Frieden. Von der Antike bis heute
Im Jahr 2018 kann die Stadt Münster auf eine lange Ausstellungstradition über Krieg und Frieden zurückblicken. Aus einem zumeist kulturgeschichtlichen Blickwinkel wurden der Dreißigjährige Krieg und der Westfälische Friede in all ihren Facetten beleuchtet. Besonders die Ausstellung 1988 im Stadtmuseum sowie die 1998 im Landschaftsverband Westfalen-Lippe präsentierte Europa-Rat-Ausstellung „1648 – Krieg und Frieden in Europa“ lieferten neue Impulse für die Forschung. Jüngst beschäftigte sich auch die Staatsgalerie Stuttgart mit „Friedensbildern in Europa“. Zurzeit findet anlässlich des 370-jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens eine Kooperationsausstellung in fünf Häusern statt, die teilweise durch ein Projekt des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster vorbereitet wurde.
Das LWL-Museum für Kunst und Kultur widmet sich unter dem Titel „Wege zum Frieden“ Bildern und Vorstellungen, die zur Verwirklichung von Frieden geführt haben. Beginnend mit der Personifikation des Friedens, begrüßt die Besucher das von Battista Dossi geschaffene Gemäldepaar „Justitia“ und „Pax“. Die weiteren Exponate vergegenwärtigen die verschiedenen Attribute und Gefolgschaften der „Pax“, wie etwa die Verbindung zwischen Frieden und Goldenem Zeitalter. Danach werden „Künstler für den Frieden“ vorgestellt, unter denen der diplomatisch aktive Peter Paul Rubens einen besonderen Platz einnimmt. Vertreten sind auch Künstler wie Honoré Daumier mit seinen für den „Charivari“ um 1867/68 geschaffenen Lithografien. In der folgenden Sektion sind mittelalterliche Praktiken des Friedensschließens den Ritualen der Frühen Neuzeit – etwa Friedensfeiern – gegenübergestellt. Schlaglichter auf verschiedene Friedensschlüsse liefern die folgenden Ausstellungsräume, in denen die Entwicklung des Friedensprozesses bis hin zur Diplomatie vom Mittelalter bis zur Vormoderne skizziert ist. Abschließend widmet sich die Ausstellung im „Zeitalter der Extreme“ Kriegspropaganda und Friedensbewegungen im 20. Jahrhundert. Bis auf einige schlecht sichtbare Exponate, bietet die Ausstellung einen guten Einblick in die ‚Wege des Friedensschließens‘.
Auch das Bistum Münster präsentiert seine Ausstellung im Bau des LWL und stellt darin die Frage: „Frieden. Wie im Himmel so auf Erden?“ Beim Betreten begrüßt die Besucher zuerst eine Fotografie der mittlerweile ikonischen Friedenstaube des Street-art Künstlers Banksy. Die folgenden Räume widmen sich christlichen Friedensidealen und ihrer Umsetzung bis in die Moderne. Besonders gelungen ist die Gegenüberstellung zwischen historischen und zeitgenössischen Friedenssymbolen, etwa durch ein Augsburger Friedensgemälde mit einer Aufnahme der Installation Otto Pienes für die Olympischen Spiele 1972, die beide den Regenbogen thematisieren. Die besondere Rolle des christlichen Martyriums reflektieren nicht nur mittelalterliche und neuzeitliche Beispiele, sondern auch einer der Höhepunkte der Ausstellung: der von Dietrich Bonhoeffer verfasste „Weihnachtsgruß“ an seine Familie, der die bekannten Zeilen „von guten Mächten treu und still umgeben“ enthält. Die folgenden Sektionen behandeln den Umgang des Christentums mit politischen Konflikten und die Auseinandersetzung mit anderen Religionen. Der letzte Teil der Ausstellung fokussiert die Rolle des Christentums im Ersten Weltkrieg und schließt mit Exponaten zum Zweiten Vatikanischen Konzil und dem Weltgebetstreffen in Assisi.
