Das Grabmal des Günstlings. Tagung des Forschungsprojekts "REQUIEM Die
römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit", Institut für
Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, 08.-09. Mai
2009
Tagungsbericht für H-ArtHist von Laura Goldenbaum, Kunsthistorisches
Institut in Florenz
Seit nunmehr acht Jahren beschäftigt sich das Forschungsprojekt "REQUIEM
Die Papst- und Kardinalsgräber der Frühen Neuzeit", unter der Leitung von
Horst Bredekamp (Berlin) und Volker Reinhardt (Fribourg), mit der
quellenkundlichen Erfassung und Erforschung frühneuzeitlicher Papst- und
Kardinalsgrabmäler. Darüber hinaus hat es beharrlich versucht, die
Zusammenhänge zwischen dem Monument und seinem spezifisch kulturhistorischen
Hintergrund, aber auch den jeweiligen gesellschaftlichen Figurationen
herzustellen, von denen die Auftraggeberinteressen in so hohem Maße
abhängen. Es ging nie allein um das nackte Objekt des Grabmals, sondern um
eine Analyse seiner Struktureigenschaften, die die politischen Spielregeln
frühneuzeitlicher Gesellschaften einsichtig machen.
Das Grabmal der vielschichtigen und nicht nur im klerikalen, sondern ebenso
im weltlichen Herrschaftsbereich zu findenden Figur des Günstlings, deren
Wesensart "redlich und aufrichtig seyn" muss [1] und die in ihrem "äußeren
Wohle in ganz besonderer Weise gefördert" [2] und damit angreifbar wird, war
Gegenstand der Tagung. In besonderem Maße spiegelt das Grabmonument die
symbolische Funktion des Günstlings als ein Herrschaftsinstrument, seine
Relevanz für den Staatsbildungsprozess und die Regentschaftsorganisation im
Europa des 17./18. Jahrhunderts wider. Bindungslos, unermüdlich dienend und
absolut loyal letztlich vermochte niemand den hegemonialen Anspruch des
Souveräns anschaulicher werden zu lassen als der Günstling selbst, ob
gescheitert oder bis zu seinem Ende in hohen Ehren stehend.
Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte sich das Tagungskollegium als Ziel
gesetzt, Elemente einer Typologie des Günstlingsgrabmals herauszuarbeiten
und damit, über den Anspruch einer Bestandsaufnahme in Form von
Einzelstudien hinaus, eine allgemeingültige Aussage über seine Formensprache
treffen zu können. Das Bedürfnis, über ausgewählte, exemplarische
Darstellungen den Zugang zu einer Übersicht, einer Kategorisierung von
Merkmalen zu finden, zog sich als roter Faden durch das Programm und wurde
vor allem in der Diskussion, im Anschluss an die Tagungsbeiträge,
sinnstiftend. Vielfalt und Divergenz der zu berücksichtigenden Aspekte bei
der Annäherung an ein Grabmal betonten jedoch oftmals eher Unterschiede und
Widersprüche und verstellten häufig den Blick auf grundlegende
Gemeinsamkeiten. Die Vielgestaltigkeit der gunstabhängenden Position, die
sich ebenso im Formenreichtum der bildlichen Präsentation offenbart, macht
die Komplexität dieser Thematik und die Schwierigkeit einer systematischen
Annäherung offensichtlich.
Allein drei Abhängigkeitsmodalitäten lassen sich für den repräsentativen,
darstellenswerten Habitus des Günstlings in Bezug auf sein Grabmal
festmachen, die als Struktureigenschaften in einem Spannungsverhältnis
zueinander stehen: Einerseits der Wunsch nach formaler Abgrenzung,
geschuldet dem hohen Konkurrenz- und Bewährungsdruck und dem Schwebezustand
permanenter Destabilisierung, andererseits der vor allem in den Inschriften
aufscheinende soziale Weltbezug, den Status und Rang verdeutlichen, drittens
die Affinität für objektivierte und allgemeingültige herrschaftlich
konnotierte Formenmerkmale, die in sichtbarer und beständiger Weise die
Zugehörigkeit zur höfischen Gesellschaft und die Nähe zum Zentrum der Macht
demonstrieren. In diesem Zusammenhang scheint auch die Sektionsbildung der
Tagung nach geografischen Bezugspunkten logisch und konsequent.
Die erste Sektion “Frankreich³ eröffnete der Vortrag von Christine Tauber.
