Die wehrhaften Motive beinhalten vielmehr eine symbolische Aussage. Als traditionsverhaftete bildliche Zeichen verkörpern sie Macht und Herrschaft.

MARKUS LEO MOCK M.A. (Berlin): Die Schlosskapelle in Wolmirstedt. Ein erzbischöflicher Repräsentationsbau an der Grenze zu Kurbrandenburg Die nördlich von Magdeburg gelegene Schlosskapelle in Wolmirstedt gilt seit einem 1856 publizierten Aufsatz Ferdinand von Quasts, des ersten Konservators der preußischen Kunstdenkmäler, als direktes Vorbild für die Maria-Magdalenen-Kapelle der Moritzburg in Halle sowie für die Schlosskirche zu Wittenberg. Folgt man von Quast, so hat der um 1480 unter der Regierungszeit von Erzbischof Ernst vollendete Bau eine Empore besessen, die nahezu den gesamten Innenraum umschlossen hat. In rezeptionsgeschichtlicher Hinsicht wäre er somit als das älteste Beispiel der vorzugsweise von den sächsischen Fürsten errichteten "gedoppelten Schlosskapellen" einzustufen, die in den protestantischen Schlosskapellen der Renaissance ihre Nachfolger gefunden haben. Um diese architekturhistorische Einordnung zu überprüfen, stand die Frage nach der ursprünglichen Baugestalt im Mittelpunkt des Vortrages. In Form einer "Begehung", die sich zunächst dem Außenbau, anschließend dem Innenraum der Wolmirstedter Schlosskapelle zuwendete, stellte er die aktuellen baugeschichtlichen Erkenntnisse vor, die in einigen Fällen die Einschätzungen von Quasts revidieren. Unterstützt und bereichert wurden sie durch archivalische Angaben zur Bau- und Restaurierungsgeschichte.

DR. HANS LANGE (Technische Universität München, Lehrstuhl für Kunstgeschichte): Residenzen geistlicher Reichsfürsten im späten 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts - Architektur im Spannungsfeld von Fürst und Staat Ausgehend von konkreten materiellen Befunden zur Architektur und Ausstattung bischöflicher Residenzen und von der Erörterung spezifischer Strukturmerkmale, die im Rahmen fürstlicher Repräsentationsstrategien in einer Zeit zunehmenden Ausbaus der Landesherrschaft und vor dem Hintergrund offensiver wie defensiver Reaktionen auf die Reformation das Profil hochstiftischer Schlossanlagen konturieren helfen, wurde in einem ersten Versuch das traditionelle und innovative Potential dieser eng definierten Bautengruppe vergleichend skizziert. So sollte die Moritzburg und der Neue Bau in Halle in einen Kontext gestellt werden, der Allgemeines und Besonderes besser unterscheiden hilft. Dabei war die Entscheidung für differente Bautypen zwischen Burg und Schloß bzw. Palast ebenso zu berücksichtigen wie das soziale Milieu und die kulturelle Prägung der Bauherren. Was Ernst von Wettin und Albrecht von Brandenburg in Halle letztlich vergeblich ins Werk setzten, führt fast zeitgleich in Würzburg, in Salzburg sowie in Trient zu einer auf lange Sicht erfolgreichen Stabilisierung geistlicher Herrschaft im Zeitalter von Reformation und Bauernkrieg. Die Relation von Residenz und Stadt erweist sich für Erfolg oder Scheitern solcher Strategien als ein wesentlicher Indikator.

