Im Schatten der Moderne. Der Bildhauer Georg Wrba 1872–1939. Werke in Wurzen, Leipzig und Dresden, Wissenschaftliche Tagung des Museums Wurzen in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der Universität Leipzig, 20.01.2007, Aula der Berufsschule Wurzen
Die in Kooperation mit dem Museum Wurzen und dem Institut für Kunstgeschichte der Universität Leipzig durchgeführte eintägige Tagung komplettierte die am 4. November 2006 eröffnete und noch bis 18. März 2007 im Museum Wurzen präsentierte Schau: „Der Bildhauer Georg Wrba 1872–1939. Die Domausstattung in Wurzen und sein Wirken in Sachsen“.
Ausgehend vom Gesamtoeuvre des in München geborenen Bildhauers wurden die bedeutenden Werke Wrbas in Wurzen in den Blick genommen und darüber hinaus im Kontext der Zeit verortet. Der bisher in der Kunstgeschichte kaum beachtete Künstler hinterließ in knapp 50 Städten weit über 3000 Werke. Insbesondere kennzeichneten sein Schaffen monumentale Bronzen, Bauskulptur und Plastiken. Angesichts der Fülle an kunsthistorisch verwertbarem Material verwundert es, daß Georg Wrbas Person und Schaffen heute in den einschlägigen Lexika kaum gewürdigt ist und bisher nur eine ausführliches Werkverzeichnis über die plastischen Arbeiten des Künstlers vorliegt.[1] Vor diesem Hintergrund kann und muß die Tagung in erster Linie gewürdigt werden als ein Beitrag, sich dem Schaffen des Künstlers erstmalig in einem vorzugsweise regionalen Kontext anzunähern.
Im Zentrum der Tagung stand Wrbas Bildhauertätigkeit. Das Einführungsreferat hielt Ursel Berger (Georg-Kolbe-Museum, Berlin). Sie lenkte mit ihren Ausführungen den Blick auf die Einordnung Wrbas in die Strömungen seiner Zeit. Berger gruppierte ihre Ausführungen um den Begriff der Moderne, indem sie zunächst Traditionen des 19. Jahrhunderts aufzeigte und insbesondere im Schaffen Wrbas, aber auch seiner Zeitgenossen, Kontinuitäten und Brüche feststellte. Instruktiv lenkte sie die Aufmerksamkeit zunächst auf die Bedeutung der Münchener Akademie – an der Wrba 1891-96 lernte –, auf Vorläufer und Vorbilder wie Franz von Stuck sowie den Einfluß des Jugendstils (z.B. Portrait Dr. Veit; Diana mit der Hirschkuh / Hamburger Stadtpark). Berger konzentrierte sich insbesondere auf die von Wrba geschaffenen Skulpturen, verwies aber auch auf die Bauplastik und würdigte die Zusammenarbeit Wrbas mit Architekten.
Im Hinblick auf eine Einordnung fokussierte die Referentin den Blick auf die Bedeutung der “freien Plastik“ und der “Existenzfiguren“ Kolbes und Lehmbrucks in der Zeit, deren Konjunktur sie als neues Kriterium für Modernität wertete. In ihren Ausführungen zeigte sie Entwicklung und Grenzen der “freien Plastik“ auf und stellte die Bedeutungslosigkeit der bis in diese Zeit gültigen Überformung der Figuren durch Attribute heraus. Berger vermochte mit ihren Ausführungen zum Naturalismus-Begriff, zur Bedeutung der angewandten Kunst und der autonomen Aktfiguren den Zeitgeist zu umreißen und lieferte eine Grundlage für die Diskussion zu Wrbas Werk. Die Frage warum Wrba, der – wie Berger anhand zeitgenössischer Kunstkritik aufzeigen konnte – offensichtlich in der Zeit vor 1914 nicht nur bekannt war, sondern auch durchaus zu den modernen Künstlern gerechnet wurde, später in ein Schattendasein abgerückt ist, stellte die Referentin zur Diskussion.
