REV-CONF 13.08.2007

Spazi urbani e immagini del potere

Rom, 05.06.2007

Bericht von Tanja Michalsky, Universität der Künste, Berlin
Redaktion: Godehard Janzing

"Spazi urbani e immagini del potere. Trasformazione e medialità nelle città
italiane dall'antichitá ad oggi. Urbane Räume und Bilder der Macht.
Transformation und Medialität in italienischen Stadtstrukturen von der
Antike bis heute"

(Istituto Svizzero, Rom, 5. Juni 2007)

Tagungsbericht für H-ArtHist von Tanja Michalsky, Universität der Künste,
Berlin <tamiudk-berlin.de>

Das Projekt, vierzehn Vortragende an einem Tag in Rom zu versammeln und über
urbane Räume Italiens von der Antike bis heute diskutieren zu lassen, sah
bei dem ersten Blick auf das Programm nicht nur ehrgeizig, sondern auch
praktisch undurchführbar aus - doch die Veranstaltung hat sich Dank der
hervorragenden Organisation von Britta Hentschel und Marco Vencato sowie der
Disziplin der Redner und Diskutanten als ein gutes Format für die Vernetzung
aktueller Forschungen erwiesen. Wie der Titel der Tagung deutlich machte,
ging es weniger um die Faktizität tatsächlich gebauter historischer Städte
als um die Medialität, mit der über Strukturen und Bilder der Stadt
gesellschaftliche Machtverhältnisse zum Ausdruck gebracht worden sind.
"Medialität" meint dabei im weitest möglichen Sinne die Vermittlung bzw.
Konstitution von (sozialer und politischer) Bedeutung, die seit der Antike
gerade im städtischen Raum eine genuine Form gefunden hat und deren
interdisziplinäre Erforschung sich gerade im Aufwind befindet. [1] Das im
Konzept angelegte weite Verständnis des urbanen Raumes versteht sich vor dem
Hintergrund des noch immer andauernden "spatial turns". [2]

Planung und Kontingenz

Die Frage, wodurch sich Urbanität überhaupt auszeichnet, machte Donatella
Calabi an norditalienischen Kleinstädten der Frühen Neuzeit fest, die sich
als "quasi-città" oder "piccolo stato" architektonischer und urbanistischer
Zeichen, wie einer zentralen Kollegiatskirche und einem zentralen Platz
bedienten, um ihre Bedeutung zu visualisieren.

Das andere Ende des breiten Spektrums markierten die Städtegründungen des
faschistischen Regimes in den trocken gelegten Sümpfen, die allesamt am
Reißbrett entstanden. Wie Daniela Spiegel am Beispiel von Littoria deutlich
machte, musste die Planung im Laufe der schnellen Entstehung den wachsenden
Anforderungen an eine regionale Hauptstadt angepasst werden, was durch die
einfache aber wirksame Drehung der Hauptachsen um 45 Grad erreicht werden
sollte. Gerade am Beispiel der relativ homogen geplanten und oft auch
erhaltenen Kleinstädte ist die Frage nach dem Charakter von Urbanität im
historischen Wandel besonders gut zu verfolgen. Der Anteil der Planer steht
hier allerdings stärker im Vordergrund als jener der Bewohner und ihrer
Aneignung des Raumes.

Das verbindet sie mit den Idealstadtplanungen, die Andreas Tönnesmann in den
Blick nahm. Über eine rein urbanistische Lektüre hinausgehend,
interpretierte er einige Texte der Neuzeit explizit als Erzählungen, die
einerseits die soziale Ordnung abbilden und andererseits die Architekten
durch die Einteilung in Tage-Werk als moderne Schöpfer preisen.

Insbesondere im Kontext dieser Beiträge wurde das Verhältnis von
Idealstadtplanung und Kontingenz der gewachsenen Stadt diskutiert. Aber auch
an anderen Beispielen (wie der Planung der Fassade der römischen Zecca in
Banchi, deren Gestaltung sich mit Blickachsen erklären lässt, die die Zeit
nicht überdauerten) wurde deutlich, dass gerade in der Reibungsfläche von
Planung und gewachsener Materialität das Faszinosum historischer Stadträume
liegt.