Den Abendvortrag hielt PROF. DR. WERNER FREITAG (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Geschichte): Reformation in Halle zwischen kommunalem Selbstbewusstsein und bischöflicher Macht Gezeigt wurde eine Reformation in langsamen Schritten, die dem "Normalverlauf im Eiltempo" - evangelische Bewegung, Kloster- und Bildersturm, radikaler oder gemäßigter Ausschuss bedrängt oder paktiert mit dem Rat, Rat führt Reformation ein mittels Usurpation der Pfarrstellen, Kasten- und Armenordnung, Schulaufbau, Klosterschließung usw. - nicht entspricht. Die Fokussierung auf die restriktiven Maßnahmen Albrechts hat in der bisherigen Forschung den Blick auf die innerstädtischen Mechanismen und Motivlagen verdrängt: Bis 1541 gab es in Halle keine breite, handlungsbereite evangelische Bewegung; es fehlten die lutherischen Prädikanten vor Ort, denn Klerus und Mönche blieben altgläubig. Der Rat handelte in der Tradition spätmittelalterlicher Kirchenpolitik, denn er wollte einige der Bereiche des Konflikts (der Sonderung) im Verhältnis zur Kirche beseitigen. Dazu bot ihm Albrecht die hilfreiche Hand, und so profitierte die Stadt von der Entmachtung des Klosters Neuwerk. Unabhängig von den religiösen Konstellationen im Rat - die Mehrheitsverhältnisse zwischen Papisten und Lutheranern sind nur schwer auszumachen - war es das Ziel des Rates als Obrigkeit, den Stadtfrieden zu erhalten, auch und gerade um die Geschehnisse von 1478 nicht zu wiederholen. Deshalb war es vor und nach 1541 das Bestreben der städtischen Politik, an der Landsässigkeit der Stadt nicht zu rütteln und die Superiorität des Erzbischofs anzuerkennen - die Reformation war folglich kein Kampf um die Wiedererringung spätmittelalterlicher Autonomie, sieht man von einigen Geschehnissen der Jahre 1546/47 ab. Als in den bürgerlichen Sozialgruppen der Wille nach einer Reformation zu stark wurde - sichtbar im "Auslaufen" und in der Kooptation nichtpapistischer Rastherren und dann in der Konstituierung eines Ausschusses - erkannte der Rat an, dass das neue Kirchenwesen notwendig für der Stadt Bestes sei. Aber es blieb das Ziel des Rates, Konflikte in der Stadt und mit dem Erzbischof zu verhindern. So können wir auch für Halle die aus den Hansestädten von Mörke festgestellten Sachverhalte bestätigen, wonach dem sozial heterogenen Stadtregiment ein ebenso sozial heterogener Bürgerausschuss, dem ja Patrizier und Innungsmeister und sogar Ratsmeister angehörten, gegenüberstand. Doch beide zweifelten sich in ihrer Legitimität nicht an; verhandelt und gestritten wurde über Tempo und Maßnahmen, nicht aber über das Ziel. Halle war folglich kein Ausdruck sozialen Wandels, kein Aufstand gegen den Rat. Am Schluß des Vortrages wurde versucht, mit dem Begriff der Residenzstadtreformation einzelne Phänomene typologisch zu bündeln. Erstens wurde deutlich, dass die Neuordnung des Kirchenwesens im Gefolge der Reformation der Kirchenstruktur und der Sakraltopographie der Residenzstadt geschuldet war; der Rat konnte das Erbe des Klosters Neuwerk über die Zwischenstation Neues Stift antreten und gewann so Patronat, Schule und das ius circa sacra. Zweitens spricht für "Residenzstadtreformation", dass trotz Reformation das Arrangement mit dem Fürsten erhalten blieb, der ja 1546 als Katholik die Reformation zusicherte. Und drittens kann man von Residenzstadtreformation auch deshalb sprechen, weil keine Gruppe in der Stadt mit der Reformation die Residenz eines katholischen Erzbischofs in Frage stellen wollte; viel zu eng waren die sozialen und ökonomischen Verflechtungen, zu sehr profitierte die Stadt von der Residenz. Die Residenzstadtreformation steht folglich zwischen Fürstenreformation und Ratsreformation.

Den zweiten Tagungstag begann DR. SVEN HAUSCHKE (Fürth): Die Grablege von Erzbischof Ernst von Wettin im Magdeburger Dom - Baupolitik im Zeichen der Memoria Im Jahr 1476 wurde Ernst von Sachsen, der Sohn des gleichnamigen sächsischen Kurfürsten, zum Administrator des Erzbistums Magdeburg gewählt. Aufgrund seines jugendlichen Alters - Ernst war gerade einmal elf Jahre alt - erhielt er die erzbischöflichen Weihen zwar erst 1489, doch konnte er mit Hilfe der wettinischen Familie und der Unterstützung des Kaisers seinen Einfluß und seine Macht weiter ausbauen. So wurde er 1479 auch zum Administrator des Bistums Halberstadt gewählt. An die Wahl zum Magdeburger Erzbischof waren offensichtlich bedeutende Zahlungen des Hauses Wettin gekoppelt, mit denen umfangreiche Baumaßnahmen am Dom - die Vollendung der Westfassade - in Angriff genommen wurden. 1494 verwandelt Erzbischof Ernst die hinter dem Eingangsportal der Westfassade gelegene Kapelle in seine persönliche Grabkapelle. Mit umfangreichen Stiftungen schafft er sich noch zu Lebzeiten einen Memorialraum, dessen Zentrum die monumentale Grabtumba aus der Vischer-Werkstatt bildet.