Angelika Wilhelm (Museum Wurzen) lenkte mit einem Referat über Wrba als Maler und Graphiker den Blick auf ein bisher unbekanntes Schaffensgebiet des Künstlers. Der Vortrag war stark von der Arbeit an der Ausstellung geprägt, wobei hier Wilhelm das Verdienst zukam, neben den bildhauerischen Werken erstmals einige von Wrbas zweidimensionalen Arbeiten, von denen sich nahezu alle im Familienbesitz befinden, öffentlich zu machen. Wilhelms Ausführungen blieben weitestgehend deskriptiv und zeigten damit deutlich, daß eine Beschäftigung mit den heute erhaltenen Gemälden, Zeichnungen, Lithographien und Aquarellen noch eingehender Erforschung bedürfte.
Wie man sich im Anschluß an den Vortrag in der Ausstellung selbst überzeugen konnte, bietet das Material Möglichkeiten, zu untersuchen, inwieweit das Wirken des Künstlers in die eingangs von Berger angesprochenen Traditionen einzubinden ist bzw. inwieweit Wrbas Schaffen außerhalb der modernen Strömungen verlief. Das ausgestellte selektierte Konvolut enthält u.a. Skizzen von einer Reise Wrbas in Italien, die nicht nur ein Interesse an schmückenden Details (Ornamente von einem Grabmal – offenbar von einem della Robbia-Monument), sondern auch an Farben und Figurenkompositionen (tanzende Frauen – inspiriert von einer etruskischen Vase) verraten. Im Gegensatz zu diesen Skizzen stehen die in der Ausstellung nicht näher bezeichneten und offenbar in Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg entstandenen Bildfolgen, unter denen das Thema „Ritter, Tod und Teufel“ mehrfach variiert. Die Akte, Portraits und Raptusgruppen legen ein deutliches Zeugnis von Wrbas Verhaftung an akademischer Malerei ab. Offenbar sind diese zweidimensionalen Werke als freie Arbeiten zu werten, die bisweilen persönliche Bildfindungen entfalten. Keine der ausgestellten Graphiken bezeugte einen direkten Werkzusammenhang mit den bildhauerischen Arbeiten Wrbas; ob Figurenkonzepte oder Vorstudien tatsächlich im graphischen ¼uvre fehlen, müßten weiterführende Untersuchungen zeigen. Inwieweit dennoch die Zeichnungen neue Zusammenhänge aufzeigen können, deutete Wilhelm mit zwei farbigen Aquarellen an, die eine Mondsichelmadonna und einen gerüsteten Krieger darstellen. Gerade die Ikonographie des letzteren – als Hl. Wenzel zur Debatte gestellt – gibt noch Rätsel auf, zeigt das Bild doch neben dem gerüsteten Krieger auch ein Bischofsornat. Wilhelm stellte die Frage, ob die beiden Aquarelle als Skizzen für Wandgemälde für den Dom angefertigt worden sind, und verwies auf den Bedarf an weiteren Diskussionen und Forschungen.
Einen Schwerpunkt der Tagung bildeten die Werke Wrbas in Wurzen, insbesondere im 1114 erbauten Dom St. Marien. Die Weihe der Wrba’schen Domausstattung jährte sich nunmehr zum 75. Mal. Im Rahmen der Tagung bot sich damit ein Anlaß, nicht nur selbige, sondern auch die baulichen Hintergründe für die Auftragsvergabe zu beleuchten.
Die im Jahre 1932 fertiggestellte Domausstattung Wrbas besteht aus einer monumentalen Kreuzigungsgruppe im Ostchor, einer Bronzekanzel, dem bronzenen Chorgestühl und einem bronzenen Lesepult in Form eines das Pult auf der Schulter tragenden Jünglings, einem Taufbecken mit Ziborium, Bronzereliefs an der Orgel und Brüstungsfiguren der Sängertribüne im Westchor. Im Jahre 1933, schuf Wrba ein monumentales Wandgemälde, das die gesamte Altarwand hinter der Kreuzigungsgruppe bedeckte und eine Ansicht Jerusalems zeigte. 1961 wurde das Fresko aufgrund von Salpeterbefall entfernt.