Sie stellte das Grabmonument des einflussreichsten Beraters Charles V. und
Kurienkardinals Jean de La Grange (um 1325/301402) vor das vielleicht
größte Grabmonument des gesamten Mittelalters. Die Selbststiftung als
"legitimatorische Autobiographie post mortem" könne in ihrer
Prachtentfaltung, ihrer "hypertrophen und monarchistischen Ikonographie",
einer deutlichen Überinstrumentierung der Grabskulptur sowie der
Bedeutungsüberlagerung des architektonischen Aufbaus mit zeitgenössischen
Papstgrabmälern konkurrieren. Der übersteigerte Zeicheneinsatz wurde als ein
Indiz für Legitimationsprobleme eines machtbewussten "homo novus" erkannt,
ein Phänomen, das besonders die Grabmonumente gescheiterter Günstlinge
beträfe.
Gabriela Reuss sprach über das monumentale Grabmal Antoine Duprats, eines
Protegés Papst Clemens VII. de' Medici (1523-1534) und gleichermaßen Favorit
Franz' I., im Chor der Kathedrale Saint-Ètienne, im Machtzentrum seines
Erzbistums Sens. Auffällig sei die Affinität zum Monumentalgrab, dessen
Ikonographie an französische Königsgrablegen angelehnt ist. So sei das
Monument Roberts I., mit seiner reliefierten Registerfront, das Vorbild für
das Grabmal Jean de La Granges gewesen, während Antoine Duprats Grabmal
jenes für Ludwig XII. reflektiere.
Sigrid Ruby widmete sich der massiven, zudem gedoppelten, memorialen
Selbstinszenierung der Diane de Poitiers, Favoritin Heinrichs II. Das
Lavierende, Austarierende der ikonographischen Bildmittel zeige gerade an
diesem Beispiel sehr deutlich die heikle, besonders angreifbare Situation
eines weiblichen Günstlings. Die Favoritin müsse dem unbedingten Grundsatz
für den Habitus eines Günstlings schlechthin folgen, auf den Horst Bredekamp
nachdrücklich verwies: "interesselos treu frei" zu sein. Julian Blunks
Vortrag über die Portalgrabmäler des Ehepaars Guillaume Fouquet de la
Varenne beschloss die Frankreich-Sektion. In ihrer Disposition unmittelbar
unterhalb der Herzgrabmäler ihrer Gönner Heinrich IV. und Maria von Medici,
in der Jesuiten-Abtei La Flèche, erfüllen sie alle der drei entwickelten
Kriterien für die Darstellungsmodalität von Günstlingsgräbern.
Die zweite Sektion "Der Kaiserhof und das Reich" eröffnete Inga Brinkmanns
Referat über Begräbnisrecht und Grabmalsetzung im würzburgischen Raum als
Zeichen gegenreformatorischer Politik. Philipp Zitzlspergers Beitrag widmete
sich dagegen den zwei ehrgeizigen und für das Habsburgische Reich singulär
bleibenden Selbststiftungen, den Wandgrabmälern für Herz und Leichnam des
gestürzten Günstlings Kaiser Matthias¹ und Kardinals Melchior Khlesl, im
Stephansdom sowie im Dom der Wiener Neustadt, deren römisches Vorbild, das
Wandgrabmal für den Kardinal Ottavio Bandini (1558-1629), ebenfalls ein
Entwurf des Bildhauers und Bernini-Konkurrenten Giuliano Finelli, erstmals
benannt werden konnte.
Mark Hengerer sprach über die Grablegen österreichischer Favoriten in Wien
und Umgebung im 17./18. Jahrhundert und versuchte, den
"Verschleierungsbegriff" ’Günstling' konkreter zu fassen, indem er
signifikante "Günstlingsmerkmale" zusammentrug sowie anhand einer Fülle von
Beispielen unterschiedlichster Günstlingsgrablegen formale Gemeinsamkeiten
und Unterschiede herausarbeitete. Indikatoren für Günstlingsgrabmäler sind
demnach eine auffällig zur Schau gestellte Herrschernähe durch die Verortung
des Monuments sowie dessen direkte Bezugnahme über Ikonographie und
Formensprache.