Das Stadtmuseum Münster zeigt als drittes in der Sonderausstellung „Ein Grund zum Feiern? Münster und der Westfälische Frieden“ dessen vielfältige Rezeption. Bereits 1998 zeigte das Haus eine Ausstellung, die sich neben den Friedensjubiläen auch auf das kulturelle Leben zur Zeit des Friedenskongresses konzentrierte. Einige der dabei gezeigten Exponate finden sich auch diesmal wieder. Den Auftakt bietet Münster als Kongressstadt und führt mit bekannten Flugblättern und Medaillen in die Thematik ein. Hervorzuheben ist dabei die Bemühung, die Bedeutung einerseits der Symbolik und andererseits des Ereignisses selbst herauszuarbeiten. Das Fragezeichen des Ausstellungstitels erklärt der chronologische Ausstellungsrundgang. Dieser beginnt mit den Friedensfeierlichkeiten nach Abschluss des Nürnberger Exekutionskongresses 1649/50. Die folgenden Jubiläen sind für das Jahr 1748 mit Augsburger und für 1848 mit Nürnberger Exponaten vertreten. Diese lokale Einschränkung schärft den Blick dahingehend, dass der Friedensschluss in der öffentlichen Erinnerungskultur der Stadt Münster beinahe bis ins 20. Jahrhundert eine untergeordnete Rolle spielte. Aus diesem Grund befasst sich der der zweite Teil der Ausstellung mit der Rezeption des Friedens im 19. und 20. Jahrhundert. In einer abwechslungsreichen Zusammenstellung präsentiert das Stadtmuseum Zeugnisse wie Einladungskarten oder Sammelbände und dokumentiert die Diskussion um das Friedensdenkmal auf der Aegidiischanze. Besonders ab diesem Ausstellungsteil ergänzen Multimediastationen hervorragend die Exponate und auch Rückbezüge zur einleitenden Sektion laden den Besucher zur Reflexion ein. Großzügig bedacht ist die 1940 geplante, aber niemals durchgeführte nationalsozialistische Reichsausstellung. Sie dient als Kontrast zur letzten Sektion, in der die Rezeption des Friedens von 1948 und 1998 thematisiert ist: Von dem 300-jährigen Jubiläum unter dem Motto „Gedenken, nicht Feiern“ im noch kriegszerstörten Münster bis hin zur großen Europa-Rat-Ausstellung 1998. Die vielfältigen Exponate vermitteln nicht nur einen guten Einblick in die unterschiedliche Bewertung des Westfälischen Friedens, sondern erschließen auch die Tradition von Friedensmotiven, wie dem Postreiter, oder das Zusammenspiel unterschiedlicher Medien, wie Druckgrafik und Sammelbände sowie Erinnerungsmedaillen.
Das Picasso-Museum präsentiert mit „Von den Schrecken des Krieges zur Friedenstaube“ die Auseinandersetzung des spanischen Künstlers mit der Friedensthematik. Seine Arbeiten konzentrieren sich mit dem Beginn des Spanischen Bürgerkriegs auf das zeitpolitische Geschehen, womit auch die Ausstellung einsetzt. Besonders herausgestellt werden dabei Picassos monumentales Gemälde „Guernica“ (1937), die Skulptur „Mann mit Schaf“ (1942) und seine verschiedenen Darstellungen der Friedenstaube. Historische Fotografien aus dem Spanischen Bürgerkrieg, dem von den Nationalsozialisten besetzten Paris sowie der Judenverfolgung in Frankreich bis zur Befreiung 1944 ergänzen dieses Bild. In dieser Zeit hielt sich Picasso in Paris auf und schuf – belegt mit einem Ausstellungs- und Verkaufsverbot – die Skulptur „Mann mit Schaf“, die als bedeutendstes Werk der Ausstellung erstmals seit mehr als 40 Jahren wieder in einem deutschen Museum zu sehen ist. In Gegenüberstellung mit Vorzeichnungen und Druckgrafiken zum Thema Arkadien wird die Entstehung und Genese der Skulptur ebenso nachvollziehbar wie Picassos Umgang mit einer urchristlichen Bildtradition, von dessen traditioneller Darstellungsweise er sich bewusst abwandte. Auch die Genese seines berühmten Gemäldes „Guernica“ dokumentiert eine Fotoreihe, die seine damalige Muse Dora Maar anfertigte. Ergänzt werden außerdem spätere politische Kontexte, wie die zeitweise Verhängung des „Guernica“-Teppichs im Hauptgebäude der Vereinten Nationen beim Besuch des Secretary of State Colin Powell im Jahre 2003. Schließlich behandeln die weiteren Räume insbesondere Picassos Friedenstaube als Motiv politischer Plakate: Ursprünglich entworfen für den Kongress der „Parti communiste français“ (PCF) 1949 in Paris, erschienen bis 1962 zahlreiche politische Plakate mit seiner Grafik. Die Ausstellung bietet den Besuchern durch die zwar ausführlichen aber aufgrund der historischen Kontextualisierung notwendigen längeren Wandtexte eine gute Einführung, die durch das Zusammenspiel sorgfältig ausgewählter Exponate ein verständliches Gesamtbild vermittelt. Die internationalen und seltenen Leihgaben ergeben ein umfassendes Bild eines Künstlers, der sich in den politischen Wirren seiner Zeit intensiv mit der Thematik Krieg und Frieden auseinandersetze.