Die Ausstattung des Domes lieferte Wrba die Gelegenheit, sich auf dem Gebiet der Monumentalplastik gleichermaßen zu beweisen, wie sich Meriten als Wandmaler (mit der nachträglich in die Apsis gemalten Jerusalem-Vedute) zu erwerben – kein ungewöhnliches Bestreben, vergleicht man die Ambitionen seiner Zeitgenossen, wie beispielsweise Max Klinger.
Thomas Topfstedt (Universität Leipzig) gab mit seinem Vortrag eine Einführung in die Geschichte des Wurzener Doms. Mit seiner Neuauswertung der Archivalien legte er nicht nur dar, welche denkmalpflegerischen Konzepte die rigorose purifizierende Umformung des Domes bedingten, sondern öffnete auch den Blick für die Zusammenhänge und Umstände, die Wrba den Auftrag für die Domausstattung einbrachten.
Die Umbauarbeiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts machten aus dem damals eher desolaten Bau eine „Inkunabel der sächsischen Denkmalpflege“ (H. Magirius). Der neugotischen Überformung des Domes nach den Plänen von Christian Ludwig Stieglitz fiel nicht nur Bausubstanz, sondern auch die gesamte barocke Kirchenausstattung zum Opfer. Den gotischen Flügelaltar ersetzte man durch ein Altarbild Friedrich Matthäis. Stieglitz’ Ausstattung wurde 1929 mit einer weiteren Umformungsaktion nach dem Restaurierungskonzept von Emil Högg, mit der man nun wieder eine Rückführung auf das Mittelalter anstrebte, getilgt. Der Dom wurde abermals purifiziert, das neogotische Inventar mußte weichen, Matthäis Altarbild plazierte man an einer Seitenschiffwand. Die umfassende Neuausstattung des Domes finanzierte Hermann Ilgen aus Mitteln seiner Stiftung. Ilgen beauftragte Wrba mit der skulpturalen Ausstattung, die raumgestalterische Konzeption wollte man zunächst Högg überlassen. Gerade der Blickwinkel auf Högg und die Würdigung seiner Tätigkeit in bezug auf das Konzept der Erneuerung vermochte die Komplexität der Zusammenhänge zu verdeutlichen. Die direkt an Topfstedts Referat anknüpfenden Ausführungen von Superintendent i.R. Horst Schulze (Wurzen) komplettierten das Bild, denn der Referent rollte mit Hilfe der im Domarchiv verbliebenen Quellen insbesondere das Zeitgeschehen um 1930 sowie das zum Teil gespaltene Verhältnis der beteiligten Personen auf. Letzteres bedingte insbesondere, wie Topfstedt bereits aufzeigte, das Geltungsbewußtsein des Künstlers, der bei der Konzeption des Raumes rigoros seine Interessen vertrat und offenbar mit Rückendeckung der Auftraggeber auch die Oberhoheit über das Konzept der Domrestaurierung zu erringen suchte.