DR. HABIL. KERSTIN MERKEL (Universität Kassel; Nassenfels): Die Bedeutungsebenen des Grabbaldachins von Kardinal Albrecht Albrecht von Brandenburg beschäftigte sich rund 25 Jahre intensiv mit dem Ausbau seiner Grabanlage. Er startete mit einer konservativen Grabplatte, die im Sinne der Zeit auf die übliche Memoria vertraute - sie sollte die Lebenden an Gebete für den Verstorbenen erinnern. Doch schien ihm die Abhängigkeit seines Seelenheils von den Lebenden nicht sicher genug, so dass er sein Grabdenkmal zu einer aus sich selbst heraus funktionierenden, also einer "autodynamischen" Anlage ausbaute. Mittelalterliche Bildmagie, zum Teil auf der Mystik basierend, sollte ihm dabei genauso zur Hilfe kommen wie die körperliche Nähe zu seiner immensen Reliquiensammlung, die in das Konzept seiner Jenseitsvorsorge mit einbezogen wurde. Von besonderer Bedeutung ist dabei der bronzene Baldachin, dessen Form Heiligengräber assoziiert und zugleich als ewige "capella ardente" an den wichtigsten Moment der Bestattung - die Absolution - erinnern soll. Das Motiv des geöffneten Herzen Jesu, quasi unsichtbar an der Unterseite des Baldachins eingeritzt, sollte sich einst als symbolische Pforte zum Paradies über dem toten Kardinal öffnen.

STEFAN H. HEINZ M.A. (Trier): "O Bedenck das End". Der Mainzer Marktbrunnen - Ein Beitrag zur Memoria Albrechts von Brandenburg Im Jahre 1526 ließ der Mainzer Erzbischof und Kardinal Albrecht von Brandenburg, auf dem Marktplatz von Mainz den verfallenen Brunnen durch einen Neubau ersetzen. Dieser trägt zwei Inschriften, von denen eine über die Stiftung berichtet, während die andere zwei historische Ereignisse des Entstehungsjahres festhält, den Bauernkrieg und die Schlacht von Pavia. Das Monument wird zudem durch ein reichhaltiges Bildprogramm geschmückt. Es verbildlicht die angesprochenen Ereignisse, verwendet aber auch eine Symbolsprache, die Vanitasmotive (ein Täfelchen mit der Beischrift 0 BEDENCK DAS END) sowie die Aufforderung zur Tugendliebe kolportiert. In der Bekrönung des Brunnens befinden sich Figuren der drei heilige Bischöfe Martin, Bonifaz und Ulrich. Der Marktbrunnen dient zu weitaus mehr als nur der profanen Wasserversorgung. Er steht in einem städtebaulichen Konzept, das neben dem Umbau der ehemaligen Münze zum städtischen Rathaus auch die Neupflasterung des Marktplatzes einschließt. Als Denkmal dient das Monument zwar der Erinnerung an den Sieg des Erzbischofs über die aufrührerischen Bauern, ist aber in größerem Maße eine Lobpreisung des Kunstmäzens Albrecht von Brandenburg. Die außergewöhnliche dreiseitige Baldachinarchitektur formuliert einen hohen Anspruch mit mannigfaltigen ikonographischen Anspielungen. So wird der Brunnen zu einem Denkmal für die funktionierende politische Ordnung an deren Spitze der Erzbischof steht. Darüber hinaus übernimmt er memoriale Ersatzfunktionen für ein Grabdenkmal des Erzbischofs, welches ursprünglich nicht in Mainz zur Aufstellung kommen sollte. Der Mainzer Marktbrunnen ist somit zusammen mit dem Grabmal für Erzbischof Uriel von Gemmingen (+1514) nicht nur ein hervorragendes Fallbeispiel für das Mäzenatentum Kardinal Albrechts, sondern auch für die Denkmal-Kultur der beginnenden Renaissance nördlich der Alpen.