Die Grundlage der memorialen Bildsprache innerhalb der folgenden Rom-Sektion
war die besondere Herausstellung einer speziellen Herrschaftsnähe, die sich
aus dem Spannungsverhältnis von Dynastiebildung und Wahlmonarchie der Päpste
ergibt. Im Anschluss an Almuth Kleins Beitrag über die Grabkrypta Carlo
Borromeos im Mailänder Dom widmete sich Thomas Pöpper dem heute nicht mehr
erhaltenen Grabmal der Vanozza de' Catanei, Favoritin und Geliebte des
Kardinals Rodrigo Borgia, 14921503 Papst Alexander VI., in S. Maria del
Popolo in Rom.
Das Diktat der familiären Rollenerfüllung domestiziert die Funeralmonumente
der normativ schwer fassbaren Gruppe der Kardinalnepoten im Rom der Frühen
Neuzeit, so die Kernthese des Beitrags von Arne Karsten. Die Einflussnahme
der Nepoten am päpstlichen Hof habe in aller Regel mit dem Tod des
Familien-Pontifex geendet, vollkommen disfunktional wäre demnach die
bewusste Setzung einer symbolischen Konkurrenz zum Papst, mittels eines
eigenständigen Memorials für den oder die Neffen gewesen.
Dass Günstlingsgrabmäler an Aufwand und künstlerischer Qualität durchaus mit
Königsgrablegen konkurrieren konnten, belegen nicht allein die Monumente aus
dem französischen Raum. Die Relevanz der Herrschernähe, die auf
konzeptioneller, formaler und ikonographischer Ebene explizit wird, erfuhr
in Spanien jedoch eine Steigerung, aufgrund des kostbaren,
herrschaftssymbolisch aufgeladenen Materialeinsatzes. So sprach Katrin
Zimmermann über das ehrgeizige Grabmalsprojekt des Manuel de Zúñiga Acevedo
y Fonseca, Graf von Monterrey, in Salamanca und Hillard von Thiessen über
das prachtvolle Grabmonument des Kardinals Lerma von Pompeo Leoni aus
vergoldeter Bronze, ein Werkstoff, der, bis auf wenige Ausnahmen, nur
weltlichen herrschaftlichen Grabmälern vorbehalten war. Das anschließende
Co-Referat Judith Ostermanns über das Grabmonument Alvaro de Lunas,
gescheiterter und auf königlichen Befehl hingerichteter Günstling Johanns
II., vermochte dieses Phänomen der imitatio regis noch einmal zu untermauern
und gleichzeitig die gefährliche Gratwanderung jener Aneignung, ja
Einverleibung der herrschaftsideologisch besetzten Symbolik deutlich zu
machen.
Die Fülle an Beobachtungen und Überlegungen wurde am Ende der Tagung durch
die zusammenfassenden Bemerkungen von Birgit Emich stringent gebündelt. Sie
trennte drei große Themenbereiche der Tagungsbeiträge voneinander:
1) Bemühungen um eine Typologisierung des Günstlingsgrabmals, trotz der
aufgezeigten Vielfalt des Materials und damit zusammenhängend, der
gesellschaftlichen Gruppe des Günstlings der Frühen Neuzeit, eng geknüpft an
eine, von Fall zu Fall zu entscheidende, notwendige Klärung des
Verhältnisses von Individualität und Gruppenidentität.
2) Ansätze einer Herausarbeitung von Ikonographie sowie formaler Kriterien
des Günstlingsgrabmals, das vor allem das Amt und den sozialen Status als
Basis der Macht und der Nähe zum Herrscher, oftmals mit Hilfe von
Inschriften, propagiert.
3) Die insgesamt etwas unterbelichtet gebliebene und sicher am schwersten zu
beantwortende Frage nach der Funktion und der konkreten Bedingung der
Grablegen. Wichtig in diesem Zusammenhang wäre die Klärung ihrer
weitläufigen und vielseitigen zeremoniellen Einbindungsmöglichkeiten und
ihrer rechtlichen Rahmenbeschränkungen: "Wo liegt die Krise begründet, auf
die das Grabmal antwortet?" - eine Frage, die sich am Ende der Tagung
dringender denn je gestellt hat; kein geringer Erfolg.
Anmerkungen:
Empfohlene Zitation:
Laura Goldenbaum: [Tagungsbericht zu:] Das Grabmal des Günstlings (Berlin, 08.–09.05.2009). In: ArtHist.net, 20.07.2009. Letzter Zugriff 26.12.2024. <https://arthist.net/reviews/31713>.
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