Translokale Verweise

Urbanistische Strukturen sind ebenfalls mit Verweisen zu anderen Städten
bzw. urbanistischen Systemen zu erklären, in denen sich politische
Strukturen, wie etwa der Absolutismus mit seinen performativen Bedürfnissen
bereits niedergeschlagen haben. Die Beiträge zur Stadterweiterung Turins am
Beginn des 18. Jh. (Giulia Mezzalama) und den napoleonischen Plänen der
Umstrukturierung von Mailand im 19. Jh. (Johannes Myssok) führten vor Augen,
wie komplex und kompliziert die Anwendung der aus Frankreich importierten
Strukturen auf gewachsene Städte war, die bei allen Anstrengungen und trotz
der anderweitigen Durchsetzungsfähigkeit der jeweiligen Machthaber selten
realisiert werden konnten. Erneut sind es hier die Pläne, die die
spektakulären Intentionen der Urbanisten verraten, wohingegen die konkret
umgesetzte Vereinnahmung des städtischen Raumes sich in kleineren
Veränderungen wie etwa der Neuinszenierung der bereits vorhandenen Stadttore
in Mailand manifestierte.

Produktion und Rezeption

Dass der städtische Raum nicht nur von den üblichen Protagonisten der Stadt-
und Kunstgeschichte, sondern vor allem von seinen Bewohnern produziert wird,
fokussierten andere Beiträge: Benjamin Scheller analysierte die Aneignung
der Stadt durch konvertierte Juden unter dem Stichwort der Heterotopie der
"yudaica" bzw. "giudecca". Seine Erklärung des städtischen Raumes berief
sich auf Formen von Exklusion und Inklusion der Bewohner, wie sie sich in
Dokumenten nachweisen lassen, die etwa die einstige Giudecca noch benennen,
obgleich sie bereits verschwunden war. Kenntlich wurde so die sozial und
religiös gefärbte, mentale Karte der Stadt, die viel länger zur Orientierung
verwendet wurde, als sie den topographischen Bedingungen der Stadt
entsprach.

Auch Neapel wurde weniger aus Sicht der Urbanisten und Planer betrachtet,
sondern vielmehr aus der Aneignung des Raumes durch die Bewohner: Marco
Vencato verwies auf die Inszenierung sozialer Ordnung, die in Neapel an der
Besetzung durch die Seggi des Adels abzulesen ist. Dies gilt sowohl für die
konkrete Besetzung des öffentlichen Raumes mit ihren Loggia-artigen
Versammlungsorten, das gilt aber auch für Bilder der Stadt, wie etwa ein
Fresko des 16. Jh., das durch die Angabe dieser Seggi und einiger
Adelspaläste deutlich die gesellschaftliche Struktur visualisiert.

Mit Blick auf die Ereignisgeschichte und den Kampf zwischen ordnender
Obrigkeit und widerspenstigem Volk ließ sich die long durée der politischen
Semantisierung städtischer Plätze für die Pza. Mercato in Neapel nachweisen.
Wie Lanfranco Langobardi zeigen konnte, wurde sie von der lokalen
Geschichtsschreibung immer wieder als ein Ort des rebellischen Volkes
interpretiert. Obgleich hier zwar (seit der Hinrichtung Konradins durch die
Anjous) ostentativ der Sitz der Rechtsprechung und seiner Vollstreckung
durch die Obrigkeit inszeniert wurde, wurde die Piazza dennoch von den
Bewohnern wie auch den spanischen Besatzern als Ort wiederkehrenden
Aufbegehrens stilisiert, das seinen letzten Höhepunkt in dem Aufstand
Masaniellos (1647) hatte.

Über die Rezipienten (und Akteure) des städtischen Raumes wurde auch nach
dem Vortrag von Alessandro Camiz diskutiert, der sich mit der Inszenierung
des Palazzo dei Ricevimenti e Congressi bei der Weltausstellung in Rom (E
42) beschäftigte, in dessen Gestalt eine bereits in der Antike projektierte
Achse aufgegriffen wurde, die sich jedoch der direkten Wahrnehmung entzieht.