Der Beitrag von Thomas Pöpper (Universität Leipzig) über die Domausstattung führte vor Augen, wie weit die Spannbreite der Bewertung Wrbas reicht und wo sie an Grenzen stößt. Pöpper rekapitulierte die Intentionen der auf die Domausstattung Einfluß nehmenden Personen und stellte insbesondere das Dreigestirn Georg Wrba – Hermann Ilgen – Friedrich Krug von Nidda und Falkenstein (Sächsischer Staatsminister a.D.; Vorsitzender der Ilgen-Stiftung) in den Mittelpunkt der Ausführungen. Maßgeblich schien ihm dabei das Streben nach Profilierung des Hauptsponsors und späteren Domherrn Hermann Ilgen, der die denkmalpflegerische Purifizierung des Domes für diese Zwecke dienstbar machte. Wrbas vielteilige Bronzeausstattung hatte bereits in der Zeit ihrer Entstehung neben dem Lob der Auftraggeber (bes. Börries Frhr. v. Münchhausens) für Kritik der Zeitgenossen gesorgt. Auch heute noch entzündet sich die Diskussion nicht nur an der Abundanz des Werkstoffs Bronze (200 Zentner) und an der überrepräsentierten Memoria eines offenbar elitären Kreises, bestehend aus dem Stifter, den Domherren und befreundeten Personen, die allesamt an der Kanzel in Portraitköpfen, 12 von ihnen als Apostel, präsent sind. Für Diskussionen sorgte insbesondere die heute noch sehr befremdlich wirkende überlebensgroße freistehende Kreuzigungsgruppe im Ostchor, deren Figuren sich durch einen starken Verismus auszeichnen. Doch nicht die naturalistische Auffassung, die geradezu in den mit dem Tode ringenden Körpern der beiden Schächer ausgereizt wird, befremdet die Kritiker, sondern auch die Ikonographie: So weist der gute Schächer europide, der böse jedoch negroide Züge auf. Offenbar, so der Tenor der Vortragenden, manifestiert sich hinter diesen Ikonographien eine völkisch-nationale Geisteshaltung. Diese, gepaart mit einem nahezu vordergründigen Verismus, setzt sich – wie Pöpper feststellte – bei der sitzenden Jünglingsgestalt, die als Träger des Lesepultes fungiert fort; wird gar mit einer eindeutigen Nationalsymbolik unterlegt, sitzt doch der Knabe offenbar auf einem Eichenbaumstumpf, aus dem ein blühender Ast entsprießt, dessen einziges Blatt die Scham des Jünglings verdeckt. Eine wieder andere je spezielle Eigenart weisen die Kanzel, die Putti der Orgelempore und die Figuren des Taufbeckens auf – ihnen ist ein naiv-verspielter Charakter eigen, der diametral der heroisierenden, pathetischen Eigenart der Figuren im Ostchor entgegen steht.
Bereits an diesem Konzept zeigt sich, daß Wrbas Oeuvre als monumental und funktionalistisch kontextualisiert werden kann, aber auch daß das Kunstschaffen des Bildhauers insgesamt und in sich heterogen war. In der Diskussion um das Konzept schieden sich die Geister insbesondere bei dem Urteil über die Innenausstattung. Die Kreuzigungsgruppe stand schon seit jeher im Fokus der Kritiken, ihr machte man den Vorwurf, die Darstellung diene einerseits nicht der Kontemplation, sondern habe einen erschreckenden Effekt, andererseits sei die Pathetik der Figuren rituell nicht angemessen.
Die Referate vermochten deutlich zu zeigen, daß das Urteil über dieses und andere Werke, die in der Tagung nur gestreift wurden, insbesondere die Frage nach der (Neu-)Bewertung des Künstlers aufwirft. In Pöppers, bereits aber auch in Schulzes Referat wurde diese Frage im Kontext der Domausstattung pointiert, beide Referenten attestierten insbesondere der Kreuzigungsgruppe einen dem Zeitgeist verhafteten germanisch-völkischen Tenor. Dieser ist nur bedingt aus eigenen Aussagen Wrbas abzuleiten. Insbesondere stützt sich eine solche Beurteilung auf Aussagen in den Folgejahren, in denen die heroisch-kühle, naturalistische Art lobend erwähnt wird.
Sascha Werner (Leipzig) widmete sich einem weiteren, unmittelbar vor der Wurzener Domausstattung entstandenen Werk des Bildhauers, dem 1930 eingeweihten Kriegerdenkmal vom ehemaligen Alten Friedhof in Wurzen. Werner konzentrierte sich darauf, herauszustellen, welche Herausforderung ein solches Thema für einen Bildhauer darstellt, der den Krieg (hier den Ersten Weltkrieg und wohl insbesondere die Kämpfe an der Westfront betreffend), das gezielte industrielle Töten und somit Unvorstellbares vorstellbar machen muß. Das Kriegerdenkmal als öffentlich wirksames Mahnmal ordnete Werner zwar in die Tradition der Denkmalskonzepte der Kaiserzeit und die der Memorialkultur ein, ging jedoch nicht intensiv auf vergleichbare Projekte und Darstellungen ein. Doch erhellten insbesondere seine Ausführungen über die Wahl des Aufstellungsortes und die Ikonographie der Gesamtanlage noch einmal die Sicht auf Wrbas Fähigkeiten, galt es doch bei diesem Projekt, die Verschmelzung von Architektur (entworfen und ausgeführt vom Dresdener Architekten Oswin Hempel) und Skulptur – offenbar in Gemeinschaftsarbeit mit dem Architekten – ausgewogen zu komponieren. Obwohl das Kriegerdenkmal einmal mehr Zeugnis von Wrbas Hang zu Monumentalität bezeugt, zeigt sich hier im Vergleich zur Domausstattung eine andere Form heroisierender Charakterisierung. Bei der Heldenausformung bediente sich der Künstler einer naturalistischen, historisierenden Formensprache, die er mit einem oberflächlich expressiven Ausdruck verband, der natürlich dem akklamativen Charakter der Aufgabe entspricht.