Die kleinste der fünf Ausstellungen präsentiert schließlich das Archäologische Museum der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Antike Friedensdarstellungen- und Konzepte vereinen sich unter dem Titel „Eirene/Pax – Frieden in der Antike“ zu einer Präsentation antiker Friedenskonzepte. So ergänzen etwa Darstellungen auf Münzen oder antiker Keramik die in den anderen Ausstellungen gezeigten Friedenssymbole. Beginnend mit den Keilschrifttafeln des ‚ältesten erhaltenen Friedensvertrags‘ zwischen Ḫattušili III. und Ramses II. von 1259 v. Chr., konzentriert sich die Schau hauptsächlich auf die griechische und römische Antike. Dabei werden sowohl literarisch fassbare Friedensvisionen bei Homer und Hesiod thematisiert als auch die Rolle der Friedens- und Gerechtigkeitsgöttinnen Dike und Eirene. Hierbei rückt besonders Letztere durch die sich heute in der Glyptothek befindliche Marmorkopie der Statue des Kephisidot in den Mittelpunkt. Im Bereich römischer Antike widmet sich ein Großteil der augusteischen Herrschaft, etwa mit Abgüssen der „Ara Pacis“. Die Vorstellung idyllischer Natur in Friedenszeiten schlägt mit Exponaten der Orpheus-Thematik, der laut Mythos mit seiner Musik selbst wilde Tiere friedvoll zusammentreten ließ, eine Brücke zu den anderen Ausstellungen. Die Präsentation der römischen Friedensvorstellung schließt mit der Bedeutung des Janustempels, der flavischen Inszenierung des Siegfriedens in Judäa und der Errichtung des Templum Pacis durch Vespasian im Jahre 70–75 n. Chr. Die Ausstellung gibt mit der Gattungsvielfalt der Exponate nicht nur einen guten Überblick über die verschiedenen antiken Friedenskonzepte, sondern reflektiert auch neuzeitliche Traditionen vor deren antikem Hintergrund.
Ergänzend hierzu greifen und griffen verschiedene Veranstaltungen die Thematik der Großausstellung auf, wie etwa das 15. Deutsche Münzsammlertreffen oder die Tagungen „Frieden. Theorien Bilder und Strategien sowie Religiöse Friedensmusik“. Die Ausstellung begleitet zudem ein fünfbändiger Katalog, der alle Exponate dokumentiert und vertiefende Aufsätze bereitstellt. In der Zusammenschau der unterschiedlichen Schwerpunkte der einzelnen Ausstellungen eröffnet sich derzeit in Münster somit ein selten vielfältiger Blick auf Friedensbilder von der Antike bis in die Gegenwart.
Empfohlene Zitation:
Anna Lisa Schwartz: [Rezension zu:] Frieden. Von der Antike bis heute (Münster) (Fünf Ausstellungen in Münster: LWL-Museum für Kunst und Kultur, Bistum Münster, Stadtmuseum Münster, Kunstmuseum Pablo Picasso und Archäologisches Museum der Universität Münster, 24.04.–02.09.2018). In: ArtHist.net, 05.06.2018. Letzter Zugriff 27.11.2024. <https://arthist.net/reviews/18323>.
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