Rom - Die Stadt als Palimpsest

Am Paradebeispiel Rom zeigte sich die Stadt als Palimpsest unter ganz
verschiedenen Blickwinkeln. Es verwundert kaum, dass hier die antike Stadt,
deren Monumente und Straßenzüge nie unsichtbar geworden waren, eine
bedeutende Rolle spielte, wenn es darum ging, neue Modelle in diese Struktur
und damit auch in die große Vergangenheit einzuschreiben, z. B. im 19. Jh.
beim Bau des neuen Rom als Hauptstadt des geeinten Italien. Hier mussten
antike Monumente umgewidmet werden (etwa das Pantheon zum nationalen
Mausoleum), neue Landmarks wie das gigantische Monument für Vittorio
Emmanuele II gebaut, sowie neue Straßenzüge (etwa der Corso) angelegt werden
(Britta Hentschel). Die Planungen für die Weltausstellung E42 antworteten
auf die Gegebenheiten auf struktureller Ebene, über Zitate antiker Bautypen
und städtebaulicher Achsen (Alessandro Camiz). Das Mausoleum des Augustus
hingegen wurde über Jahrhunderte zweckentfremdet und so stark verändert,
dass die umstrittene aktuelle Lösung der städtebaulichen Einbettung durch
Richard Meier das städtische Palimpsest mit seinen konkreten
Niveauunterschieden inszenieren muss, um es zu überbrücken (Elisabeth
Kieven).

Den chronologischen Abschluss bildete ein Vortrag über Corviale, einen fast
ein Kilometer langen Wohnblock Mario Fiorentinos, der in den 1970er Jahren
als ungewöhnlich monumentale Form einer monolithen Trabantenstadt auf die
Wohnungsnot reagierte. Er schuf mit einem Schlag eine extraurbane
Gesellschaft, deren Mitglieder sich heutzutage angesichts sozialer Probleme
mit den Mitteln moderner Massenmedien eine eigene Kommunikationsform
wiederzugewinnen suchen. Dario Cecchi wandte auf diese Situation überzeugend
den Augé'schen Begriff des "Nicht-Ortes" an. Erstaunlicherweise wurde das in
Rom allgemein bekannte Projekt von einigen Zuhörern vehement verteidigt -
dergestalt dass die Kraft sozialer Utopien der 1970er Jahre noch einmal
deutlich spürbar wurde.

Aufs Ganze gesehen bot die Tagung einen guten Überblick über aktuelle
Ansätze, den städtischen Raum zu beschreiben und zu analysieren. Von
weiterreichendem Interesse waren dabei vor allem jene Ansätze, die das
imaginäre und kommunikative Potential der Urbanistik in den Mittelpunkt
rückten. Eine Publikation der Beiträge ist geplant.

Anmerkungen:
[1] Vgl. Michael Stolleis u. Ruth Wolff (Hg.): La bellezza della città.
Stadtrecht und Stadtgestaltung im Italien des Mittelalters und der
Renaissance (Reihe der Villa Vigoni 16) Tübingen 2004. In den vergangenen
drei Jahren wurde von der DFG ein Netzwerk zum Thema "Räume der Stadt"
gefördert (URL: http://www.raeume-der-stadt.de ).
Cornelia Jöchner
berichtete von dem gerade initiierten Projekt "Piazza e monumento" am
Kunsthistorischen Institut in Florenz, das den Platz als genuin städtische
Form untersucht.
[2] Vgl. zum "spatial turn" die Einleitung in: Raumtheorie. Grundlagentexte
aus Philosophie und Kulturwissenschaften, hrsg. v. Jörg Dünne und Stephan
Günzel, Frankfurt 2006, S. 9-15, und den Überblick von Doris
Bachmann-Medick: Cultural turns. Neuorientierungen in den
Kulturwissenschaften, Reinbek 2006, S. 284-328.

Empfohlene Zitation:
Tanja Michalsky: [Tagungsbericht zu:] Spazi urbani e immagini del potere (Rom, 05.06.2007). In: ArtHist.net, 13.08.2007. Letzter Zugriff 27.12.2024. <https://arthist.net/reviews/29515>.

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