DR. HERMANN MAUÉ (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Münzkabinett): Medaillen auf Albrecht von Brandenburg Albrecht von Brandenburg hat schon früh die Möglichkeiten gesehen, mit der Verbreitung seines Bildnisses auf seine Ämter und damit auf seine herausragende Stellung innerhalb der deutschen Kurfürsten zu verweisen. Seine Interessen galten nicht nur gemalten Porträts, die ihn mitunter in überraschenden und ungewohnten Rollen zeigten, sondern in gleicher Weise auch vervielfältigten Bildnissen im Kupferstich oder als Medaille. Beide Kunstgattungen standen noch am Anfang, und Albrecht beförderte ihre weitere Entwicklung, als er 1518 auf dem Reichstag zu Augsburg Albrecht Dürer für einen Kupferstich und Hans Schwarz für eine Bildnismedaille Modell saß. Die auf dem Augsburger Reichstag entstandenen Bildnismedaillen setzt man gewöhnlich an den Anfang der deutschen Medaillenkunst. Einige Jahre später, 1526, wird in Nürnberg die wohl eindrucksvollste und ausgewogenste Medaille auf Albrecht von Brandenburg in unterschiedlichen Größen gegossen. Der Künstler, der diese Medaille wohl in der Vischer-Werkstatt in Nürnberg hat gießen lassen, ist bislang namentlich nicht fassbar. Später dann wendete sich Albrecht von Brandenburg an den in Sachsen tätigen Goldschmied Hans Reinhard, und ließ von ihm sein Bildnis auf Medaillen setzen. Mit der Herstellung seiner Bildnismedaillen hat Albrecht - wie auch auf anderen Gebieten der Kunst - die besten Konterfetter seiner Zeit beauftragt. Zeitgenössische Quellen zur Verwendung von Bildnismedaillen - insbesondere zu Repräsentationszwecken - sind äußerst spärlich, jedoch lassen sich einige Beispiele aufführen.

PROF. DR. MARTIN BRECHT (Münster): Erwerb und Finanzierung von Kunstwerken durch Erzbischof Albrecht von Mainz Nicht selten wird beklagt, Albrecht von Mainz sei als historische Persönlichkeit nur schwer fassbar. Kunstwerke, Preziosen und Baulichkeiten haben für Albrecht von Mainz wesentlich zu seinem fürstlichen Status gehört. Bis heute beeindruckt er als Mäzen, Sammler und Bauherr. Die Leidenschaft für den Besitz wertvoller und schöner Objekte ging jedoch über die Dimension einer Liebhaberei deutlich hinaus, indem sie, kostspielig wie sie war, Albrechts finanzielle Verhältnisse überstieg und zumindest zum Teil auch noch den Zeitgeist gegen sich hatte. Dies brachte permanent Hektik und Stress mit sich. Geldmangel sowie Schulden dürften diesen Fürsten noch schlimmer als seine finanziell gleichfalls meist klammen Standesgenossen bedrängt haben. Auch seine Bediensteten wurden dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Ein Opfer ist dabei der Kämmerer Hans Schenitz geworden, dem auf einmal all die vollmundigen Zusicherungen seines Herrn nichts mehr halfen, sondern dem der Prozess gemacht wurde. Albrechts Kredit, um den es ihm so sehr zu tun gewesen war und dessen er zur Aufrechterhaltung seiner Leidenschaft unbedingt bedurfte, wurde im Zusammenhang mit dieser Affäre merklich beschädigt. Das historische Urteil wird davon nicht absehen können.

PROF. DR. MICHAEL WIEMERS (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Kunstgeschichte, Professur für Neuere Kunstgeschichte): Hans Sebald Beham und Albrecht von Brandenburg Sebald Beham (1500-1550) ist als einer der "drei gottlosen Maler von Nürnberg" in die Kunstgeschichte eingegangen. Wegen kritischer Äußerungen gegen Religion und Stadtobrigkeit wies man ihn 1525 aus seiner Heimatstadt. Es ist bemerkenswert, dass er trotzdem später ausgerechnet für Albrecht von Brandenburg tätig werden durfte. 1534 bemalte er eine heute im Louvre aufbewahrte Tischplatte für den Kardinal, die mit den Geschichten um David und Bathseba das höfisch-pikante. aber auch moralisierende Thema der Weibermacht aufgreift. Drei Jahre zuvor gehörte Beham zu den Künstlern, die Albrechts "Beicht- und Messgebetbuch" kostbar ausschmückten. Er lieferte sechs Miniaturen mit Darstellungen der Buße und der Messfeier. Der Vortrag wird sich vor allem letzteren widmen. Dabei geht es um das Verhältnis von Text und Bild, um die Ikonographie und um darin enthaltene Hinweise auf die zeitgenössische Historie. Gefragt wird nach Indizien für eine leitende Idee, welche die Auswahl der Bildthemen und die Ausführung der Miniaturen bestimmte. Meine Frage richtet sich aber auch auf die Tatsache, dass die Wahl hier auf Sebald Beham fiel. Was prädestinierte den "gottlosen Maler" für eine solche Arbeit? Die Ergebnisse der Tagung werden in einem Sammelband publiziert.

Empfohlene Zitation:
Andreas Tacke: [Tagungsbericht zu:] Ernst von Wettin und Albrecht von Brandenburg (Moritzburg, 23.–25.05.2003). In: ArtHist.net, 05.06.2003. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/reviews/415>.

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