Einen regional weiter gefaßten Ausblick wollte man sich mit der Nachmittagssektion leisten und insbesondere Wrbas Bauschmuck des Neuen Rathauses in Leipzig und seine Bildhauerische Tätigkeit in Dresden, wo Wrba an der Akademie Professor war, in den Blick nehmen. Das Referat zu Leipzig mußte leider entfallen. Stefan Dürre (Dresden) lenkte den Blick auf den Dresdener Zwinger, wo Wrba in den 1920er und 1930er Jahren die Leitung der Bauhütte inne hatte. Im Vordergrund seines Schaffens im Kontext der Bauhütte stand das Bestreben, sich der Pöppelmann’schen Vorgaben wieder anzunähern. Neben der Restaurierung, d.h. der Erhaltung des historischen Bestandes, namentlich der Skulpturen, nahmen Wrba und die Werkstatt auch Ergänzungen vor. In der Zwinger-Bauhütte wurden gar rekonstruierende Kopien und Neuschöpfungen gefertigt und in das von Permoser geschaffene Figurenprogramm eingebunden – Wrbas Werkstatt vermochte so den ursprünglich vorgesehenen Bestand sogar noch um weitere 120 Skulpturen zu mehren. Nicht zuletzt dieser Produktionsleistung wegen geriet Wrba in das Kreuzfeuer der zeitgenössischen Kritik. Dieser Abriß konnte zwar in der Tagung nicht in einen weiteren Zusammenhang gestellt werden, doch vermag auch dieses Kapitel über Wrbas Schaffen zu zeigen, welche Kräfte selbiges prägten und wie sich insbesondere der Hang zur Monumentalität sowie gleichsam die Verhaftung in der Historizität erklärt.
Am Ende der Tagung bot Karl-Heinz Mehnert (Leipzig) einen interessanten (Aus-)Blick auf den 1956 verstorbenen Mediziner und Privatsammler Paul Geipel, dessen Nachlaß nicht nur von einer Schätzung des Wrba’schen Werkes zeugt, sondern auch kostbare Zweitgüsse – wie die heute verlorenen Tierkreiszeichen des Taufbeckens im Dom – enthält. Geipels Sammlung gelangte 1947 von Dresden nach Leipzig, wo Teile noch unbearbeitet im Museum der Bildenden Künste einer Auswertung harren. Insbesondere sind Erwerbsumstände mancher Sammlungsgegenstände unbekannt, ebenso bestehen Desiderate hinsichtlich des Sammelverhaltens von Geipel und der Verortung seiner Tätigkeit im Kontext seiner zeitgenössischen Kunstfreunde.
Fazit:
Auch wenn die Tagung samt der Diskussionen einen entscheidenden Beitrag geleistet hat, Wrbas Schaffen insbesondere in Dresden und Wurzen konkreter zu fassen und auch der Relevanz seiner Werke innerhalb seiner Zeit beizukommen, war der Blickwinkel eng gefaßt. Ein Blick auf die Portraits, die in der Ausstellung präsent waren, fehlte beispielsweise in der Tagung, die Verbindungen und Vergleiche zu anderen Bildhauern seiner Zeit, die sein Schaffen in einem größeren Zusammenhang kontextualisiert hätten, fanden kaum Erwähnung. Doch hat die Arbeit an den ausgewählten Werkgruppen nicht nur der Gegenstandessicherung gedient, sondern den Referenten ist zu verdanken, daß sie alle mit neuen Forschungen aufgewartet und zum Teil auch bisher unbekannte Archivalien vorgestellt haben.
Die Fragen nach Innovation und Tradition im Werk Wrbas müssen weitere Forschungen beantworten; auch bietet sich ein Vergleich mit anderen zeitgleichen Ausstattungsprojekten und mit Zeitgenossen an. Eine solche Untersuchung könnte in Hinsicht auf eine Verortung Wrbas in den modernen Strömungen erhellend sein und das Urteil seiner Künstlerpersönlichkeit präzisieren.
Die Diskussion drehte sich immer wieder um die Person des Künstlers. Fragen bestanden nach der Bewertung seines Schaffens ebenso wie nach den Beziehungen zu bestimmten Kreisen, insbesondere zu Hermann Ilgen und den Wurzener Domherren. Gerade mit den Hintergründen des Domprojektes konnte man sich der Person Wrbas annähern, der sich offenbar von den zeitgenössischen Kunstströmungen abwandte und nicht zuletzt durch Eigensinn selbst dazu beigetragen hat, daß sein Schaffen in den Schatten der Moderne rückte.
Mehrfach fiel in bezug auf die Domausstattung das Urteil, das Werk Wrbas sei germanisch-völkisch durchdrungen. Eine Bewertung, die – mag man auch den Verismus, die Nationalsymbolik und die Physiognomie der Schächer in einem solchen Sinne deuten – nur eine einseitige Beachtung vor der Folie der späteren Ereignisse bezeugt.
Bereits der Blick auf das von Werner vorgestellte Kriegerehrendenkmal zeigt, daß ein solches Urteil nicht haltbar ist. Vielmehr wäre auch mit Blick auf die monumentale und zweifelsohne mit eigenwilligen Charakterisierungen der Gestalten operierende Kreuzigungsgruppe zu fragen, ob die Ikonographie nicht wertfreier gedeutet und der Gesamtkonzept vor dem Hintergrund der Vielfalt der modernen Stilrichtungen verortet werden kann. Möglicherweise waren sogar andere Ambitionen des Künstlers für die Formfindung ausschlaggebend. Die einzelnen Elemente der Wurzener Domausstattung, so etwa die Portraitköpfe der Kanzel und die Putti in der Nähe der Orgel rufen beim Betrachter Analogien an ähnliche Figuren, insbesondere aus der Zeit der italienischen Frührenaissance (wie z.B. Ghibertis Bronzetür, an Donatellos spiritelli oder an della Robbias Cantoria-Figuren) wach. Die Kreuzigungsgruppe könnte hinsichtlich dieses Aspektes ebenso mit dem Bestreben verbunden sein, sich an Traditionen von ausdrucksstarken Kreuzigungsgruppen in Malerei und Plastik – man denke etwa an Grünewalds Isenheimer Altar oder an Adam Krafts Kreuzigungsgruppe im Nürnberger Heilig-Geist-Spital – anzulehnen.
Die Tagung und insbesondere die ergiebige Darstellung des Gesamtprojekts der Domausstattung als solche haben Wege zur Kontextualisierung von Wrbas Oeuvre, welches noch einer kunsthistorisch umfassenden Einordnung harrt, aufgezeigt. Es bleibt zu wünschen, daß das Material der Tagung bald – wie geplant – in schriftlicher Form fixiert wird.
Anmerkung
[1] Günter Kloss, Georg Wrba: (1872–1939); ein Bildhauer zwischen Historismus und Moderne, Petersberg 1998.
Empfohlene Zitation:
Zita Ágota Pataki: [Tagungsbericht zu:] Der Bildhauer Georg Wrba 1872–1939 (Museum Wurzen, 20.01.2007). In: ArtHist.net, 14.03.2007. Letzter Zugriff 04.11.2024. <https://arthist.net/reviews/389>.
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